Olaf Scholz wirkt immer ruhig und bedächtig, manchmal fast langweilig staatstragend. Sein unterkühlter hanseatischer Habitus wirkt vertrauenserweckend, zumal dann, wenn seine Konkurrenten um das Kanzleramt entweder als „Tolpatsch“, wie Armin Laschet inzwischen fast pauschal diskreditiert wird, oder als überambitioniert und überfordert wirken wie Annalena Baerbock. Das von der SPD-Wahlkampagne beförderte Bild vom kompetenten Kanzler Scholz zeigt Wirkung im Volk, wenn die Demoskopen das Stimmungsbild im Land korrekt abbilden. Dabei hat der Mann schon häufig in verantwortungsvollen Positionen in seiner Laufbahn bewiesen, dass zwischen Anspruch und tatsächlicher Leistung ein erheblicher Widerspruch besteht.
Fall 1:
Zwei Monate vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg (23. September 2001) wollte Scholz als Innensenator bei den Wählern damit punkten, dass er den Brechmitteleinsatz bei Drogendealern als Beweissicherungsinstrument durchsetzte. Denn in Hamburg sorgte damals die Schill-Partei für Law and Order-Stimmung. Dabei war diese Methode als Folter in vielen Ländern längst diskreditiert. In den USA etwa hatte das Oberste Bundesgericht bereits 1952 entschieden, dass „diese Methoden zu sehr an Folterhandlungen heranreichen“.
Fall 2:
In die Regierungszeit von Olaf Scholz als Regierender Bürgermeister von Hamburg (2011 bis 2018) fallen zwei Skandale, die ihn politisch diskreditieren. Da ist zum einen seine mehr als zwielichtige Rolle in der Affäre um die Hamburger Warburg-Bank zu nennen. Die Bank beteiligte sich an illegalen Cum-Ex-Dividendengeschäften und betrog den Fiskus um hohe Millionenbeträge. Als die Mitarbeiter der Hamburger Finanzbehörden eine Rückforderung über 47 Millionen Euro an die Bank stellten, sprach der damalige Bankvorstand Christian Olearius drei Mal bei Scholz vor. An die Gesprächsinhalte vermochte sich Scholz später – wie immer, wenn es für ihn brenzlig zu werden droht – nicht mehr zu erinnern. Bekannt ist allerdings, dass die Finanzverwaltung in Hamburg die Steuerrückforderung dann zurücknahm – unter internem Protest der beteiligten Betriebsprüfer. Der Vorgang stinkt zum Himmel.
Fall 3:
Seine Berliner „Führungsqualitäten“ bestanden zunächst darin, dass er im Ministerium eine Führungsebene aufbaute, viele gut bezahlte neue Stellen schuf, die er mit loyalen Leuten besetzte. Die Leitungsebene schottet sich, wie Insider aus dem BMF berichten, vom Rest des Hauses nahezu hermetisch ab. Das erklärt vielleicht am besten, warum der Finanzminister in seiner Funktion eher zum spendierfreudigen „Wumms“ neigt und die langfristigen Folgen der Verschuldung negiert. Die warnenden Stimmen der Fachebenen des BMF sind nicht gefragt, wenn sich der Minister nicht nur in der Corona-Krise als „Volksbeglücker“ inszeniert.
Dazu passt die jüngste Volte, die mit der gestrigen staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung von Geschäftsräumen des Bundesfinanzministeriums in den Blick der Öffentlichkeit gerät. Der dem Bundesfinanzministerium unterstellte Zoll ist für die Geldwäsche-Bekämpfung zuständig. Dass Mitarbeiter des BMF im Verdacht stehen, Verdachtsmeldungen von Banken über millionenschwere Geldtransfers nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet zu haben, passt zum Bild, das man sich vom Versagen der BMF-Kontrollbehörden im Wirecard-Skandal gemacht hat. Dort wurden von Mitarbeitern noch kurz vor der Pleite Insidergeschäfte mit Wirecard-Aktien gemacht.
Doch was macht Scholz: Er gibt sich pikiert, dass die Staatsanwaltschaft nicht schriftliche Fragen ins BMF schickt, sondern zwei Wochen vor einer Wahl eine Hausdurchsuchung im Ministerium veranlasst. Und sein Umfeld lässt er streuen, dass schließlich sein Vorgänger Wolfgang Schäuble die Geldwäscheaufsicht ins BMF geholt habe. Scholz vergisst, dass er sein gut drei Jahren Chef im Haus ist und die Ministerverantwortung nicht abschieben kann.