Tichys Einblick
Wie tief ist der Fördersumpf?

„Demokratie leben“ – Die lange Liste von NGOs und ideologischen Kampfgefährten

250 Seiten. So lang ist eine Liste der Bundesregierung über die NGOs, die von "Demokratie leben!" profitieren. Viele alte Bekannte finden sich darunter. Häufig hat man den Eindruck: Nicht die Demokratie, sondern die Querfinanzierung ideologischer Alliierter steht im Vordergrund.

Getty Images, Screenprint BMFSJ - Collage: TE

Dass das Förderprogramm „Demokratie leben!“ ein Sumpf ist, hat sich herumgesprochen. Wie tief dieser Sumpf ist, darüber hat man bisher nur spekulieren können. Das noch von Manuela Schwesig (SPD) ins Leben gerufene Programm mit seinen millionenschweren Fördergeldern steht seit Jahren in der Kritik. Ideologische Schlagseite, Blindheit für Linksextremismus, mangelnde Kontrolle der Projekte, mögliche Ausschüttung an Radikale, die unter dem Deckmantel des Antifaschismus operieren. Geändert hat sich bisher wenig.

In diese Flanke stößt eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion, die die Bundesregierung Anfang April beantwortet hat. Ein Kernpunkt ist die Frage nach den Fördermittelempfängern (NGOs) ab dem Haushaltsjahr 2020. Die Bundesregierung übergibt der AfD daraufhin eine Liste – mit 138 Seiten (Anlage 1). Eine zweite Frage betrifft die Empfänger von Mitteln aus Einzelplänen. Auch hier erhält die AfD eine lange Liste mit NGOs. Es sind 107 Seiten (Anlage 2). Macht insgesamt 245 Seiten mit Fördermittelempfängern in kleingedruckter Schrift und Millionensummen.

Wobei die Bundesregierung noch einschränkt: Das Auswärtige Amt habe bei Anlage 2 einige Unterlagen als „vertraulich“ eingestuft. Sie sind also der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Um es noch einmal zu betonen: es handelt sich nur um Fördergelder ab dem Haushaltsjahr 2020. Das erste Förderbudget stammt aus dem Jahr 2015. Die Summen geben also nur einen Ausschnitt wieder. Und bereits die erste der beiden Anlagen bestätigt das, was einige schon vorher ahnten: es geht nicht selten um die Verschiebung von Geldern an ideologische Verbündete.

Ein Knackpunkt ist dabei die Unterscheidung zwischen Erstempfängern und Letztempfängern. Die AfD hatte die Anfrage gestellt, weil bei der „Seenotrettung“ im Mittelmeer bestimmte Gelder von der Bundesregierung nicht ausgewiesen waren. Die Bundesregierung verwies deswegen darauf, dass zwischen dem unmittelbaren Erstempfänger und dem mittelbaren Zuwendungsempfänger (Letztempfänger) zu unterscheiden sei. Laut Bundeshaushaltsordnung kann ein Erstempfänger seine Gelder teilweise weiterleiten.

Genau dieses System ist verantwortlich dafür, dass Fördergelder nicht nur direkt vom Staat an NGOs gehen, sondern auch vom Staat zu NGO und wieder NGO. Das ist der außergewöhnliche Punkt an der Anfrage. Dabei stellt die Bundesregierung allerdings fest: „Eine zentrale Übersicht über die Durchleitung von Fördermitteln von Nichtregierungsorganisationen an andere Nichtregierungsorganisationen besteht nicht.“

Dass dabei immer wieder alte Bekannte vorkommen, sollte nicht verwundern. Allen voran die Amadeu-Antonio-Stiftung, die erst zum Jahresende über den mangelnden Geldregen aus dem Familienministerium lamentierte. Sie hat als Erstempfänger zwischen 2020 und 2023 rund 4 Millionen Euro erhalten. Für 2024 steht ein Soll von weiteren 1,2 Millionen aus. Als Letztempfänger ist sie mit 673.000 Euro ausgezeichnet, das Soll für 2024 beträgt 148.000 Euro.

Auch das Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) ist keine unbekannte Adresse. Das Institut evaluiert das Bundesprogramm und übernimmt die wissenschaftliche Begleitung im Handlungsfeld „Vielfaltgestaltung“. Den Vorsitz des DeZIM hat Naika Foroutan inne, die einer breiten Öffentlichkeit durch die Sarrazin-Debatte bekannt wurde. Ihren Aufstieg hat u. a. die Stiftung Mercator mit eigenen Förderprogrammen wie „Junge Islam Konferenz“ unterstützt. Die Schlüsselposition des DeZIM führt damit auch zu einer Schlüsselposition Foroutans im „Demokratie leben!“-Projekt.

Mit 5,5 Millionen Euro im Zeitraum 2020-2024 (nachfolgend: Soll 2024 inklusive) bewegt sich Foroutans Institut in einer ähnlichen finanziellen Größenordnung wie die AAS. Das Deutsche Jugendinstitut kommt auf 15,7 Millionen Euro.

Auch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) ist an der Evaluation beteiligt: es begleitet den Handlungsbereich Kommune und das Handlungsfeld „Extremismusprävention“. Die Finanzierung in dem Zeitraum beträgt 7,8 Millionen Euro. Direktor des ISS ist Benjamin Landes. Google mag nicht die beste Art der Recherche sein – doch was sagt es aus, wenn man Benjamin Landes googelt, und nicht das ISS als erstes auftaucht, sondern sein Auftritt bei der SPD Lich? Zitat:

„Ben ist es wichtig, dass in den großen Fragen der Zeit – Digitalisierung, Pandemiebekämpfung, gesellschaftliche Segregation oder Fluchtbewegungen – niemand benachteiligt wird, dass die vermeintlich Schwächeren eine Stimme haben. Dafür engagiert er sich als Mitglied der SPD und der AWO.“

Die Arbeiterwohlfahrt ist ein gutes Thema. Denn in vielen Belangen erscheint die NGO-Liste das Gießkannenprinzip zu bestätigen. Es handelt sich um eine breite Verteilung von Geldern auf „Teile der Zivilgesellschaft“, in denen die Parteien, die „Demokratie leben!“ ins Leben gerufen haben, stark vertreten sind. Organisationen wie die AWO, die Diakonie oder die Caritas sind nicht alein als ganzer Organismus genannt, sondern unterteilen sich in verschiedene Verästelungen und Büros.

Allein auf die AWO entfallen 145 Erwähnungen (mal unter dem Stichwort AWO, mal unter Arbeiterwohlfahrt) auf den insgesamt 138 Seiten der Anlage 1. Häufig handelt es sich um wenige Tausend Euro für kleinere Unterbezirke. Der Bundesverband erhielt rund 1,6 Millionen Euro Förderung (625.000 Euro Erstempfänger, 945.000 Euro Letztempfänger). Es wäre ein eigenes Unterfangen, sämtliche AWO-Zahlungen zu rekonstruieren, da sie bei den größeren Bezirken auch in den sechsstelligen Bereich vordringen. Der Kreisverband Offenbach Land allein bekam 843.00 Euro als Letztempfänger.

Man kann sich in solchen Momenten nicht des Eindrucks erwehren, dass es sich bei „Demokratie leben!“ auch um die Querfinanzierung eines SPD-Traditionsalliierten handelt. Denn wo die AWO ist, ist auch der DGB nicht weit. Er taucht immerhin an 21 Stellen auf. In den meisten Fällen mit wenigen tausend Euro in kleineren Zweigstellen. Das DGB-Projekt „Arbeit und Leben“ im Kreis Herford bekam 755.000 Euro zur Wahrung der Demokratie, in Brandenburg war ein ähnliches DGB-Kind nur 450.000 Euro wert (beides Letztempfänger). Die DGB-Jugendbildungsstätte Flecken Zechlin unterstützte Berlin direkt mit 1 Million Euro.

Dass man sich im Ministerium und bei den Genossen vielleicht zu gut kennt, zeigt auch ein Stichwort, dass für den Uneingeweihten orakelhaft klingt. Als Letztempfänger eines Fördergeldes ist in der Liste eingetragen: Annemarie Schimske. Die Summe beträgt 461.000 Euro. Erst nach kurzer Recherche wird klar, dass es sich um das Projekt „Partnerschaft für Demokratie Landkreis Ludwigslust-Parchim“ handeln muss, das Schimske mitorganisiert. Schimske, das findet man ebenfalls recht zügig heraus, gehört der SPD an. Vielleicht erklärt das den merkwürdigen Eintrag. Oder weil Annemaries Kuchen für Demokratie einfach top ist, und jeder weiß, was gemeint ist.

In kleinerem Umfang können auch die kirchennahen Sozialdienste als Begünstigte des Demokratieförderprojektes gelten: Die Caritas findet 66 Mal Erwähnung, die Diakonie kommt 78 Mal vor. Auch bei letzterer erreicht die Förderung – wir sprechen immer noch von einem Antidiskriminierungsprojekt – Millionenhöhe.

Hass im Netz ist ein großes Thema für die Extremismusbewegten. „HateAid“ hatte dazumal u. a. Campact ins Leben gerufen. 2,5 Millionen Euro hat das Projekt direkt vom Bund erhalten – ebenso viel wie die linke startup-Erscheinung „Das NETTZ“. Die Akademie der „Datteltäter“, die als funk-Projekt eine unrühmliche Berühmtheit erlangten und wegen Islamismus-Verharmlosung immer wieder Thema waren, erhielten rund 1 Million Euro vom Bund.

Zuletzt: Kennen Sie eigentlich das putzige kleine Bundesland an der Grenze zu Frankreich? Geht man nach dem Familienministerium, dann muss es sich um einen wahren Brennpunkt handeln. Das Saarland hat weniger als eine Million Einwohner, aufgrund grassierender extremistischer Umtriebe ist es aber offenbar besonders bedroht. Stolze 6 Millionen Euro verschlingt das „Landes-Demokratiezentrum Saarland“. Zur Erinnerung: das liegt in der Größenordnung von AAS und ISS. Zitat: „Zentrale Pfeiler der Tätigkeit sind die Mobile Beratung, die Opfer- und Betroffenenberatung und die Fachstelle Salafismus. Wichtige Themen sind außerdem Cybermobbing und Hassrede im Internet.“ Man fragt sich, welche Konzepte etwa gegen Salafismus ausgearbeitet werden. Wer sich noch an den Klamauk um das Doppeleinhorn erinnert: hier sind sie genau richtig. Aber so ein bisschen Klamauk ist ja die ganze Liste. Wenn es nur nicht um Millionen Euro Steuergeld ginge.

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