Der Parteitag der Christlich Sozialen Union in München beginnt verheißungsvoll, aber auch in einem ungewohnten Format: Anstatt wie sonst sehr groß, üppig und opulent, tagt man heute anlässlich der näher rückenden Landtagswahl in rund vier Wochen wesentlich dezenter – jedenfalls im Hinblick auf die Örtlichkeit.
Alles andere als dezent hingegen ist bereits die Inszenierung des Spitzenpersonals zum Auftakt der Veranstaltung, das unter tosendem Jubel der Anhänger in die Halle einzieht. Die Partei klatscht sich Mut an. Den braucht sie auch.
Der Tag kann für die Partei und den bayerischen Landtagswahlkampf ein wichtiger sein. Das angekündigte Wahlprogramm wird erwartet, Reden von Bundesinnenminister Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder sollen die Wähler auf die entscheidende Phase bis zum 14. Oktober einschwören. Aber reicht das?
Die Herausforderung ist groß wie nie und der Druck, der insbesondere auf dem Spitzenkandidaten Söder lastet, immens. Aber auch Seehofer ist unaufhörlich in der Bredouille, sieht sich wieder unverhohlener Kritik aus den eigenen Reihen unmittelbar vor dem Parteitag ausgesetzt. Die Veranstaltung, die eigentlich die Reihen vor dem historischen Wahltag in einem Monat schließen sollte, steht wie viele andere wiederum unter dem Eindruck der inneren Zerrüttung. Die Umfragen geben der CSU gerade 35 Prozent. Für einen CDU-Landesverband wären schon 30 Prozent ein sensationeller Erfolg. Aber Merkel kann angesichts solch schlechter Zahlen auch Nachsicht in ihren Medien hoffen – die CSU nicht. Wie selbstverständlich muss sie die absolute Mehrheit holen, was die Union gerade noch so halb hinkriegt.
Schon vor einigenTagen hatte Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld angemahnt, die Partei habe mit ihrer querularorischen Oberflächlichkeit und der daraus resultierenden gesellschaftlichen Konfusion das Markenprofil der CSU zerstört. Noch nie stand es einer Partei, die sich um politische Macht bewirbt, gut zu Gesicht, wenn sie nicht Zusammenhalt zu demonstrieren vermochte. Und noch weniger dürfte es von Nutzen sein, wenn der Vorsitzende einer Partei aus den eigenen und gerade aus den prominenten Reihen wenigstens vor einer Wahl nicht mit entsprechender Rückendeckung rechnen kann.
Trotz aller Vorboten lässt man sich in der Führungsriege heute nur wenig anmerken.
Direkt zu Beginn soll ein Einspieler die Anwesenden davon überzeugen, dass „die CSU die Volkspartei in Bayern, wenn nicht gar die letzte Volkspartei in Bayern“ ist, so Generalsekretär Markus Blume. Die CSU sei nicht verzagt, sie sei da – sie sei keine Regionalpartei, lediglich in Bayern zuhause, sondern wisse auch um Ihre bundes- und europapolitische Verantwortung. Sie sei die erfolgreichste Partei in Europa, die besonders dann stark war, wenn es auf sie ankam.
Blume holt weit aus: Ende der 1990er Jahre wehte der Neoliberale Geist, zehn Jahre später wehte der Geist der Finanzkrise – und Bayern stand, weil die CSU stand – und so sei es auch 2018. Nun wehe wieder ein Wind von Veränderung, von tektonischer Plattenverschiebung und wieder komme es auf die CSU an. Sie sei auch nun wieder Garant für Stabilität und so solle es in Zukunft bleiben.
In einem Europa, wo eine Regierung nach der anderen von Nationalismen hinwegeschwemmt werde, brauche es eine Partei wie die CSU, brauche es auch Menschen wie Manfred Weber. Ob Brüssel dadurch bayerischer würde? Wenn Manfred Weber nach Brüssel geht und Brüssel tatsächlich bayerischer wird, dann könne das nur gut sein für Brüssel, meint Blume und meinen die Anwesenden. Wer nimmt ihnen das ab nach der gesplitteten Abstimmung aller CSU-MdEPs außer Weber? Wieso ausgerechnet Weber? Die Antwort darauf findet Blume nicht.
Es ginge aber nicht nur um Europa, sondern auch um Deutschland. Gerade jetzt komme es auf Stabilität, Ordnung und Heimat an. Und gehe es um Bayern und um die Partei, die sich diesem Bayern verschrieben habe. Dieses Land gibt es Blume zufolge nur mit der CSU. Ohne die Politik dieser Partei wäre Bayern nicht das, was es ist und doch zweifeln viele daran, ob diese Erfolgsgeschichte tatsächlich mit dieser Partei zusammenhängt. Vom Agrarstaat zum Industrieland, zum Land der Zukunft und der Chancen – das sei das Bayern dieser Partei.
Investition in die Zukunft müsse das Gebot der Stunde sein, machen soll es Markus Söder. Die Partei gibt sich hochmotiviert hinsichtlich der Aufgaben, um die sie noch vier Wochen lang kämpfen wird. Auch wenn die Stimmung angesichts aktueller Umfragen und Erhebungsdaten gedrückt ist, lässt der Generalsekretär in keiner Minute seiner Rede die Gelegenheit ungenutzt, um auch nur jede noch so kleine Botschaft zu verpacken. Im Stil völlig diametral zu seinem Vorgänger wirkt Markus Blume zwar gewohnt nüchtern. Und dennoch erkennt man seine Entwicklung und seine Bemühungen hin zu einem Auftreten, das der Position eines Generalsekretärs gerechter wird: energisch, provokativ, nicht verlegen um die bewusste Verfehlung der gerade noch adäquaten Wortwahl.
Auf dem Höhepunkt von Blumes Auftritt sucht er die Abgrenzung zu den politischen Kontrahenten, insbesondere zur AfD. Er sagt, er wolle nicht, dass diese Partei in der Zukunft seiner Kinder eine Rolle spiele – und der Saal bebt vor Beifall. Die CSU wolle alles verhindern und verhüten, damit ein Bayern nach AfD-Vorstellung niemals Realität werde. Sie möge eine Alternative zur NPD sein, aber in keinem Fall eine Alternative für Deutschland und erst recht keine für das Bayern der CSU.
Bayern sei nach Art. 2 der Bayerischen Verfassung ein Volksstaat, es brauche aber keine völkischen Parteien, sondern Volksparteien und deswegen komme es nun (wieder) auf die CSU an. Bis zum 14. Oktober gelte es nun, dieses Bayern zu verteidigen, es gelte, zu kämpfen für die Überzeugungen, für die Menschen, für dieses Bayern – Blume beschwört einen poetischen, ja einen romantischen Patriotismus; er beschwört die Liebe der CSU zu diesem Land.
Es wird sehr pathetisch am Ende seine Rede, übertrieben gefühlvoll. Aber vielleicht ist ein übersteigertes Pathos gerade das, was diese Partei jetzt braucht.
Eine kritische Würdigung des CSU-Parteitages bringen wir nach seinem Ende.