In ihrer Rede zum 9. November sagte die Bundeskanzlerin: „Keine Mauer, die Menschen ausgrenzt und Freiheiten begrenzt, ist so hoch oder so breit, dass sie nicht doch durchbrochen werden kann.“
Das stellt eine pure Geschichtsfälschung dar, denn vor der DDR-Grenze standen nicht Millionen Westdeutsche, deren sehnlichstes Ziel darin bestand, einzureisen, um an den Segnungen des Sozialismus teilzuhaben, und die durch die Mauer daran gehindert und sogar aus dem Paradies der Werktätigen und selbsternannten Humanisten ausgegrenzt wurden. Selbst wenn die Geschichtskenntnisse der Bundeskanzlerin grobe Lücken aufwiesen, sollte die eigene Familiengeschichte Angela Merkel doch hierin Unterricht erteilt haben, denn ihr Vater, einer der sehr, sehr wenigen von denen, die es aus dem Westen in die DDR zog, wurde mitnichten ausgegrenzt, sondern großzügig eingegrenzt.
Mit dem Fall der Mauer endete das Paradies, in das Angela Merkels Vater mit Familie gezogen war, und das sie möglicherweise als Vorbild immer noch im Herzen trägt. Das würde zumindest den historischen Lapsus, die Mauer als ein Symbol der Ausgrenzung zu benennen, erklären.
Möglicherweise wird aus dem historischen Lapsus ein sprachlicher, wenn man sich eine neue Mauer wünscht, eine mediale und institutionelle Mauer, die quer durch Deutschland verläuft und die alle ausgrenzt und deren Freiheit begrenzt, die nicht rotgrün oder linksliberal denken, die es wagen, eine andere Meinung über die gesellschaftliche Entwicklung zu hegen als Robert Habeck und Angela Merkel.
Es heißt, Sprache sei verräterisch, und vielleicht haben wir es also bei dem Diktum von der Ausgrenzung, mit einem freudschen Versprecher zu tun. Weil man sich eine neue Mauer wünscht, eine Mauer als antifaschistischen Schutzwall, als conditio sine qua non einer gelenkten Demokratie, die jede Opposition ausgrenzt, sie zum Feind erklärt, um ihr jeden Zugang zur Öffentlichkeit oder zur Macht, wie so gern in letzter Zeit von Linksliberalen gefordert wird, selbst wenn er demokratisch legitimiert wäre zu verweigern, auch wenn das Land darüber Schaden leidet.
Merkels Versprecher könnte so gesehen auch ein Versprechen sein.