Nicht nur der Krieg in der Ukraine und eine russische Handelssperre für Dünger drohen die Preise für Grundnahrungsmittel explodieren zu lassen. Der hohe Dieselpreis verteuert die Arbeit mit Traktoren. Grüne Gesetzgebung schränkt Ackerflächen ein. Doch es gibt noch einen weiteren Faktor, der bei der Preissteigerung eine Rolle spielt. Dass die Volksrepublik China bereits seit Jahren immer größere Mengen an Getreide, Mais und Sojabohnen hortet, schlägt sich auf die Weltwirtschaft nieder.
Dass die chinesischen Einkäufe insbesondere bei Weizen im letzten Jahr neuerlich zunahmen, veranlasste die italienische Tageszeitung Corriere della Sera sogar zur Annahme, China könnte Weizen gehamstert haben, weil es vom Kriegsbeginn durch Russland unterrichtet worden war. Die Importe steigen jedoch seit Jahren auch ohne Kriegsgefahr.
Weizenimporte stiegen um 16 Prozent, Maisimporte sogar um 152 Prozent zum Vorjahr
Dabei konzentrierte sich der Kauf zuerst auf Mais als Futtermittel für die expandierende Fleischwirtschaft im Reich der Mitte. 72 Prozent des importierten Mais werden als Futter verwendet, nur 4 Prozent für den menschlichen Verzehr. Während die Importzahlen zwischen 2015 und 2019 durchschnittlich 3 bis 5 Millionen Tonnen betrugen, waren es 2020 11,3 Millionen Tonnen und 2021 sogar 28,4 Millionen Tonnen – ein Rekord bei einer Steigerung von 152 Prozent zum Vorjahr.
Ein weiteres Getreide, auf das der Appetit Chinas in den letzten Jahren gewachsen ist, ist Gerste. Schon im Jahr 2010 hatte China einen Rekord mit fast 11 Millionen Tonnen aufgestellt, in den Folgejahren jedoch die Einfuhr zurückgefahren. Doch auch hier gibt es spätestens seit 2020 eine Wende: importierte die Volksrepublik damals schon 8 Millionen Tonnen, so waren es 2021 rund 12,5 Millionen – eine Steigerung von 54 Prozent.
Einzig bei Sojabohnen gibt es einen namhaften Rückgang – hiervon importierten die Chinesen rund 97 Millionen Tonnen, 2020 waren es noch 100 Millionen. Einer der Gründe: da Mais als Futtermittel die Sojabohne teilweise ersetzt, ist die Nachfrage geringer geworden. Zudem konnte China wegen Transportschwierigkeiten in Südamerika aufgrund von Hurricane-Warnungen einige bestellte Sojabohnen-Lieferungen nicht beziehen.
China hortet bald 50 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelreserven
Minter macht mehrere Faktoren für das Eichhörnchenverhalten aus: da ist in erster Linie die COVID-Krise und die Unsicherheit bezüglich Lieferketten. Zugleich hat das Land eine lange Geschichte katastrophaler Hungersnöte, die nicht nur Millionen das Leben gekostet haben, sondern auch so manchen Sturz chinesischer Dynastien verursachten. Gleichzeitig ermögliche die starke Währung bessere Importe. Zuletzt sehen die Roten Mandarine voraus, dass die zukünftige Urbanisierung auch im Reich der Mitte die Landwirtschaft weiter einschränken wird.
Doch auch, wenn zweifelhaft bleibt, inwiefern China seine Agrarkäufe auf dem Weltmarkt vom Wissen über den Ukraine-Krieg abhängig gemacht hat, zeigen sich zumindest seit dessen Ausbruch klare Muster. So hat China insbesondere bei den USA neue Lieferungen bestellt: chinesische Käufer hätten an einem Tag zehn Schiffsladungen Mais geordert. Auch bei Sojabohnen soll es Anfragen in großen Mengen geben. Nicht erst der Ausfall wegen mangelnder Lieferungen aus Russland oder der Ukraine, sondern bereits die Sorge vor der Krise veranlasst das Reich der Mitte dazu, für alle Fälle gewappnet zu sein. Die Zeche zahlt der Rest der Welt, wenn 20 Prozent der Weltbevölkerung 50 Prozent der strategischen Nahrungsmittelreserven horten.