Tichys Einblick
Rettung der Sozialdemokratie?

„Demokratie leben“: Querfinanzierung für AWO und DGB

Auf den Förderlisten der NGOs tauchen zwei SPD-nahe Institutionen immer wieder auf. Die AWO erhielt in den letzten vier Jahren allein 130 Millionen Euro, auch aus dem „Demokratie leben!“-Projekt. Nutznießer des Anti-AfD-Fonds ist aber jemand anderes.

IMAGO, Screenprint Demokratie Leben - Collage: TE

Wie stark profitieren SPD-nahe Organisationen von einem Projekt, das eine SPD-Ministerin vor fast zehn Jahren ins Leben gerufen hat? Bereits am Dienstag berichtete TE darüber, dass in der NGO-Liste, die die Bundesregierung im Zuge einer AfD-Anfrage veröffentlichte, auffällig häufig Personen und Organisationen im SPD-Umfeld auftauchen. Die heutige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, war als Bundesfamilienministerin federführend, als „Demokratie leben!“ 2014 auf den Weg gebracht wurde. Die ersten Fördergelder folgten 2015.

Die Anfrage der AfD betrifft aber nicht nur spezifisch „Demokratie leben!“, sondern auch die Einzelpläne der Bundesministerien. Das heißt, es sind neben den Begünstigten dieses umstrittenen Projektes sämtliche NGOs als Erst- und Letztempfänger aufgelistet, die in den Jahren 2020 bis 2024 Zuwendungen erhielten. Wie schon bei der Diakonie ist allerdings auffällig, welchen Rang die „Demokratie leben!“-Gelder mittlerweile haben. Zur Erinnerung: Das Projekt läuft unter dem Slogan „Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, was aber offenbar ein so dehnbarer Begriff ist, dass die Mittel für jeden Anlass geordert werden.

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Die merkwüdigen Zufälle beginnen beim Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS), einem Evaluationspartner von „Demokratie leben!“. Es begleitet den Handlungsbereich Kommune und das Handlungsfeld „Extremismusprävention“. Die Finanzierung in dem Zeitraum beträgt 7,8 Millionen Euro. Direktor des ISS ist Benjamin Landes – Mitglied bei der SPD und der AWO.

Dabei fallen noch zwei SPD-nahe Organisationen auf, nämlich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Zuerst zur AWO. Auf den rund 250 Seiten tauchen Arbeiterwohlfahrt bzw. AWO als Empfänger zusammen 131-mal auf, nämlich 112-mal in der Anlage 1 (Demokratie leben) und 19-mal in Anlage 2 (Einzelpläne). Von den 112 Einträgen in der Anlage 1 zerstreut sich der Großteil auf kleinere Summen von je 1.000 bis 10.000 Euro auf 80 Empfänger.

Doch bereits die Landesverbände rangieren bei der Demokratieförderung bei sechsstelligen Summen. Von 2020 bis 2024 gingen (Solljahr 2024 stets einberechnet) beispielsweise an den AWO Landesverband Sachsen 650.000 Euro, 450.000 Euro an den Landesverband Sachsen-Anhalt. An den Bundesverband fielen im „Demokratie leben!“-Programm rund 950.000 Euro an den AWO Bundesverband. Rund 8,5 Millionen Euro erhielten die AWO und ihre Landesverbände allein aus diesem Topf.

Aus den Einzelplänen der Bundesregierung erhält die einstige SPD-Gründung ebenfalls saftige Finanzspritzen. Das Bundesinnenministerium hat allein unter dem Stichpunkt „Integration und Migration, Minderheiten und Vertriebene“ 102 Millionen Euro gezahlt (Nr. 68413). Dazu kommen zusätzliche Projekte, die die BMI-Gelder auf 109 Millionen Euro erhöhen. In dieser Summe sind die 4,4 Millionen Euro der Bundeszentrale für politische Bildung noch nicht inkludiert.

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Auch andere Ministerien unterstützen die AWO. An zweiter Stelle ist das Bundesentwicklungsministerium mit 6,8 Millionen Euro zu nennen. Das Bundeskanzleramt hat im selben Zeitraum 1,3 Millionen Euro überwiesen, das Bundesumweltministerium spendierte 400.000 Euro.

Damit erhielt die AWO 122 Millionen Euro aus Einzelplänen. Das sind inklusive „Demokratie leben!“ rund 130 Millionen Euro staatliche Unterstützung. Der größte Teil davon unter den Stichworten Migration, Antirassismus und „Gegen Rechts“.

Neben der AWO hebt sich der DGB auf den 250 Seiten prominent hervor. An dieser Stelle keine Umschweife: Insgesamt 5,4 Millionen Euro erhält der Gewerkschaftsbund allein aus dem Programm „Demokratie leben!“. Dabei fallen vor allem die „Arbeit und Leben“-Projekte auf. Es handelt sich um einen „Bundesarbeitskreis“ aus DGB und DVV. Arbeit und Leben in Brandenburg erhielt etwa 450.000 Euro, in Herford waren es 755.000 Euro.

Die Schwergewichte in der DGB-Förderung sind in der Anlage 1 zwei Organisationen. Einerseits die DGB-Jugendbildungsstätte Flecken Zechlin, die der Bund mit rund 1 Million Euro bezuschusst. Stolze 2,4 Millionen Euro erhielt das Gemeinnützige Werk des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

In den Einzelplänen taucht die Jugendbildungsstätte weiterhin an prominenter Stelle auf. Das Bundeskanzleramt spendierte weitere 2 Millionen Euro. Das Bundesinnenministerium fügte 425.000 Euro hinzu. Weiterhin zahlte das BMI 2,1 Millionen Euro an das DGB Bildungswerk. Die Bundeszentrale für politische Bildung schüttete an die „Arbeit und Leben“-Projekte direkt 2 Millionen Euro aus, weitere 2,8 Millionen gingen an regionale Zweige. Das Bundesentwicklungsministerium zeigte sich ebenfalls großzügig gegenüber dem Bildungswerk: Hier waren es 5,4 Millionen Euro.

Summa summarum erhielt der DGB damit rund 14,7 Millionen Euro aus den Einzelplänen der Ministerien. Das wären insgesamt mehr als 20 Millionen Euro aus Staatshand. Bezeichnend ist das Verhältnis. Denn während bei den staatlichen Zuwendungen der Diakonie jeder zehnte, bei der AWO jeder fünfzehnte Euro auf „Demokratie leben“ zurückzuführen ist, ist es beim DGB jeder vierte. Es geht also tatsächlich darum, einen Teil der „Demokratie“ zu retten: die Sozialdemokratie.

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