Tichys Einblick
Wahlkampfauftritt Robert Habeck

MLPD, Letzte Generation, Corona-Kritiker, Alt-Linke: Politische Unzufriedenheit von allen Seiten

Wieder waren an diesem Samstag Zehntausende auf den Straßen, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren. Die Unzufriedenheit kommt von allen Seiten – exemplarisch zu sehen bei einem Wahlkampfauftritt von Robert Habeck.

IMAGO / NurPhoto

Seit nunmehr 22 Wochen finden großflächige Demonstrationen gegen die Corona-Politik statt. Zehntausende versammelten sich auch diesen Samstag wieder auf den Straßen. Den Protesten hat das gute Wetter in die Karten gespielt. Die Teilnehmerzahlen dürften gegenüber der Vorwoche leicht gestiegen sein.

Unter dem Motto „Rücknahme der einrichtungsbezogenen Impfpflicht!!! Aufarbeitung der niedersächsischen Coronapolitik jetzt sofort!!!“ wurde in Hannover demonstriert. Angemeldet wurden vom Veranstalter bis zu 1.000 Teilnehmer. Diese Zahl wurde allerdings weit übertroffen. Am frühen Samstagnachmittag zählte die Polizei noch 750 Protestierende, doch schon kurze Zeit später wurden in der Spitze 2.350 Versammlungsteilnehmer gezählt. Der Protest sei weitestgehend friedlich verlaufen.

Ein Redner musste nach Behördenangaben jedoch von der Bühne geholt werden, da er den Angriffskrieg in der Ukraine verunglimpft habe. Zudem habe der Redner gegen Versammlungsauflagen verstoßen. Gegen den Mann wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Auf der Kundgebung waren Spanien- und Kanada-Flaggen zu sehen. Die Versammlungsteilnehmer versammelten sich hinter einem Plakat mit der Aufschrift: „Wir sind die rote Linie – friedlich und bestimmt“. Fahnen der „Freien Linken“ waren ebenso zu sehen wie der AfD-Slogan „Gesund ohne Zwang“. Im Wechsel skandierten die Demonstranten: „Frieden – Freiheit“.

An einem Corona-„Spaziergang“ in Zwickau beteiligten sich nach Polizeiangaben 400 Personen. Die „Freien Sachsen“ sprechen hingegen von einer „gut vierstelligen Teilnehmerzahl“. Im Vorfeld soll die Stadt versucht haben, die Kundgebung zu verhindern. Mit Verweis auf ein länger geplantes interkulturelles Fest sollte der Auftaktort blockiert werden. Ein Gericht erklärte dieses Vorgehen jedoch für rechtswidrig und ließ den Protest zu. Eine Demonstration habe Verfassungsrang, ein Fest jedoch nicht.

Behauptungen der „Freien Sachsen“ zufolge habe der Chef des Zwickauer Polizeireviers vor Gericht bezeugt, dass das vermeintlich lange geplante Fest tatsächlich erst nach der Versammlung angemeldet wurde. Daraufhin soll der Polizeibeamte zwangsversetzt worden sein. Die Angaben der „Freien Sachsen“ können nicht verifiziert werden. Die Demonstranten skandierten Parolen wie: „Wer Frieden möchte liefert keine Waffen“, und „Impfpflicht für niemand – Stoppt die Testpandemie“. Teilnehmer hielten sowohl Kanada- als auch Russland-Flaggen in den Händen.

In München dürften schon am Mittwoch rund 1.000 Demonstranten an der Corona-Demo teilgenommen haben. Es liegen jedoch keine behördlichen Angaben vor. Auch in der bayerischen Landeshauptstadt wurde sowohl Kritik an der Corona-Politik als auch an Waffenlieferungen in die Ukraine geübt. Ein Versammlungsteilnehmer forderte: „Weg mit der Impfpflicht für Pfleger und Soldaten“, während ein anderer „Für Frieden gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete“ plädierte. In Reutlingen dürften erneut rund 1.000 Demonstranten protestiert haben. Auch hier liegen jedoch keine behördlichen Angaben vor. Teilnehmer skandierten „Wir sind die rote Linie“ oder „N’ Scheiss Muss Ich“.

In Düsseldorf dürfte eine vierstellige Zahl an Demonstranten an dem Protest teilgenommen haben. Polizeiangaben liegen allerdings nicht vor. Auf roten Luftballons war die Parole „Stop Corona Lüge“ zu lesen. Ein Teilnehmer plakatierte: „Raus aus WHO, Raus aus Nato“. In Nordrhein-Westfalen ging es in den letzten Tagen und Wochen besonders heiß her. Der Wahlkampf veranlasste zahlreiche Spitzenpolitiker zu öffentlichen Auftritten. FDP-Veranstaltungen wurden von Störprotesten bisher noch einigermaßen verschont. Bei einem Wahlkampfauftritt in Düsseldorf wurde nun auch Christian Linder mit „Lügner“- und „Kriegstreiber“-Vorwürfen konfrontiert. Lindner entgegnete: „Wenn ihr glaubt, dass ihr mich aus der Ruhe bringen könnt, habt ihr euch getäuscht“. Später wandte er sich den Demonstranten erneut zu und erklärte: „Die tapferen Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigen sogar die Freiheit vor denen, die sie mit Füßen treten.“

Noch wesentlich hitziger war die Stimmung am Freitag in Köln. Robert Habeck, Claudia Roth und Ricarda Lang wurden von einer wütenden Menge empfangen. Der Protest bildete eine politisch völlig heterogene Masse, die jedoch Einigkeit in tiefer Unzufriedenheit fand. Es war eine Mischung aus MLPD-Mitgliedern, Corona-Kritikern, Free-Assange-Demonstranten, Alt-Linken und diverser weiterer Gruppierungen. Auf Plakaten der MLPD stand etwa: „Protest ist links! Keine Stimme den Kriegsparteien und der AfD!“. Die Reden von Habeck & Co waren wegen lautstarker Parolen der Störer, wie „Frieden schaffen – ohne Waffen“ oder „Kriegstreiber“, kaum zu verstehen.

Habeck warnte davor, die Realität des russischen Angriffskrieges zu verdrehen: „Wer diejenigen, die der Ukraine helfen, als Kriegstreiber diffamiert, der stellt sich auf die Seite der Mörder.“ Und weiter: „Ich habe hohe Achtung vor einem bedingungslosen moralischen Pazifismus“. Wer Menschen, die um ihr Leben kämpfen, jedoch nicht helfe, mache sich „mindestens genauso schuldig, wahrscheinlich schuldiger“. Später klebt sich dann noch ein junger Mann auf die Bühne, der ein T-Shirt der „Letzten Generation“ trägt. Der Wirtschaftsminister sagte zu dem Störer: „Du stellst eine Frage, ich antworte und dann mache ich weiter in meiner Rede, okay?“.

Der junge Mann fragte, warum Habeck in der Nordsee nach Öl bohren wolle. Habeck antwortete: „Es ist kein Widerspruch, dass wir in einer Zeit, wo Bräsigkeit oder strategische Dummheit der Vorgängerregierung uns in eine Abhängigkeit von einem Diktator geführt hat, die jetzt mindestens indirekt seinen Krieg unterstützt, schnell versuchen wegzukommen von den fossilen Energien aus Russland.“

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