Tichys Einblick

Correctiv: Mit Staatshilfe und Milliardärs-Geld „für die Gesellschaft“

Die Medienplattform, die mit ihrer Behauptung von der „Wannseekonferenz 2.0“ ein politisches Beben auslöste, fiel schon in der Vergangenheit durch dubiose Methoden auf – und die Nähe zu einer bestimmten Partei

IMAGO

Auf einen Anspruch legt das Medienhaus „Correctiv“ besonderen Wert: Unabhängigkeit, insbesondere Staatsferne. Das Unternehmen, dessen Veröffentlichung über einen angeblichen Abschiebungs-Geheimplan der AfD eine gewaltige politisch-mediale Reaktion von Großkundgebungen bis zu Verbotsforderungen gegen die Partei auslöste, betont bei jeder Gelegenheit seinen Gemeinnützigkeitsstatus. Das Correctiv-Motto lautet: „Recherchen für die Gesellschaft“.

Für das, was Correctiv nach eigenem Verständnis für die Gesellschaft leistet, stehen dem Medienhaus umfangreiche finanzielle Mittel zur Verfügung. Wer einen Blick auf die Einnahmen wirft, dem fallen zwei Schwerpunkte auf: Zum einen spielen staatliche oder zumindest staatsnahe Geldquellen für die 2014 gegründete Medienplattform eine deutlich größere Rolle als in früheren Jahren. Und auf der privaten Geberseite dominieren einige wenige ausländische Stiftungen. Im Jahr 2023 erhielt Correctiv insgesamt 431.059,85 Euro von der Bundeskasse, außerdem 145.338 Euro von der Landeshauptkasse Nordrhein-Westfalen. Weitere 120.000 Euro flossen von der RAG-Stiftung, in der zumindest teilweise öffentliches Kapital steckt.

Als größter Einzelspender 2023 sticht wie auch in anderen Jahren die Luminate-Stiftung des eBay-Gründers und Milliardärs Pierre Omidyar heraus, die 2023 insgesamt 661.018, 53 Euro überwies. Daneben gab es noch Zuwendungen von The Sunrise Project mit Sitz in Australien (106.400 Euro) und der Adessium-Stiftung aus den Niederlanden. Beide Organisationen fühlen sich der grünen Transformation verpflichtet.

Auch in den Jahren zuvor gehörte Omidyar beziehungsweise seine Stiftung zu den Hauptgeldgebern für Correctiv, im Jahr 2020 sogar mit einer Überweisung von einer Million Dollar (die Correctiv offenbar in mehreren Tranchen verbuchte). Zu den prominenten Spendern zählte in der Vergangenheit die „Open Society Foundation“ von George Soros.

Zu den staatlichen Unterstützern der letzten Jahre gehörte die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth, aus deren Kasse zur „strukturellen Stärkung des Journalismus“ im Jahr 2022 198.500 Euro an Correctiv flossen. Weitere öffentliche Geber: die Staatskanzlei NRW, die Bundeszentrale für politische Bildung und die mit Steuergeld ausgestattete grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung.

In den Anfangsjahren von Correctiv spielte außerdem die private Brost-Stiftung eine Schlüsselrolle, deren Kapital aus dem Vermögen des Zeitungsgroßverlegers Erich Brost stammt. Die von dem ehemaligen Kanzleramtschef unter Gerhard Schröder, Bodo Hombach, geleitete Körperschaft stellte mit einer Spende von 675.000 Euro 2014 gewissermaßen das Startkapital.

Außerdem zählten in den vergangenen Jahren zwei Großunternehmen zu den Gönnern: die Deutsche Bank und die Telekom.

Dem finanziellen Engagement der Deutschen Bank für die Medienplattform haftet ein Beigeschmack an – denn Correctiv widmete eine ganze Serie kritischer bis skandalisierender Beiträge einem Konkurrenten der Geschäftsbanken, nämlich den Sparkassen in Deutschland. In den Correctiv-Artikeln ging es um die Gehälter der Vorstandschefs, aber auch um eher marginale Vorgänge wie Spenden einer Sparkasse an einen örtlichen Golfclub.

Personell und politisch fällt eine Nähe zwischen Correctiv und den Grünen auf. Den Aufsichtsrat von Correctiv leitet Lukas Beckmann, von 1991 bis 2010 Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, außerdem Gründungsgeschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung. Heute gehört der Veteran noch dem Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg an. In den Correctiv-Gremien sitzt noch ein zweites prominentes Parteimitglied der Grünen – der langjährige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, und zwar im „Ethikrat“, den das Medienunternehmen unterhält.

TE fragte Schaar, wie er die heimlichen Filmaufnahmen von der privaten Veranstaltung im Landhaus Adlon am 25. November 2023 aus Datenschutzsicht beurteilt. Bisher antwortete er nicht.

Darüber hinaus existiert eine Nähe zwischen Correctiv und der Organisation GLS Treuhand eV., die zumindest als grünen-nah bezeichnet werden kann. Bis 2017 gehörte Correctiv-Aufsichtsratschef Beckmann auch zum Vorstand der GSL Treuhand e.V., einer Organisation, die nach eigenen Angaben „Klimaschutz“ und „zivilgesellschaftliche Projekte“ fördert, und die auch zu den Spendern für Correctiv zählte. GLS Treuhand-Vorstand Hermann Falk wiederum, früher Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, sitzt im Correctiv-Ethikrat. Zwischen GLS Treuhand, einem weiteren Verein und dem grünen Milieu existiert übrigens noch eine andere interessante Überschneidung: Claudine Nierth, die im Aufsichtsrat von GLS Treuhand sitzt, fungiert wiederum als Bundesvorstandssprecherin des Vereins „Mehr Demokratie“, einem Mitglied in dem grün-lastigen Konsortium aus Vereinen und Firmen, die den so genannten Bürgerrat organisiert und lenkt, der kürzlich dem Bundestag „Empfehlungen“ zum Thema Ernährung überreichte.

Diese Ratschläge deckten sich in zentralen Punkten mit dem grünen Parteiprogramm. Ein Mitglied des gelosten Bürgerrates hatte sich schon 2023 unter Protest verabschiedet, als er entdeckte, dass es sich bei der Moderatorin des Rates um eine ehemalige Grünen-Funktionärin handelte.

Ob bei Correctiv, dem Einfluss auf den Bürgerrat oder dem Verein Agora Energiewende um Habecks früheren Staatssekretär Patrick Graichen – immer wieder zeigt sich das gleiche Muster: eine enge personelle und institutionelle Verflechtung von Organisationen untereinander, mit der Partei und ihren Organisationen und staatlichen Stellen, aber so, dass sich die Vernetzung nicht den ersten Blick erkennen lässt.

Correctiv setzt sich, wie es im Namen schon anklingt, für journalistische Korrektheit ein, die Plattform sieht sich außerdem als Kämpfer gegen Desinformation. Die Bilanz von Correctiv wirkt nicht ganz so glänzenden wie der Anspruch. Im November 2016 blamierte sich Correctiv-Gründer David Schraven, als er am frühen Morgen nach der Wahlnacht in den USA das Ergebnis so zusammenfasste:
„Nun ist es vorbei und fast amtlich. Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl verloren. Hillary Clinton hat gewonnen. Trump: ein anderes Wort für mieser Verlierer. Erinnert an der Kampf ‚Rumple in the Jungle’ Muhammad Ali gegen George Foreman im Jahr 1974. Nachdem Foreman verloren hatte, musste er wegen Depressionen behandelt werden. Das steht jetzt Trump bevor.“

Ihm sei ein kleines Missgeschick passiert, entschuldigte sich Schraven damals: Er habe eben für jeden möglichen Wahlausgang einen Text vorbereitet, und dann den falschen herausgeschickt. Und dann gleich noch gespickt mit einer haltlosen Spekulation über Trumps mentale Gesundheit? Bemerkenswert.

Ein Jahr später veröffentlichte Schraven zusammen mit einem Co-Autor kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine krawallig angekündigte Geschichte über einen angeblichen „Sexskandal bei der AfD NRW“. Den gab es allerdings gar nicht: den Kern der aufgeblasenen Geschichte bildete die Tatsache, dass eine Landtagskandidatin der AfD sich früher einmal in einer Internet-Anzeige als Prostituierte angeboten hatte, wohl eher, weil das für sie ein Fetisch darstellte. In jedem Fall handelte es sich um eine schon länger zurückliegende private und legale Angelegenheit der Politikerin, nicht um einen „Sex-Skandal“. Schon gar keinen in der Partei.

Eine Journalistin, die auch für Correctiv arbeitet – Annika Joeres – griff 2022 in einem Beitrag für die ZEIT die Wissenschaftlerin Anna Veronika Wendland an, die sich für Kernenergie einsetzt. Joeres zog Wendlands wissenschaftliche Kompetenz in Zweifel, und verwendete zu diesem Zweck eine Falschbehauptung, die sie auf Beschluss des Landgerichts Hamburg unterlassen musste.

Andererseits tauchte der Name Correctiv bei wirklich wichtigen Enthüllungen der vergangenen Jahre nirgends auf. Nicht bei Recherchen zu dem großzügigen Steuererlass, den das Hamburger Bankhaus Warburg in der Regierungszeit des damaligen Ersten Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz erhielt. Auch zur Aufdeckung des hemmungslos geschönten Lebenslaufs der heutigen Außenministerin Annalena Baerbock und ihrer Buchplagiate trug Correctiv nichts bei: dort leisteten die Blogger Hadmut Danisch und Don Alphonso die Arbeit, und zwar ganz ohne Staats- und Stiftungsgelder. Das ganze Ausmaß des Berliner Wahlskandals, der schließlich in eine Wiederholung der Landtagswahl mündete, recherchierte ein Team von „Tichys Einblick“ – ein Medium, vor dessen Publikationen Correctiv lange im halbamtlichen Stil warnte, wenn sie auf Facebook verlinkt wurden.

Ein Gericht untersagte Correctiv 2020 schließlich die Herabsetzung des Konkurrenten. Neben anderen Medien gehörten Journalisten „Tichys Einblick“ auch zu den hartnäckigen Rechercheuren, die 2023 das Freunde- und Verwandte-Netzwerk des grünen Staatssekretärs Patrick Graichen aufdröselten. Die Veröffentlichungen kosteten Robert Habecks bis dahin wichtigsten Mann das Amt. Correctiv spielte auch bei der Aufklärung dieser Vorgänge keine Rolle.

Die Nähe zwischen Correctiv und den Grünen macht es wahrscheinlich, dass die Partei schon früher als andere über die inszenierte Enthüllung der angeblichen „Wannseekonferenz 2.0“ in Potsdam Bescheid wusste. Warum so viel Zeit zwischen der Aufdeckung des angeblich demokratiegefährdenden Treffens am 25. November 2023 und der Veröffentlichung am 10. Januar 2024 verging, erklärt Correctiv so: Man habe das heimlich gedrehte Video „auswerten“ müssen, außerdem hätten Correctiv-Mitarbeiter Beteiligten noch Fragenkataloge geschickt. Und es sei eine intensive Rechtsberatung vor der Veröffentlichung nötig gewesen. Allerdings spielen die Antworten der Befragten – beispielsweise des Staatsrechtlers Ulrich Vorsgerau – in dem Correctiv-Bericht kaum eine Rolle. Nach Vosgeraus Darstellung seien außerdem wesentliche Punkte daraus von Correctiv verdreht worden.

Und eineinhalb Monate, um ein Video anzusehen, einen Text zu verfassen und juristisch begutachten zu lassen – besonders glaubwürdig klingt das nicht. Es spricht einiges dafür, dass so viel Zeit nötig war, um den politischen Aktionismus vorzubereiten, der dann dem Correctiv-Text folgen sollte.

Für die Grünen stellt die Correctiv-Geschichte von dem „Geheimplan gegen Deutschland“ das größtmögliche politische Geschenk dar. Ende 2023 mussten sie noch fürchten, mit ihrem strikten Festhalten an den offenen Grenzen und ihrem Widerstand gegen „Abschiebungen im großen Stil“ (Olaf Scholz) immer stärker unter Druck zu geraten. Angesichts der landesweiten medial befeuerten Kundgebungen gilt nun plötzlich bis tief in die SPD und selbst in die CDU hinein jeder Gedanke an eine massenhafte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber als unerträgliches Nazi-Gespinst. Die Grünen haben dank Correctiv ihre gesellschaftliche Lieblingsrolle wieder zurückerobert: die der moralischen Großmacht im Land.

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