Der Wissenschaftliche Dienst ist beim Bundestag angesiedelt. Für ihn arbeiten unter anderem Juristen, die Gesetzesvorhaben der Regierung und der Fraktionen auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Ein Jahr nachdem das Kabinett das „Demokratiefördergesetz“ beschlossen hat, hat nun das Beratungsgremium sein Urteil gefällt: Der Entwurf von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) verstößt gegen die Verfassung. Der Bund maße sich Gesetzgebung in einem Bereich an, für den er keine Verfügungsgewalt habe.
Für die Innenministerin Faeser ist das mehr als eine juristische Schlappe. Das „Demokratiefördergesetz“ ist nur ein Grundstein ihrer Politik. Zum Jahresbeginn wollte sie viel weiter darauf aufbauen: die Meinungs- und Versammlungsfreiheit all derer beschneiden, die rechts von der Linksaußenpolitikerin stehen. Nun scheitert sie aber nachträglich am ersten Schritt: dem „Demokratiefördergesetz“.
Mit diesem Gesetz will der Bund vor allem Geld verteilen. An „NGOs“, an die „Zivilgesellschaft“, wie sich politische Vereine nennen, die mit staatlichem Geld die Politik der Bundesregierung betreiben. Diese erhalten bereits jetzt Millionenbeträge vom Staat. Doch bisher auf Projekte bezogen und zeitlich befristet. Das wollten Faeser und Paus mit dem „Demokratiefördergesetz“ ändern und den Geldfluss verstetigen. Zu den staatlichen Zivilgesellschaften gehört die Amadeu Antonio Stiftung. Sie ist ebenso politischer Arm wie Gedankenpool für Politiker wie Faeser. Ihr Vertreter Timo Reinfrank ging während der Expertenanhörung im Bundestag einen Schritt weiter und forderte sogar eine „institutionalisierte Form der Beteiligung“ der staatlichen Zivilgesellschaft.
Nun bezieht sich der Wissenschaftliche Dienst in seinem Gutachten auf formelle Gründe wie die Zuständigkeit. Das ist angemessen, das liegt im Arbeitsauftrag des Arbeitsgremiums. Doch das Gutachten dürfte auch politische Auswirkungen haben. Genauer gesagt: Es könnte und es müsste politische Auswirkungen haben. Eigentlich.
Denn eigentlich sind Faeser und Paus‘ Angriffe nicht mit der Linie der einstigen Rechtsstaatspartei FDP vereinbar. In der Fraktion gab es schon vorher Unmut gegen den Gesetzesentwurf. Die ehemalige Generalsekretärin der FDP, Linda Teuteberg wird jetzt in der Bild noch deutlicher: Sie sieht in Faesers Gesetz den Versuch, der politischen Linke staatliche „Sondererziehungsrechte“ zuzugestehen. Der freiheitliche Rechtsstaat müsse die gesellschaftliche Vielfalt respektieren. Die Regierung dürfe nicht versuchen, die Gesellschaft in ihrem Sinne zu gestalten, indem sie „linkslastige Einfalt“ statt Vielfalt fördere. Teuteberg mahnt in der Bild: „Wer die Demokratie stärken will, darf den Rechtsstaat nicht schleifen.“
Doch Teuteberg ist in der FDP keine einflussreiche Politikerin mehr. Parteichef Christian Lindner hat sie kurz vor der Wahl zugunsten des heutigen Verkehrsministers Volker Wissing ausgetauscht. Gemeinsam mit Justizminister Marco Buschmann geben die drei nun die Politik der FDP vor. Und die lautet: Lieber schlecht regieren, als Ärger mit Grünen und SPD zu bekommen. Lieber das Land vor die Wand fahren, als selber auf den Dienstwagen zu verzichten. Entsprechend haben sie bisher den Widerstand der Fraktion gegen das „Demokratiefördergesetz“ und weitere Pläne Faesers zurückgedrängt.
Auch die CDU zeigt sich in der Sache nicht als Verteidigerin der Freiheit. Mehrere Anfragen zum Thema haben Parteichef Friedrich Merz und seine Sprecherin Isabelle Fischer ignoriert. Als das Drängen nicht nachließ, gab die Partei die Anfrage an die Fraktion weiter – die wiederum mit der Weiterleitung eines drei Monate alten Rundbriefs antwortete. Darin heißt es, dass die Union es gut fände, wenn gegen Extremismus vorgegangen werde. Das müsse aber dann nicht nur für rechten, sondern auch für linken oder religiös motivierten Extremismus gelten. Für die einen ist das ein konservativer Neuanfang. Für die Allermeisten aber Weitermerkeln.
Paus und Faeser sind entschlossen weiterzumachen. Ungeachtet der Verfassungswidrigkeit ihres Vorhabens. Am Samstag sagte Paus auf dem Parteitag der Grünen Brandenburg, eine Demokratie sei nur so stark wie die Menschen, die in ihr lebten. Deshalb müssten die Menschen gefördert werden. Dass es dabei nur um Menschen gehen darf, die im Sinne der Grünen denken, sprechen und handeln, hat die Familienministerin nicht gesagt – versteht sich aber von selbst. Paus verspricht laut Deutschlandfunk der staatlichen Zivilgesellschaft weiterin eine „langfristige finanzielle Grundlage“.
Das Kabinett hat dem verfassungswidrigen „Demokratiefördergesetz“ bereits vor einem Jahr zugestimmt – mit den Stimmen der Erfolgs-Troika Lindner, Wissing und Buschmann. Durch den Bundestag muss es aber noch durch. Stoppen kann das Gesetz nun der Wille der FDP-Fraktion, liberale Grundsätze über Macht-Egoismus zu stellen. Oder die Bereitschaft von Paus und Faeser, sich an die Verfassung zu halten, obwohl die ihren politischen Zielen im Weg steht. Kurzum: Das „Demokratiefördergesetz“ kommt, muss aber jetzt einige Umwege nehmen.