Wie gut oder schlecht erklärten die Verantwortlichen in den Pressestellen der Bundesregierung den Bürgern bisher die Corona-Maßnahmen? Am Dienstag stellten der deutsch-schweizer Medienanalytiker Roland Schatz (Media Tenor International) und die beteiligten Wissenschaftler ihr neues „Weißbuch zur Lage der Informationsqualität in Deutschland“ in Berlin vor. Darin spielt der mediale und politische Umgang mit Covid-19 eine zentrale Rolle – und eben auch die Frage, wie die Regierung ihr Handeln erklärt. Das Ergebnis fällt für Angela Merkels Kabinett wenig schmeichelhaft aus.
Der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim untersuchte die Pressemitteilungen aller Bundesministerien zum Thema Covid-19 auf Verständlichkeit und verglich sie mit der Qualität anderer Texte, etwa Produktinformationsblätter, Antwortschreiben auf Bauanträge und politikwissenschaftliche Doktorarbeiten.
Test-Leser sollten das Gelesene auf einer Skala von Null (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich) einordnen. Das ernüchternde Ergebnis: Die durchschnittliche Verständlichkeit der Bundesregierungs-Mitteilungen liegt bei dem wichtigen Thema Corona gerade bei 7,1. Die Kommunikationsprofis des besten Ressorts – Olaf Scholz’ Finanzministerium – erreichen immerhin einen mittelmäßigen Verständlichkeitswert von 10. Zum Vergleich: Hörfunk-Nachrichten liegen auf der Skala bei 16,4, Artikel der Zeitung Die Welt bei 13,2.
Besonders schlecht schneiden drei in der Covid-19-Krise zentrale Bereiche der Regierung ab. Das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier kommt mit seinen Pressemittelungen zu Corona auf einen Verständlichkeitswert von 7,8, das Gesundheitsministerium von Jens Spahn auf 6,0 – und Merkels Bundeskanzleramt auf niedrige 5,3. Damit liegen die Kommunikatoren des Machtzentrums ziemlich genau auf der Ebene von Antwortschreiben auf Bauanträge, leicht über der von Politikwissenschafts-Promotionen, aber noch unter der Verständlichkeit etwa des Koalitionsvertrags (5,7). Vor allem die schlechte Öffentlichkeitsarbeit des Kanzleramts erstaunt angesichts der enormen personellen Ressourcen, die dort zur Verfügung stehen.
Frank Brettschneider kritisiert die umständliche und bürgerferne Sprache der meisten Pressemitteilungen: „Neben viel zu langen Sätzen stellen zahlreiche Fremd- und Fachwörter vor allem für Leser und Leserinnen ohne Vorwissen eine große Verständlichkeitshürde dar: ‚Corona Matching Fazilität’, ‚Retail Hack’, ‚E-card-Foto-Registrierungsstelle’, ‚Helpline’, ‚Recovery effort’, ‚asymptomatische Infektion’.“ Auch Wortungetüme wie „Betriebsstättenbegründungsfristen“ trügen nicht gerade zur bessere Lesbarkeit bei.
„Verständlichkeit“, so Brettschneider, „ist kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung für gelingende Kommunikation.“
Auch die Corona-Pressemitteilungen der österreichischen Bundesregierung wurden auf Verständlichkeit untersucht: Alle Ministerien in Wien kamen gemeinsam auf den Durchschnittswert 8,4 – auch nicht überragend, aber besser als die Ministerien in Berlin.