Nur wenige Wochen nach den alarmierenden Informationen in einer Anhörung
des Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Landesplanung des Landtags NRW zeigen sich konkrete Folgen.
Die Hydro Aluminium in Grevenbroich wird in der Sparte der „Rolled Products“ mit Einstellung der Produktion am Ende des Jahres mindestens 350 Arbeitsplätze streichen, der Betriebsrat befürchtet 500. „Enttäuschende finanzielle Ergebnisse“ seien aus Sicht des Unternehmens dafür die Ursache. Der nun folgende Ablauf folgt den bisherigen Mustern. Das Unternehmen beteuert, so wenige Stellen wie möglich zu streichen und andernorts zu investieren, die Mitbestimmung und die Gewerkschaft rufen nach Regelungen und einem Sozialplan, um die Folgen für die betroffenen Mitarbeiter zu mildern, lokale Politiker äußern ihre Bestürzung und bieten Hilfe im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten an.
Mit dem Stellenabbau „knicke das Unternehmen vor den kurzfristigen Erwartungen der Anteilseigner und Finanzmärkte ein“, so die IG Metall. Für kurzfristige Konjunkturschwankungen gäbe es allerdings andere Instrumente, als einen erheblichen Stellenabbau von Personal, das man bei einem möglichen Aufschwung nie wieder in dieser Qualität bekäme. Es ist eher so, dass die Anteilseigner offenbar langfristig keine Lösung sehen im jetzigen und künftigen wirtschaftlichen Umfeld in Deutschland.
„Das Beispiel Hydro zeige, dass der Strukturwandel nicht nur den Bergbau betrifft, sagte Rainer Thiel, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion. „Die Region muss darauf eine Antwort geben – und zwar so schnell und klar wie möglich“, betonte Thiel, der die im Rahmen des Braunkohleausstiegs zugesagte Unterstützung der energieintensiven Industrie einfordert.“,
schreibt rp-online. Die von Altmaier angekündigte Unterstützung der energieintensiven Industrie bezüglich der Strompreise ist nicht in Sicht. Absichtserklärungen im Abschlußbericht der „Kohlekommission“ sind das eine, die Realitäten das andere. Zu groß ist der Druck der Grünen, endlich Abschalttermine festzuklopfen und zu groß das willfährige Entgegenkommen der CDU und deren Orientierungslosigkeit im Geflecht wirtschaftlicher Komplexität und politischer Abhängigkeiten.
Die Konkurrenz, vor allem aus China, kann man nicht abschalten, die Rahmenbedingungen für erfolgreiches Wirtschaften aber schon so gestalten, dass ein Bestehen im internationalen Wettbewerb möglich ist. In den meisten Ländern dieser Welt steht dies ganz oben auf der politischen Agenda der Regierungen. In Deutschland nicht.
Die Frage des Strompreises, aber auch der kontinuierlichen Versorgung sind elementar für die energieintensiven Industrien. 78 Abschaltungen Im Jahr 2018 allein für den Hydro-Konzern sind keine gute Basis für optimale Produktion.
Im Juni sind sämtliche Aluminiumhütten Nordrhein-Westfalens – Voerde, Essen und Neuss – abgeschaltet worden, und zwar am 6., 12. und 25. Juni. Trotz der getroffenen Vereinbarungen im Rahmen der Abschaltverordnung (AbLaV) besteht das Geschäftsmodell der Aluminiumindustrie nicht darin, das Netz zu stabilisieren, sondern Aluminium und Produkte daraus herzustellen. Termingemäß und in vertraglich zugesagten Mengen.
Im Bundestag hatte Finanzminister Scholz am 10. September auf die rhetorisch sich selbst gestellte Frage, warum wir gleichzeitig aus Atom und Kohle aussteigen, in voller Arroganz sich selbst geantwortet: „Weil wir es können“. Das ist an abgehobener Peinlichkeit kaum zu überbieten. Es treibt jedem der jetzt vom Arbeitsplatzabbau Betroffenen die Zornesröte ins Gesicht.
Die übliche politische Lesart, Stilllegungen und Abschaltungen als „Chance“ zu bezeichnen und mit dem Vorteil der „Planungssicherheit“ zu versehen, ist im Grunde makaber und an Zynismus kaum zu überbieten. Kraftwerke werden zwangsabgeschaltet, energieintensiver Industrie wird der Boden wirtschaftlichen Handels entzogen und die Betroffen bekommen zu hören, das gebe „Planungssicherheit“ und sei eine „Chance“. Wenn eines die dilettantisch gemanagte deutsche Energiewende nicht bringt, dann ist es Planungssicherheit. Kein seriöser Ökonom wird heute Prognosen zum Strompreis in zehn Jahren anstellen, auch nicht zum dann bestehenden Energiemix. Aus dem Kauderwelsch der Absichtsbekundungen der GroKo lässt sich kein halbwegs verlässlicher Blick in die Zukunft ableiten.
Chancen für neue Technologien und Industrien sind im von Bürokratie gefesselten Land eher dünn gesät. Wer sich zuvorderst um eine(n) GleichstellungsbeauftragtIn in der neu gegründeten Firma kümmern muss und jahrelange behördliche Verfahren zu durchlaufen hat, fällt selbst bei besten Ideen im internationalen Vergleich hinten runter.
Scholz kann es sich eine solche Arroganz leisten. Er ist befristet beschäftigter Finanzminister mit einem großen Daunenbett hinter sich, in das er eines Tages völlig überversorgt fallen wird. Die noch unbefristet bei Hydro Beschäftigten fallen härter. Die Frage nach vergleichbar gut bezahlten und bisher sicheren alternativen Arbeitsplätzen in der Industrie wird auch in NRW schwer zu beantworten sein.
Das Angebot des Ministerpräsidenten Laschet, den Belgiern bei ihrem Atomausstieg mit deutschem Strom zu helfen, scheint aus der Zeit gefallen, vermittelt aber einen Eindruck von der Desorientierung des politisch verantwortlich handelnden Personals.
Eine aktuelle Studie von EUPD Research im Auftrag des Bundesverbandes Solarwirtschaft prognostiziert bereits für das Jahr 2022 eine Unterdeckung der gesicherten Leistung in Deutschland.
Den Betroffenen bei Hydro jetzt zu sagen, dass die Stilllegung ihres Werksteils zur politisch gewollten Emissionssenkung beiträgt, mithin zur Weltrettung, wäre aus Sicht der Politik wenigstens ehrlich. Stattdessen wird man sich im konkreten Fall wie üblich hinter Betroffenheitsbeteuerungen und Krokodilstränen verstecken.
Der Personalabbau bei Hydro in Grevenbroich steht für Anfang und Fortsetzung eines Trends. Der Abschied der Industrie wird lauter werden.