Aus welcher Gruppe heraus wurden bei der Corona-Demonstration in Berlin Polizeibeamte verletzt? TE meldete am 17. Dezember, dass der Berliner Senat eine entsprechende Anfrage des parteilosen Abgeordneten Marcel Luthe beantwortet hatte. In der Antwort hieß es: „Im Rahmen des Einsatzes am 18. November 2020 wurden insgesamt 79 Dienstkräfte der Polizei Berlin verletzt. Hiervon wurden 78 Dienstkräfte im Zusammenhang mit der Versammlung „Antifaschistische Versammlung gegen Querulanten und Feinde der Gesellschaft“ mit der zugewiesenen Versammlungsörtlichkeit Unter den Lindenstraße/Friedrichstraße/Brandenburger Tor/Yitzhak-Rabin-Straße durch Fremdeinwirkung verletzt. Eine Dienstkraft wurde im Rahmen eines Verkehrsunfalles ohne direkten Versammlungsbezug leicht verletzt.“ Bei der „Antifaschistischen Versammlung gegen Querulanten und Feinde der Gesellschaft“ handelte es sich um eine von 12 Gruppen, die an diesem Tag eine Demonstration im Regierungsviertel angemeldet hatte. Aus der Antwort des Senats gehen drei Dinge hervor:
- Erstens war das zunächst von Politik und Medien angewandte Framing nicht mehr aufrecht zu erhalten, die gewalttätigen Übergriffe seien aus der Mitte der Demonstration und aus der Masse der Demonstranten gekommen. Vielmehr bestätigt die Antwort des Senats die Berichterstattung von TE von diesem Tag: die überwiegende Zahl der Demonstranten verhielt sich friedlich. Die eher geringen Übergriffe gegen Beamte gingen offenbar von einer Gruppe aus, die sich einen linken Anstrich gegeben hatte, und deren genaue Identität bis heute nicht feststeht.
- Zweitens kam es demnach zu keinen Verletzungen im Bereich Schiffbauerdamm und Luisenstraße und unmittelbar vor dem Parlament in der Scheidemannstraße – also dort, wo sich an diesem Tag die überwiegende Mehrheit der Demonstranten versammelt hatte, um gegen das „Dritte Bevölkerungsschutzgesetz“ zu protestieren, das an diesem Tag verabschiedet wurde und gegen die Wasserwerfer eingesetzt wurden.
- Drittens zeigt die Auflistung, dass der überwiegende Teil der Beamten leichte Verletzungen davongetragen hatte – Augenreizung, Knalltrauma – und bis auf fünf durch Demonstranten verletzte Polizisten alle ihren Dienst fortsetzen konnten. Im Vergleich zu Kundgebungen etwa am 1. Mai war das Gewaltpotential möglicherweise relativ gering für Berliner Verhältnisse.
Diese Einschätzung teilt die Polizeiführung nicht: „Das Potenzial und die Brutalität der Gewalt waren immens“, hatte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik unmittelbar nach der Demonstration behauptet, und suggeriert, es sei der größte Gewaltausbruch in Berlin „seit Jahrzehnten“ gewesen.
Der ideologische Charakter der betont links auftretenden Demonstranten-Gruppe, von der die Gewalt ausgegangen war, und ihre Einbindung in radikale Netzwerke ist dubios. Marcel Luthe schrieb mit Bezug auf die selbsternannte „Antifaschistische Versammlung gegen Querulanten und Feinde der Gesellschaft“ es habe sich mutmaßlich um linke Demonstranten gehandelt – änderte die Formulierung dann aber nach einem Hinweis über den unklaren Charakter dieser Demonstranten in „abseitige Gruppe“. TE fragte bei der Polizei Berlin, wer als Anmelder dieser Gruppe aufgetreten war, und wie die Behörde sie einschätze. Eine Antwort erhielt TE bisher nicht – wird sie allerdings nachreichen. Die Agentur „Evangelisch.de“ hatte in ihrer Berichterstattung die „Antifaschistischen Versammlung gegen Querulanten und Feinde der Gesellschaft“ als „linke Gegenkundgebung“ eingeordnet.
Mehrere journalistische Aktivisten hielten TE gestern auf Twitter vor, es habe im Bereich des Brandenburger Tors und der Umgebung überhaupt keine linke Gegendemonstration gegeben. Das trifft definitiv nicht zu. Auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor und teilweise Unter den Linden hatten sich linke Gruppen versammelt, unter anderem mit Transparenten wie „Impfen ist Liebe“ und „Gerade Denken – Kein Platz für rechte Propaganda“.
In ihrer Bildberichterstattung hatte dpa diese Demonstranten wiederum der Hauptdemonstration zugeordnet.
Von welchen einzelnen Personen genau die Gewalt gegen Beamte an diesem Tag ausgegangen war, muss noch aufgeklärt werden. Aber: weder ging die Gewalt von der Masse der Demonstranten aus, gegen die Wasserwerfer eingesetzt wurden, noch entspricht sie laut Auflistung des Senats den rhetorischen Übertreibungen und Schuldzuweisungen, die es unmittelbar nach der Demonstration gegeben hatte.