Die Krawalle von Stuttgart könnten zu einem Wendepunkt werden. Die Zerstörungswut eines jugendlichen Mobs, der zahlreiche Geschäfte demoliert hat, scheint so etwas wie ein Menetekel zu sein. Werden solche Gewaltausbrüche künftig keine Ausnahme mehr sein? Die Spekulationen über die Deutung des Ereignisses werden überlagert von einer unglücklichen Wortwahl seitens der Polizei. Hier war von Tätern aus einer sogenannten „Party- und Eventszene“ die Rede.
Verdacht, die soziale Zugehörigkeit solle verschleiert werden
Schnell war der Verdacht da, hier solle die soziale Zugehörigkeit der Randalierer verschleiert und der Krawall an sich verharmlost werden. Zumal viele der Verhafteten über einen Migrationshintergrund verfügten und bei den Krawallen von einigen auch „Allahu Akbar“-Rufe erklangen. Inzwischen zeichnet sich schon eine neue Debatte ab: Der ehemalige Vorsitzende der Grünen, Cem Özedemir, mahnte bereits, viele Jugendliche mit Migrationshintergrund drohten der Gesellschaft zu entgleiten.
Mansour: Explosive Mischung in Stuttgart
Zur Frage, inwieweit junge Menschen mit Migrationshintergrund hier eine besondere Rolle spielten, stellt er fest: „Leider gibt es auch unter manchen Migranten eine Verachtung gegenüber dem Staat und vor allem gegenüber der Polizei.“ Diese Tatsache dürfe nicht in der öffentlichen Diskussion einfach ausgeklammert werden, betont der Psychologe. „Wir müssen den Mut haben, das zu besprechen.“ Grundsätzlich gelte: „Wird die Justiz als schwach wahrgenommen und kommen Gewaltaffinität, Sozialisation und Erziehungsmethoden hinzu, macht das die Jugendlichen zu potentiellen Tätern.“
Ob die Debatte wirklich in die Richtung verlaufen wird, wie Ahamd Mansour es sich erhofft, wird sich zeigen. Im Moment ist eher ein Effekt zu erkennen, der sich in den letzten Jahren auch bei anderen vermeintlichen Tabuthemen gezeigt hat, wie etwa bei der Diskussion über die Folgen der Flüchtlingskrise. Die Diskussion verlagert sich in die sozialen Netzwerke. Doch hier zählt weniger das abgewogene Argument als die starke Meinung. Vielfach ist auch hier ein Verrohungseffekt zu erkennen. Auch dafür sind die Ereignisse von Stuttgart eine Art Menetekel.
Dieser Beitrag von Sebastian Sasse erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.