Tichys Einblick
Mecklenburg–Vorpommern

Corona: Chaotische Zustände in Flüchtlingsheimen

In einer Erstaufnahme-Einrichtung für „Flüchtlinge“ in Mecklenburg–Vorpommern gibt es mindestens 43 Corona-infizierte „Schutzsuchende“ und fünf angesteckte Heimbetreuer. Doch die verhängten Quarantäne-Maßnahmen werden von einem Großteil der Bewohner in grober Form missachtet. Anwohner sind wütend – und verängstigt.

imago images / BildFunkMV

Besonders in abendlichen und nächtlichen Stunden herrscht in der „Geflüchteten“-Erstaufnahmeeinrichtung von Stern-Buchholz – einem Außen-Stadtteil der Landeshauptstadt Schwerin – ein Rundum-Chaos, das auch den lokalen Bus-Nahverkehr teils zum Erliegen gebracht und das die Anwohner in Angst und Schrecken versetzt hat. Es kursieren schwere Vorwürfe.

Der Stadtteil hat keine leichte Geschichte. Im Zweiten Weltkrieg wurden hier viele Kriegsgefangene untergebracht, nach 1945 waren dort bis 1993 große Einheiten der Roten Armee (UdSSR) stationiert. Nach der Wiedervereinigung wurde Stern-Buchholz Standort für die Bundeswehr, die 2007 die zahlreichen Gebäude vor allem privaten Betrieben zur Nutzung überließ.

Es geht „drunter und drüber“ – ein Maulkorb wurde verhängt

In der Einrichtung leben etwa 550 Asylbewerber aus aller Welt. Die Tageszeitung Nordkurier (Neubrandenburg) schreibt, sie verfüge seit Wochen über vertrauliche Informationen dahingehend, „dass Kontaktverbote, Ausgehbeschränkungen und Hygiene-Standards im Flüchtlingsheim offensichtlich nicht korrekt eingehalten“ werden. Ein Insider sagte dem Nordkurier, dass es in der Unterkunft „drunter und drüber“ gehe. Ähnliche Aussagen sind in der Bild-Zeitung (Ausgabe M-V) zu lesen.

Es herrschten in Schwerin offenbar so chaotische Zustände, dass beispielsweise selbst die Nachrichtenagentur dpa und die Süddeutsche Zeitung zumindest über ein paar der dortigen Ereignisse berichtet haben – ohne freilich die schlimmen Ausmaße des Flüchtlings-Chaos auch nur annähernd genau zu beschreiben.

Im Heim sind offensichtlich viele Anti-Coronaregeln – etwa Mindestabstand, Abschirmung des Quarantäne-Blocks – kaum oder gar nicht eingehalten worden. In einem ehemaligen Amtsgebäude im nahegelegenen Parchim, in dem identifizierte Corona-Infizierte unterdessen separat untergebracht wurden, hat es offenbar sehr ähnliche Defizite gegeben. Allerdings ist nicht viel davon an die Öffentlichkeit gedrungen: „Wachpersonal und Malteser (Betreiber der Einrichtung) haben einen Maulkorb“ (Bild).

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Ein Bild-Zeitungsreporter sprach vor Ort mit zwei Malteser-Mitarbeiterinnen, die doch reden wollten. Freilich anonym. Sie sagten: „Ein Syrer und zwei Tadschiken, alle mit Corina infiziert, haben die Parchimer Einrichtung heimlich verlassen und waren tagelang verschwunden. Das sollte geheim gehalten werden!“ Damit infizierte Zuwanderer nicht mehr völlig unbehelligt mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch das Land fahren können, kontrollieren Polizisten – ausgestattet mit Passfoto-Listen von den Quarantäne-Migranten – die an der Haltestelle wartenden Passagiere. Trotzdem würden sich bisweilen bis zu 90 Zuwanderer in einen einzigen Stadtbus zwängen.
Trotz Kontaktsperren: Feiern fröhlicher Partys

Im und am Erstaufnahme-Heim von Schwerin herrschen weiterhin unhaltbare Zustände. Ein Insider weiß zu berichten: “Es gab kaum eine Trennung zwischen Quarantäne-Migranten, noch nicht getesteten Neuankömmlingen und potentiell Infizierten. Man stieg über Zäune, feierte mit den Kumpels Partys.“

Natürlich hat sich auch der „Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern“ warnend zu Wort gemeldet. Die Vorsitzende des Rates, Ulrike Seemann-Katz, erklärte, sie habe auf persönlichem Wege Fotos von „Geflüchteten“ erhalten, die belegten, dass die Hygiene- und Quarantäne-Anforderungen nur unzureichend eingehalten werden. Die Initiative „Bleiberecht für Flüchtlinge“ weiß sogar die Patentlösung für die Probleme: Das Heim solle sofort aufgelöst werden.

Nun wurde von der Landesregierung die Polizei-Präsenz vor Ort erhöht. Ebenfalls innerhalb des Heims sind die Kontrollen offiziell verschärft und die Hygiene-Standards hochgefahren worden. Zimmerbelegungen wurden reduziert. Angeblich stehen jetzt Gesichtsmasken und Handschuhe für Mitarbeiter in ausreichendem Maße zur Verfügung.

In der letzten Woche sah sich allerdings sogar der Innenstaatssekretär Thomas Lenz (CDU) angesichts der zunehmenden Unruhe in der Bevölkerung gezwungen, der Erstaufnahmeeinrichtung einen offiziellen Besuch abzustatten. Nach seiner Visite hatte er eine beschwichtigende Erklärung parat: „Ich kann mit gutem Gewissen versichern, dass alles dafür getan wird, mögliche Ansteckungsgefahren zu vermeiden.“

Anzeigen wurden erstattet – passiert ist nichts

Dieses offizielle Statement hat viele Anwohner in Rage gebracht. Sven K. zum Beispiel sagte der Bild-Zeitung: „Seit drei Wochen sind wir permanent Zeuge geworden, wie Asylbewerber unerlaubt die Einrichtung verlassen haben. Das haben wir mehrfach zur Anzeige gebracht, bei der Polizei, bei Behörden, beim Ministerium. Überall wurde uns gesagt, man kümmere sich. Passiert ist nichts!“ Dies bestätigt auch der Nachbar Frank P.: „Hier geht weiterhin die Post ab. Noch immer verschwinden Asylbewerber nachts durch Löcher im Zaun und werden teilweise von Autos mit bulgarischen, polnischen oder rumänischen Kennzeichen abgeholt.“

Den vorher angemeldeten Besuch des Staatssekretärs nennen die beiden Anwohner „eine Posse“, die sie an Honeckers DDR-Zeiten erinnere. Frank P.: „Es wurde vorher geputzt, es gab eine noch nie dagewesene Polizei-Präsenz, der Bus fiel aus und plötzlich liefen Asylbewerber mit Masken und nur in kleinen Gruppen. Herr Staatssekretär, kommen Sie mal, wenn Sie hier nicht angemeldet sind!“

Die Erklärung des Staatssekretärs aus dem Schweriner Innenministerium, alle Vorwürfe seien im Kern haltlos, empfinden die Anwohner als Affront. Auch die AfD-Oppositionsfraktion im Schweriner Landtag kritisierte die Zustände.

Dem Nordkurier zufolge wetterte der Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer: „Wir fordern seit Tagen, dass sich der Innenausschuss und die Presse im Flüchtlingsheim ein objektives Bild machen können. Nun plötzlich aber gibt der Staatssekretär Entwarnung. Das ist nicht nur selbstbewusst, das ist vor allem arrogant. Eine Überprüfung der Politik von dem, der eigentlich überprüft werden sollte, ist hanebüchener Unsinn.“ Kramer weiter: „Das Ministerium hat 30 Jahre nach dem Ende der DDR scheinbar wieder vergessen, was Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern heißt.“

Erst nach einem öffentlichkeitswirksamen Hin und Her hat sich der Innenausschuss des Landtages nun für eine Parlamentarier-Delegation in dieser Woche entschieden: Je ein Abgeordneter der fünf im Landesparlament vertretenen Parteien darf am Donnerstag nach Ostern anreisen, um sich ein eigenes Bild vor Ort machen zu können. Viele Bürger in Schwerin und anderswo in Mecklenburg-Vorpommern argwöhnen freilich, dass den Parlamentariern Potemkinsche Dörfer vorgeführt werden könnten, die mit der Wirklichkeit nur sehr wenig zu tun haben.

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