Corona entlarvt eine ganze Menge. Die Diesel-Fahrzeuge sind es nicht, die in der Stadt für Feinstaub und überhöhte NO2-Werte sorgen. Kaum Autos in der Stadt – dennoch ähnliche Werte wie zuvor bei vollem Verkehr. Keine Frage: Da stimmt vieles nicht von dem, was Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium seit langem immer erzählen und damit die gigantischen Schäden bei Autofahrern und in der Autoindustrie rechtfertigen.
Kaum Autoverkehr, die Fabriken standen großteils still, die Städte »dicht«, es floss kaum Verkehr. Und dennoch zeigte sich zum Beispiel an Deutschlands berühmtester Messstelle am Neckartor in der Stuttgarter Innenstadt keine Verminderung der NO2-Werte, wie man sie eigentlich nach einem solch kompletten Shutdown erwarten müsste. Noch dazu ist diese Station entgegen der EU-Vorschriften so manipulativ dicht an der Straße in einer Hausecke aufgestellt, dass sie wie ein Spiegel die Luftmassen konzentriert und besonders hohe Werte produziert. Umso stärker also müssten die Werte zurückgehen.
Doch das tun sie nicht!
Ingenieur Martin Schraag, der sich seit langem mit den Verkehrsmessungen befasst, sagt: »Die berühmte Stuttgarter Messstation Am Neckartor und die Messstation an der Hohenheimer Straße sind Verkehrsmessstationen. Sie müssten also besonders empfindlich einem fallenden Verkehrsaufkommen folgen. Das aber ist im Frühjahr 2020 nicht passiert.«
Martin Schraag weist auf einen weiteren Zusammenhang hin: »In den letzten 20 Jahren ist der Mittelwert um ca. 7 μg/m³ auf nunmehr knapp 25 μg/m³ NO2 gefallen. Den Hauptbeitrag dazu haben verbesserte Abgaswerte des Straßenverkehrs erbracht, dessen NOx-Eintrag nach Daten des Umweltbundesamts um über 50 % gefallen sind. Von den 7 μg/m³ dürften ungefähr 5 μg/m³ auf den Straßenverkehr entfallen. Das heißt, der restliche Beitrag des Straßenverkehrs an der heutigen Exposition der allgemeinen Bevölkerung ist 20 %.«
Dies bedeutet, dass der Straßenverkehr deutlich weniger zur Luftsituation in den Städten beiträgt, als dies der Abmahnverein »Deutsche Umwelthilfe e.V.« und Umweltbundesamt behaupten. Auch kein Wunder, denn die Autos sind seit den achtziger Jahren sauber gemacht geworden. Eine teure, aufwendige und übrigens auch fehleranfällige Abgasreinigungstechnologie hat die Autos umweltfreundlich gemacht. Aus einem modernen Diesel kommen kein Feinstaub und keine NOx mehr heraus.
Ein Blick in Städte wie Ulm zeigt, dass dort sogar die Stadt jetzt befindet: Die Luft ist so gut, dass die Messungen eingestellt werden können. Das liege nicht an Corona, sondern – natürlich – an »den ergriffenen Maßnahmen«, wie es im schönsten Bürokratendeutsch heißt: »Die Belastung durch Feinstaub und andere Schadstoffe konnte durch die in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen signifikant und dauerhaft unter die Grenzwerte gesenkt werden.«
Ulm hatte es auch nicht so auf maximale Messwerte abgesehen wie zum Beispiel das grüne Stuttgart, sondern die Messtationen wurden in der Karl- und in der Zinglerstraße aufgestellt, die selbst an wichtigen Innenstadtstraßen selten Messwerte über den Grenzwerten lieferten. Die Messstelle Karlstraße lieferte aufgrund einer Baustelle eine Zeitlang keine Werte, ehe sie dann 2018 wieder aufgenommen wurden. Dann ergab sie Werte für Stickstoffdioxid NO2, die deutlich unter den 40 µg/m3 Luft lagen. Die Messstelle wurde wieder abgebaut. Auch die letzten Messstellen werden voraussichtlich ab 2021 nicht mehr weiter betrieben.
Wenn schon »Luftalarm«, dann müsste er nicht für die Straßen unserer Städte, sondern für Küchen und Wohnungen geschlagen werden. 40 unterschiedlich große Wohnungen in Leipzig und Berlin wurden eine Woche lang zu unterschiedlichen Jahreszeiten auf die Luftwerte hin untersucht. Denn Backen, Toasten und Kerzen brennen lassen sind große Feinstaubquellen im Haushalt, wie das gerade Leipziger Forscher in einer Langzeituntersuchung zum Feinstaub in Innenräumen vom Leipziger Leibniz-Institut Tropos im Auftrag des Umweltbundesamtes festgestellt haben.
Doch während im Straßenverkehr der Feinstaub mit Gesetzen stark limitiert wird, sei in Wohnungen jeder für sich selbst verantwortlich, sagte Alfred Wiedensohler der Sächsischen Zeitung zum Ergebnis der Studie: »Das ist eine Belastung, höher als an einer stark befahrenen Straße.« Die Werte haben selbst ihn in seiner Wohnung überrascht. »Man sieht am Gerät, wie schnell Unmengen an Partikeln produziert sind, die man danach stundenlang noch einatmet.«
Wenn man nichts dagegen unternimmt, dauert es eben Stunden, bis sich diese Nano-Teilchen auf Oberflächen abgesetzt haben. Anders als Staub wirbeln die dann auch nicht mehr auf, sondern haften aufgrund ihrer Winzigkeit. Nur Abwischen würde sie dort fortbringen. Über Nacht wäre jedenfalls der Normalwert wieder erreicht. Es sei denn, dann wird morgens der Toaster angeworfen. Wiedensohler kann trösten: Grenzwerte werde es vom Umweltbundesamt nicht geben, aber künftig klare Empfehlungen, daher wurde diese Untersuchung gemacht. Glücklicherweise wird es also kein Kuchenbackverbot in der Küche geben. Eigentlich helfe nur eins, meinte er: Lüften, lüften, lüften, das geht ebenfalls aus der Studie hervor.
Das erstaunt: Mit der angeblich so schlechten Luft in den Städten soll die schlechte Luft in Wohnungen und Küchen durch Lüften verbessert werden? Aufgrund der Daten müsste also gelten: Besser Diesel fahren als Kuchen zu backen oder gar Brot zu toasten – und natürlich auf das Zigarettenrauchen verzichten – aus Gründen der Feinstaubvermeidung.