In Stuttgart wird die Lage unübersichtlich. Mehrere Dutzend Demonstrationen gegen das Dieselfahrverbot sind für dieses und kommende Wochenenden angekündigt. Um den Porsche-Arbeiter Ioannis Sakkaros wollen heute wieder Hunderte auf die Straße gehen; er bildet ein überparteiliches Protest-Forum wie schon am vergangenen Wochenende. CDU und FDP werden gemeinsam demonstrieren; wobei die CDU ja bekanntlich als Juniorpartner in einer Koalition mit den Grünen steckt.
Selbst in dieser Liebesbeziehung hängt der Haussegen schiefen: Gerade hat der grüne Verkehrsminister Lastenfahrräder als Beitrag zur Verkehrswende subventionieren lassen; eine besonders gute und nachhaltige sowie menschenfreundliche Idee in der Stadt mit den vielen Hügeln und Steilstrecken. Und jetzt wirft der Landesgeneralsekretär der CDU, Manuel Hagel, den Grünen vor, sie würden agieren wie der „politische Arm der Deutschen Umwelthilfe.“ Die AfD hat schon häufiger und als erste Partei gegen die Fahrverbote demonstriert – und ärgert sich jetzt, dass sie von den anderen überholt und teilweise sogar ausgegrenzt wird. Recht kriegt nicht immer der, der als erster Recht hatte.
Wutbürger und Fachärzte drohen
Auch der Stuttgarter Oberbürgermeister von den Grünen, Fritz Kuhn, kann sich nur noch bis Herbst kommenden Jahres sicher im Amt fühlen. Dann muss er bei den OB-Wahlen den buchstäblichen Stuttgarter Wutbürger fürchten – der Begriff Wutbürger wurde übrigens für die Demonstranten erfunden, die 2010 gegen den Bau des unterirdischen Bahnhofs Stuttgart 21 kämpften. Diesmal haben die Wutbürger viele prominente Unterstützer. Über 100 Lungenfachärzte veröffentlichten ein Positionspapier, das durch den Pneumologen Dieter Köhler, ehemals Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) angestoßen wurde.
Köhler zweifelt an, dass eine Gesundheitsgefahr von den von Autos ausgestoßenen Stickoxide (NOx) ausgehe – die Grenzwerte seien lägen weit unterhalb jeder Gesundheitsgefahr. Seiner Meinung nach enthielten zahlreiche Studien über die Schadstoffe systematische Fehler, wodurch die gesetzlich festgelegten Grenzwerte generell zweifelhaft wären. Auch der Deutsche Verkehrsgerichtstag forderte am Freitag die EU-Kommission auf, die Grenzwerte „zeitnah“ auf ihre wissenschaftliche Belastbarkeit zu untersuchen. Die Verkehrsexperten kritisierten außerdem Standorte und Regeln zur Aufstellung von Messstationen – TE hatte in einer großen Leseraktion über fragwürdige Positionierungen berichtet.
Dieselgefahr für die Grünen
Die Grünen bringt das politisch in Gefahr. Gerne setzten sie sich an die Spitze der Bevölkerung – doch die marschiert jetzt gegen sie. Und immer wieder zitieren sie „wissenschaftliche“ Gutachten, die sich angebliche 60.000 oder auch 80.000 Tote zusammenreimen – und jetzt protestieren Wissenschaftler dagegen und die Modellrechnungen, die an Stelle medizinischer Untersuchungen im PC zusammengebastelt werden, bis die Ergebnisse den Auftraggebern wie etwa dem Umweltbundesamt und dem Umweltbundesministerium ins Geschäft passen. Der beamtete Staatssekretär im Umweltbundesamt, Jochen Flasbarth, dessen steile Karriere unter dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin startete, gab den Ton vor: Natürlich seien das keine „wissenschaftliche“, sondern politische Stellungnahmen; und der grüne Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek nannte das geistiges „Reichsbürger-Niveau“ und die Autoren gleich noch „verirrt“. Aber demonstrieren wirklich tausende Reichsbürger in Stuttgart? Nein, es sind normale Bürger, und sie haben das Recht, auf die Straße zu gehen – auch gegen die Politik eines grünen Oberbürgermeisters. Aber der Skandal reicht weit über Stuttgart hinaus – bis nach Berlin.
Prüfstein für die Umweltpolitik
Die Dieselpolitik wird damit zum Prüfstein für die Umweltpolitik dieser Bundesregierung. Und für die Grünen stellt sich die Frage nach ihrem Demokratieverständnis: Wer solcherart Unsinn kritisiert, ist also „Reichsbürger“? Das erklärt diese abseitige politische Sekte allerdings zur Massenbewegung. Und schlimmer noch: Dürfen sich nur noch Politiker zu politischen Maßnahmen äußern, nicht mehr aber Fachleute aus den entsprechenden Gebieten?
Längst wird damit der Umgang mit Kritikern der Diesel-Grenzwerte symptomatisch für das Klima der Meinungsbeschränkung in Deutschland: Wer von der Regierungslinie abweicht, ist verdächtig, besonders, wenn er etwas vom Sachverhalt versteht. So berichtete der SPIEGEL alarmiert:
„Das Positionspapier von Lungenfachärzten zum Thema Stickoxid-Grenzwerte hat prominente Unterzeichner. Einer davon ist ein Verfechter der Diesel-Technologie, der schon für Daimler arbeitete.“
Die Debatte zeigt, dass die von dem Handballer Stefan Kretzschmar angestoßene Debatte über Meinungsfreiheit in Deutschland tatsächlich einen wunden Punkt trifft.
Nicht etwa, weil die Meinungsfreiheit durch eine staatliche Zensurbehörde oder gar Haftstrafen für „falsche“ Meinungen bedroht wäre, sondern weil zur Meinungsfreiheit auch ein akzeptierendes Klima gehört, in dem ein breites demokratisches Spektrum an Meinungen sagbar ist und von Andersdenkenden nicht diffamiert wird.
Aber Diffamierung gehört längst zum Standartrepertoire, um Sachargumente gegen die vielen Fehlentwicklungen der grünen Politik auszuschalten. Deutschland braucht dringend Grenzwerte – für politische Vernunft, die nicht unterschritten werden dürfen.
In einer großen Leseraktion im März und April 2018 haben TE-Leser uns Bilder der Messstationen in ihren Städten geschickt.
Hier noch einmal die Übersicht und zu den einzelnen Artikeln:
Teil 1: Messtationen in Stuttgart, Leipzig, Fulda, Magdeburg, Rostock, Marburg und Tübingen
Teil 2: Messstationen in Ludwigsburg, Hannover, München und Siegen:
Teil 3: Messstationen in Hamburg, Wiesbaden, Cottbus, Dortmund und München
Teil 4: Messstationen in Berlin, Hannover, Halle an der Saale, Wuppertal und Göttingen
Teil 5: Messstationen in Darmstadt, Leonberg, Kiel und Gelsenkirchen
Teil 6: Messstationen in München, Plauen/Vogtland, Osnabrück und Norderstedt
Teil 7: Messstationen in Oldenburg, Köln, Leipzig, Nürnberg, Kassel und Essen
Teil 8: Messstationen in Potsdam, Berlin, Duisburg und Stralsund
Teil 9: Messstationen in Reutlingen. Ludwigshafen, Dortmund, Dresden, Würzburg, München,