Zu einem Skandal ohne Nachspiel will man in Berlin offenbar den milliardenschweren Betrug um Klimaschutzprojekte abstempeln. In einer Aktuellen Stunde des Bundestags wollten die Grünen es sogar so hinstellen, als ob Bundesumweltministerin Steffi Lemke und das Umweltbundesamt (UBA) unter Dirk Messner vorbildlich gearbeitet und nach Aufdeckung der Betrügereien angemessen und zügig ab Februar reagiert hätten.
Dabei hatte das Ministerium noch im Januar die umstrittenen UER-Zertifikate, mit denen unter anderem chinesische Klimaschutzattrappen in der Wüste finanziert wurden, bis 2028 verlängern wollen. Das Auslaufen der Gutschriften aber begründete Lemke nicht etwa mit den vermuteten Betrugsabsichten – dazu rangen sich das UBA selbst im Mai noch nicht durch – sondern wegen einer EU-Richtlinien. So schreibt es die Tageszeitung Welt.
Der Schaden beläuft sich auf eine Milliardensumme, aber noch immer scheinen zahlreiche Medien der guten Sache wegen die Akte „Klimaschutzbetrug“ verschwinden lassen zu wollen. Dabei kann man Schaden und Verantwortliche sehr konkret benennen – während die Motivation groß ist, BMUV und UBA zu entlasten, ist sie ebenso groß, keine persönlichen Konsequenzen zu ziehen.
Die Welt berichtet weiter: Bei der kürzlich erfolgten Novelle zu den UER-Zertifikaten haben es die Verantwortlichen versäumt, neue Kontrollmechanismen einzubauen. Es gebe nun „keinerlei wirksame Sanktionen für die unter Betrugsverdacht stehenden Projektträger und die gefälschten Nachweise“, kritisiert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie: „Obwohl etwa 70 Prozent der Nachweise noch nicht abgerechnet wurden und daher noch vollumfänglich aberkannt werden könnten, verzichtet das BMUV auf diese Möglichkeit.“
Nicht nur Lemke und Messner stehen mittlerweile in der Kritik, sondern auch Bundesfinanzminister Christian Lindner. Als Chef der Zollverwaltung ist der FDP-Chef mitverantwortlich, dass Mineralölkonzerne womöglich gefälschte CO2-Zertifikate aus China weiterhin auf ihre Treibhausgasquote anrechnen können. Auf Nachfrage der Welt erklärte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums, dass dieses nicht tätig werden würde. Oder anders gesprochen: „Der Betrug geht weiter, obwohl die Beweise auf dem Tisch liegen“, so Rostek.
UER steht für „Upstream Emission Reduction verification“ und soll dazu führen, dass der Sektor seine Emissionen zurückfährt. Die Emissionen können dabei innerhalb wie außerhalb der Europäischen Union reduziert werden. Die Kosten für diese Reduzierung geben die Mineralölkonzerne wiederum an den Verbraucher ab. Der Knackpunkt: Viele Konzerne haben die Spritpreise mit Hinweis auf UER erhöht, doch die vermeintlichen Projekte zur Emissionsverminderung sind eine Fata Morgana. Auf diese Weise soll dem deutschen Steuerzahler ein Schaden von bis zu 4,5 Milliarden Euro entstanden sein.