Der Corona-Expertenrat stimmt die Bevölkerung auf den nächsten Corona-Herbst und -Winter ein. Massentests, Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen könnten schon bald wieder zum Alltag gehören. Zudem plant der Expertenrat offenbar, die Schäden der Maßnahmenpolitik durch weitere Maßnahmen zu beheben und empfiehlt das Maskentragen wegen der Grippe. Kinderkliniken sollen so vor der Überlastung bewahrt werden.
Der Corona-Expertenrat wurde Ende vergangenen Jahres von Bundeskanzler Scholz initiiert. Ihm gehören unter anderem Wissenschaftler wie Melanie Brinkmann, Hendrik Streeck, der Stiko-Chef Thomas Mertens, Christian Drosten, Lothar Wieler und die Vorsitzende des deutschen Ethikrats Alena Buyx an. Nun macht der Rat mit einer neuen Stellungnahme auf sich aufmerksam. Er bereitet die Bevölkerung auf einen erneuten Maßnahmen-Herbst und -Winter vor.
Konkret werden drei mögliche Szenarien vorgestellt. Im Falle des günstigsten Szenarios wäre im Herbst und Winter eine Variante vorherrschend, die milder als Omikron ist. Dann seien Schutzmaßnahmen nur für Risikopatienten notwendig. Nach dem Basiszenario bleibt die Omikron-Variante dominierend. Die Maskenpflicht, Abstand- und Kontaktbeschränkungen könnten in einigen Monaten wieder Realität werden. Wenn eine gefährlichere Mutation als die Omikron-Variante auftreten sollte, würde sogar die „Nachimpfung großer Bevölkerungsabschnitte“ erforderlich machen. Zur Notwendigkeit von 2G-Beschränkungen und einer Impfpflicht äußerte sich der Corona-Expertenrat nicht. Erst im Frühjahr könnten die Schutzmaßnahmen wieder aufgehoben werden. Unabhängig davon, welches Szenario sich letztlich realisiere, Impfung und Infektionsschutzmaßnahmen seien unerlässlich Mittel zur Corona-Bekämpfung.
Die Botschaft an die Bevölkerung ist klar: Corona ist nicht vorbei. Auch künftig werden die Bürger tiefe Grundrechtseinschnitte erleiden müssen. Zumindest Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zeigt sich angesichts der Stellungnahme begeistert. So erklärte er: „Ausgezeichnete Analyse durch den Corona Expertenrat. Dank an alle Mitglieder, darin steckt viel Arbeit. Die Analyse und Empfehlungen werden auch Grundlagen unserer Vorbereitung für den Herbst sein, die bereits begonnen hat“.
„Wie hoch die Corona-Welle werden wird, kann auch der Expertenrat nicht sagen. Aber dass selbst im günstigsten Fall das Gesundheitswesen stark belastet sein wird, ist relativ sicher. Auf alle Szenarien müssen und werden wir vorbereitet sein: mit angepassten Test-, Impf- und Behandlungsstrategien sowie mit einem soliden gesetzlichen Rahmen“, so Lauterbach weiter.
Bemerkenswert ist, was in der Stellungnahme immer wieder zwischen den Zeilen gelesen werden kann. Die Maßnahmenpolitik hat offenbar zu Schäden geführt, die nun mit weiteren Maßnahmen beseitigt werden sollen. So warnt der Expertenrat davor, dass es bei Säuglingen und Kleinkindern durch einen Wiederanstieg von saisonalen Atemwegserregern zu einer Be- und Überlastung der Kinderkliniken kommen könnte. An einer Stelle wird sogar von einem „gravierenden Pflegepersonalmangel der Kinderkliniken“ gesprochen. Corona ist für Kinder jedoch zumeist völlig ungefährlich. Gefährdet sind Säuglinge und Kleinkinder durch eine befürchtete Grippe-Welle und viele RSV-Infektionen. Lauterbach selbst musste erst vor wenigen Tagen eingestehen, „dass die Immunität in den letzten Jahren zurückgegangen ist, weil die Schutzmaßnahmen auch dort geschützt haben, sodass sich dort eine Immunitätslücke aufbauen konnte.“
Auch an einer weiteren Stelle haben die Maßnahmen offensichtlich mehr geschadet als genutzt. So wird „eine weitere Fluktuation aus den Gesundheitsberufen, insbesondere in hochbelasteten Bereichen“ befürchtet. Eine solche habe „dramatische Folgen für die flächendeckende, qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in Deutschland, unabhängig von Infektionskrankheiten“. Für den stetigen Personalschwund sei die dauerhafte Extrembelastung verantwortlich. Die zusätzlichen Folgen der einrichtungsbezogenen Impfplicht werden hingegen nicht erwähnt. Stattdessen fordert der Corona-Expertenrat die Einrichtung „einer entsprechenden Kommission, die Lösungsvorschläge unterbreitet“.