Corona-Gipfel: Wird morgen der faktische Impfzwang beschlossen?
Max Mannhart
Merkel, Söder & Co. suchen die Entscheidung und wollen jetzt den Lockdown-Herbst für Ungeimpfte festmachen. Armin Laschet ist dagegen, aber ob er sich auch durchsetzen kann? Es bahnt sich ein Kompromiss an, der schöner klingt, aber über den Geld-Hebel nichts anderes bedeuten würde als einen Impfzwang.
Während Deutschland Ferien vom Lockdown nimmt, verfällt manch einer auch der Illusion, jetzt sei es schon alles vorbei mit dem Lockdown. Aber in diesen Tagen fällt die Entscheidung für den Herbst, die Weichen werden gestellt, die nicht nur über den Herbst und Winter der Menschen, sondern wohl auch über die Bundestagswahl entscheiden werden – von daher kann dem Leser das Thema leider nicht erspart werden. Morgen, am Dienstag, treten die Ministerpräsidenten und die Bundesregierung zusammen – dass sie eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen beschließen, gilt als höchst wahrscheinlich.
Dabei wird die Frage, wie man verschärfen sollte, kontrovers diskutiert – die, ob man überhaupt verschärfen sollte eher weniger. Die Bundesregierung hat in einem Papier letzte Woche umfassend ihre Position klar gemacht: Ab Herbst soll auch unabhängig von der konkreten epidemischen Lage das öffentliche Leben nur noch für Geimpfte, Genesene oder Getestete öffnen. Sollten die Corona-Zahlen steigen, sollen Ungeimpfte selbst mit negativem Test ausgeschlossen werden. Das Motiv ist klar: Man wäscht seine eigene Politik der letzten Monate rein, indem man stur bei ihr bleibt. In dem Strategiepapier des Bundes steht es ganz offen: „Insofern ist es gerade eine besondere Herausforderung politischer Kommunikation, die offenkundigen Erfolge, ausdrücklich und insbesondere der Impfkampagne, zu benennen, die Zuversicht und nach den harten Wintermonaten die Freude über einen schönen Sommer zu bestärken, gleichzeitig aber die Bürgerinnen und Bürger weiterhin um Vorsicht und Umsicht sowie um gemeinsame Anstrengung und Vorbereitung für Herbst und Winter zu bitten.“
Markus Söder dürfte wohl ebenfalls dabei sein – zu sehr hängt er am Image des Corona-Hardliners und zu sehr reizt ihn die Chance, seinem Peiniger Armin Laschet mit einem neuerlichen Lockdown gehörig die Wahlkampf-Suppe zu versalzen.
Der Rheinländer ist in der Runde der wichtigste Gegenspieler und könnte viel bewegen, schon alleine deshalb, weil bei diesen Gipfeln grundsätzlich das Konsensprinzip gilt. Mehrmals signalisierte er: Für einen Lockdown für Ungeimpfte stehe er nicht zur Verfügung. Getestete sollten zumindest Geimpften gleichgestellt werden – ohnehin scheint er die große Angst vor der „vierten Welle“ nicht so wirklich zu teilen.
Andererseits ist Laschet nicht gerade für Standhaftigkeit bekannt. Merkel und Söder scheinen es darauf anzulegen – dagegen kommt er nur an, wenn er bereit ist, offen zu Felde zu ziehen. Gerade für ihn ist es ein Scheideweg: Behauptet er sich, füllt er seine Rolle als CDU-Chef, Kanzlerkandidat und Ministerpräsident des größten Bundeslandes endlich aus. Duckt er sich erneut weg, wird er auch in Zukunft in der Corona-Politik machen müssen, worauf andere drängen. Er wäre schon vor Amtsantritt nur noch ein Getriebener.
Ein fauler Kompromiss bahnt sich an
Die Partei, die immer noch die meisten Ministerpräsidenten stellt, kann man in dem Ringen nicht so wirklich einem Meinungslager zuordnen: die SPD. Olaf Scholz scheint sich darauf vorzubereiten, in der Corona-Frage die Lücke zu füllen, die Armin Laschet frei macht. Einerseits ist das Feld der Lockdown-Gegner groß und unbestellt, andererseits ist seine Wahlkampfrolle als „kompetenter“ Minister der Regierung auch prädestiniert dafür, sich als eigentlicher Merkel-Nachfolger zu inszenieren. Solange die Sozialdemokraten nicht so recht wissen, ob sie die obersten Lockerer oder die obersten Abriegeler sein wollen (was sie beides kurzzeitig schon waren), gehen sie den Mittelweg und inszenieren sich als oberste Impfer. Selbst auf Mallorca plakatierten die Sozialdemokraten schon hipp für den Pieks – in der Hoffnung einen PR-Hit zu landen.
Auch Armin Laschet bedient sich immer wieder dieser Ausflucht „Hauptsache impfen“, wenn er auf einen möglichen, weiteren Lockdown angesprochen wird. Statt „Lockdown für Ungeimpfte“, kann man schließlich auch „keine weiteren Einschränkungen für Geimpfte“ beschließen – das läuft zwar aufs Gleiche hinaus, klingt aber deutlich schöner. Mit negativem Schnelltest müssten Ungeimpfte allerdings gleichgestellt bleiben, so weit hat sich der Unionskanzlerkandidat schon festgelegt.
Und an der Stelle bahnt sich ein Kompromiss an, wie man Lockdown und Impfzwang beschließen kann, ohne sie zu beschließen. Die Idee kommt aus Frankreich, wurde dort nach den massiven Protesten allerdings wieder zurückgenommen (TE berichtete). Es geht darum, die kostenlosen Tests abzuschaffen und statt einem Schnelltest einen PCR-Test mit kürzerer zeitlicher Gültigkeit zu verlangen. Der Punkt wird oft gern als Lappalie abgetan, ist aber zentral, bedeutet er doch das Ende der Selbstbestimmung der Durchschnittsbevölkerung. Denn wenn Sie für das Betreten von Restaurants, Geschäften und nahezu allen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens einen aktuellen PCR-Test brauchen, den Sie selbst zahlen müssen, dann sind Sie gesellschaftlich ausgeschlossen, wenn Sie nicht das Geld haben, alle zwei, drei Tage einen PCR-Test für 50-100 Euro aus eigener Tasche zu bezahlen – oder gar für nur 8 Stunden. Anders gesagt: Solange es ausreicht, einen kostenlosen Schnelltest vorzulegen, ist das nervig und verfassungsmäßig problematisch – aber es bliebe möglich. Ein PCR-Test, bei dem es schon etliche Stunden dauert, bis das Ergebnis da ist, ist im realen Leben keine Option – kaum einer wird für den Restaurantbesuch mit der Familie bereit oder in der Lage sein, durch diese Testpflicht am Ende das Doppelte zu bezahlen. Es bleiben für die Masse der Bevölkerung dann nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder man akzeptiert den Ausschluss und zieht sich potentiell für Monate in die eigenen vier Wände zurück und lässt sich Essen vor die Tür liefern oder man lässt sich eben doch impfen. Das einen Impfzwang zu nennen – oder besser: einen de facto Lockdown für Ungeimpfte – ist wohl keine Übertreibung.
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans und viele andere brachten das Konzept in den letzten Wochen immer wieder ins Spiel, auch Armin Laschet mahnte bereits, dass Ungeimpfte ab Herbst damit rechnen müssten, „dass die Alltagstests nicht mehr vom Steuerzahler gezahlt werden“. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher geht den nächsten Schritt: „Antigen-Schnelltests sind nicht zuverlässig genug“ sagte der SPD-Politiker der FAZ vor der Konferenz. Nur mit einem PCR-Test sollten Ungeimpfte, Geimpften gleichgestellt werden. Und da schließt sich der Kreis.
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