Tichys Einblick
Parteitag in Peking

Xi Jinping schwört auf „schlimmste Fälle“ ein und vor allem auf fossile Energie

Xi Jinping, Chinas oberster Machthaber, erklärt vor dem Nationalkongress der Kommunistischen Partei: Man werde nicht aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen, bevor nicht sicher sei, dass »saubere« Energien diese zuverlässig ersetzen könnten.

Starke Worte zu Beginn des einwöchigen Parteitages der kommunistischen Partei Chinas. Das chinesische Volk solle sich auf die »schlimmsten Fälle vorbereiten«, so Staatschef Xi Jinping in seiner für chinesische Verhältnisse kurzen Rede – nur zwei Stunden. Doch gleichzeitig hat er die Bedeutung von Wissenschaft und Bildung sowie von Innovation betont und damit auch internationale Investoren beruhigt. Entwicklung und Technologie stünden weit oben, der Partei gehe es nicht nur um Ideologie, sondern auch um wirtschaftliche Stabilität, urteilen sie.

Die Energiesicherheit habe hohe Priorität, rief Xi Jinping aus. Seine Ansage an den grünen Westen: Das Land werde nicht aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen, bevor nicht sicher sei, dass »saubere« Energien diese zuverlässig ersetzen könnten.

»Auf der Grundlage von Chinas Energie- und Ressourcenausstattung werden wir Initiativen vorantreiben, um den Höhepunkt der Kohlenstoffemissionen in einer gut geplanten und schrittweisen Weise zu erreichen, gemäß dem Prinzip, das Neue zu bekommen, bevor das Alte weggeworfen wird.«

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China gilt als der weltweit größte Emittent von CO2. Im vergangenen Jahr rückte Kohle als Chinas wichtigster Brennstoff wieder in den Mittelpunkt, nachdem zuvor eine Verknappung zu weitreichenden Stromausfällen in Fabriken geführt und das Wirtschaftswachstum gebremst hatte. Das Land gelobte, die Förderkapazitäten zu erhöhen, und die Produktion ist in diesem Jahr auf ein Rekordniveau gestiegen, so dass die Lagerstätten gut gefüllt sind und die Importe zurückgehen.

Xi machte deutlich, dass fossile Brennstoffe und erneuerbare Energien Hand in Hand arbeiten müssen. »Die Kohle wird sauberer und effizienter genutzt werden, und wir werden die Planung und Entwicklung neuer Energiesysteme beschleunigen«, sagte er.

Interessant ist an diesen Einlassungen, dass Xi überhaupt auf die Anwürfe eingeht, China sei die größte CO2-Schleuder. Er könnte sie genauso gut höflich ignorieren. Vor zwei Jahren hat er bis 2060 »Kohlenstoffneutralität« versprochen und dabei den Klimaaktivisten ein wenig Honig ums Maul geschmiert. Die internationalen Klimaschutzverhandlungen brach Xi im Sommer nach der Visite der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Pelosi, in Taiwan ab.

Die chinesische Führung zeigt also, dass ihr klar ist: Ein Land benötigt verfügbare und preiswerte Energie. China baut neue Kohle- und Kernkraftwerke. Der Kohleverbrauch wird in diesem Jahr nach Einschätzung von Beobachtern den des Vorjahres übertreffen – und der war bereits Rekord. Die eigenen Förderkapazitäten wurden erhöht, nachdem zuvor eine Verknappung der Kohle zu erheblichen Stromausfällen in Fabriken geführt und das Wirtschaftswachstum gebremst hatte.

In einem Arbeitsbericht des Kongresses, der nach Xis Rede veröffentlicht wurde, steht außerdem, dass China auch die Erkundung und Erschließung von Öl- und Gasvorkommen ausweiten und die Reserven und die Produktion erhöhen wird. Ziel: die Energiesicherheit zu gewährleisten.

Eine für den Westen dramatische Entwicklung: Während europäische Energiekonzerne nicht mehr in Exploration und Förderung neuer Öl-, Kohle- und Gasvorkommen aufgrund grün geprägter Taxonomie-Regeln investieren dürfen, bemächtigt sich China bedeutender Energievorräte. So verschieben sich die weltpolitische Gewichte nach Osten. Denn über Aufstieg und Fall von Ländern entscheidet wesentlich immer noch die Energiefrage. 

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Xi versprach auch den Sieg im Kampf um die technologische Vorherrschaft. Die USA haben gerade den Bann auf amerikanische Chiptechnologie verschärft, die nicht mehr an China verkauft werden darf und damit Xi sehr verärgert. Sogar Amerikaner dürfen teilweise nicht mehr in Chinas Technologiesektor arbeiten. Das bremst chinesische Unternehmen massiv aus; ihr eigener Rückstand bei der Halbleiterproduktion ist signifikant. Chinas größter Chiphersteller kann gerade mal Chips im Größenbereich von 14 Nanometern produzieren, während Konkurrent Taiwan bereits bei drei und fünf Nanometern angekommen ist – ein Unterschied mit erheblichen Auswirkungen vor allem in wichtigen Zukunftsbereichen wie der sogenannten »Künstlichen Intelligenz«.

Doch zu Xi’s Aufrufen passen nicht jene verstörenden Bilder eilends hingestellter Containerdörfer, in denen Tausende unter dem Vorwand der Pandemiekontrolle festgesetzt werden. Internierungslager irgendwo im Niemandsland, in denen das Essen durch Klappen gereicht wird. Solche großflächigen Lockdowns in Verbindung mit Hightech erlauben weitreichende Überwachung und Kontrolle der Menschen. 

Xi lässt sich als Alleinherrscher feiern, doch sein China ist offenbar immer mehr eine auf Angst und Schrecken beruhende Gesellschaft. Corona diente ihm zuletzt als Mittel des Machterhaltes. Vermutlich kommt noch eine erhebliche eigene Angst vor einer Ansteckung hinzu. In der Pandemie hat er sich lange nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen.

Seine Willkürherrschaft könnte vielleicht auch der Grund sein, der den Aufstieg zur Hightech-Macht, die Taiwan, Korea oder gar den USA das Wasser reichen kann, letztlich verhindert. Diktatorische Verhältnisse, Angst und Schrecken vertragen sich nicht mit spitzentechnologischen Entwicklungen, die kreatives Denken und freies, eigenständiges Handeln und Entscheiden voraussetzen. Während der deutsche Facharbeiter seinem Vorgesetzten bei einer offensichtlichen Unsinnsanweisung sagt, »so geht das nicht«, ist das in China nicht möglich.

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Doch kein Zweifel: Xi will die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt stärken, fürchtet einen Einbruch des Handels und sieht von daher auch distanziert das Kriegsabenteuer seines russischen Nachbarn an. Er fürchtet auch Armut und Hunger unter seinen 1,4 Milliarden Einwohnern, zu frisch sind noch die Erinnerungen an viele Millionen Tote unter der Herrschaft von Mao. Offiziell wird eine Arbeitslosigkeit von immerhin 20 Prozent angegeben.

Xi versucht das Land weniger abhängig von den USA zu machen, Wissenschaftler und Ingenieure anzuziehen und in den wichtigen Bereichen wie Luft- und Raumfahrt und Biotechnologie zu fördern. Bezeichnend, dass die erste mit Quantenkryptografie verschlüsselte Videokonferenz einst zwischen Peking und Wien stattfand. China förderte früh den Quantenphysiker Anton Zeilinger, den diesjährigen Physiknobelpreisträger, in seinen Arbeiten in der Quantenkommunikation und startete sogar einen eigenen Satelliten, der nur für Quantenexperimente entwickelt wurde. Zeilinger klopfte übrigens zuvor bei der EU an, doch die wies ihn ab.


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