Tichys Einblick
Corona-Verordnung

Ein ganzes Leben lang die Maske tragen

Trotz Impfung und weil der Bund Geld sparen will: Bewohner von Pflegeheimen müssen seit diesem Wochenende die FFP2-Maske tragen - praktisch den ganzen Tag.

IMAGO/photothek

Karl Lauterbach (SPD) ist zurück in seinem Element. Auf Twitter inszeniert der Gesundheitsminister sich wieder als Retter zigtausender Menschen – und in den Medien lässt er sich inszenieren. Mit den Opfern seiner Politik konfrontieren ihn Journalisten in der Regel nicht. Die Opfer sind gerne mal die Schwächsten – denen eine starke Lobby fehlt. Lange Zeit und immer noch die Schulkinder. Jetzt kommen Heimbewohner dazu.

Für die Bewohner und regelmäßigen Besucher von Heimen oder ambulanter Einrichtungen gilt nun eine FFP2-Maskenpflicht. Faktisch den ganzen Tag. Die Pflicht gilt laut Infektionsschutzgesetz im kompletten Heim außer in den „für ihren dauerhaften Aufenthalt bestimmten Räumlichkeiten“. Sprich: ihren Schlafzimmern. Nun gibt es aber gerade in der Pflege psychisch kranker Menschen viele Tageseinrichtungen, in denen die Betreuten gar kein Schlafzimmer haben. Sie sind auf diese Tageseinrichtungen angewiesen, da ihre Angehörigen den hohen Pflegeaufwand nicht leisten können.

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Doch auch für die Bewohner von stationären Heimen ist das Gesetz, das Lauterbach mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) ausgehandelt hat, eine Last: Denn der Paragraft 28 des Infektionsschutzgesetzes schreibt die Maske besonders in Gemeinschafsträumen vor – wo Menschen gemeinsam plaudern, spielen, fernsehen oder ein Mittagsschläfchen halten. Die Alten und Behinderten stellt das Gesetz vor die Wahl: Maske rund um die Uhr oder der Verzicht auf Sozialleben. Maske oder ein einsamer Tod im Bett. Über das Leben, das auf diese Weise verloren geht, schreibt Lauterbach auf seinem Twitter-Account nichts.

Die „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ weist darauf hin, dass FFP2-Masken eine Belastung sind. Wer eine Maske mit Ausatemventil trägt, soll spätestens nach 150 Minuten eine maskenfreie Pause einlegen – bei einer Maske ohne Ausatemventil wird das demnach schon nach 75 Minuten notwendig. Und selbst das „Robert Koch Institut“ warnt vor möglichen gesundheitlichen Schäden. Bisher fehle es an Studien, wie sich das dauerhafte Tragen von FFP2-Masken außerhalb des Gesundheitswesens auswirkt.

Das Tragen von FFP2-Masken im Gesundheitswesen lässt sich nicht mit dem im privaten Leben vergleichen. Im Gesundheitswesen ist das Personal fachkundig und erhält eine eigene Schulung zum korrekten Tragen der Masken. Das ist im Privatleben meist nicht der Fall. Und selbst unter den besonderen, geschützten Umständen im Gesundheitswesen hat sich laut RKI gezeigt, dass es bei den Maskenträgern zu „Atembeschwerden oder Gesichtsdermatitis infolge des abschließenden Dichtsitzes“ gekommen sei..

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Gerade für Menschen mit Risikofaktoren gilt laut RKI beim Tragen von FFP2-Masken einiges zu beachten: „Beim Einsatz von FFP2-Masken bei Personen mit zum Beispiel eingeschränkter Lungenfunktion oder älteren Personen sind negative gesundheitliche Auswirkungen nicht auszuschließen.“ Das Tragen von FFP2-Masken durch Personen, die diesen Gruppen angehören, solle daher möglichst ärztlich begleitet werden. „Die Anwenderinnen und Anwender sollten gut über das korrekte Tragen, die Handhabung und maximale Nutzungsdauer der FFP2-Masken sowie Risiken und Limitationen aufgeklärt werden“, rät das RKI. Zudem sollten die für die Trägerinnen und Träger vertretbaren Tragedauern unter Berücksichtigung der Herstellerangaben individuell festgelegt werden, um mögliche gesundheitliche Auswirkungen zu minimieren.

Zu Pflegenotstand, zu den anderen Belastungen in Heimen muss das Pflege-Personal jetzt auch noch Auflagen zum Maskentragen beachten, die so komplex wie vom RKI beschrieben sind. Entsprechend kommt aus den Wohlfahrtsverbänden Kritik. Die Pflicht sei „unsinnig und kaum umsetzbar“, sagte Marcel Kabel gegenüber dem MDR. Er ist stellvertretender Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Sachsen-Anhalt und findet: „Die Regelungen schießen weit über das Ziel hinaus.“ Menschen mit Behinderungen oder hohem Pflegebedarf würden hier unzumutbaren Belastungen ausgesetzt.

Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz möchte laut MDR die Maskenpflicht für Pflegeheimbewohner sofort wieder abschaffen. Er sieht die Bewohner als Opfer einer Sparmaßnahme des Bundes. Der hatte die Zuschüsse zu den Tests abgeschafft: „Nur, weil der Bund und die Länder nichts ausgeben wollen, kann man doch nicht 810.000 Pflegeheimbewohner unter Zwangsmaßnahmen stellen.“

„Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner wohnen dauerhaft in den Einrichtungen. Es ist ihr zuhause. Sie sind anders zu behandeln als Patienten im Krankenhaus, die sich nur für eine begrenzte Zeit dort aufhalten“, sagt Doktor Manfred Stegger. Er ist Vorsitzender der Interessenvertretung für Pflegebetroffene. Die „oftmals unverhältnismäßige Beschränkung der Persönlichkeitsrechte“ der Menschen in Pflegeeinrichtungen müsse laut Stegger beendet werden. Die Regelung sei „unverhältnismäßig“, da die Bewohner überwiegend mehrfach geimpft seien.

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