Tichys Einblick
Signal & Co angeblich „hochriskant"

Brüssel lässt beim neuesten Vorstoß zur Chatkontrolle die Masken fallen

Trotz des Debakels bei der versuchten Durchsetzung der verpflichtenden Chatkontrolle hat die EU eines ihrer Lieblingsprojekte noch lange nicht aufgegeben. Der nächste Vorstoß richtet sich nun ausgerechnet gegen einige der sichersten Messenger-Dienste, die somit zum „Taschenspion“ werden sollen.

IMAGO / Frank Ossenbrink

Die verpflichtende Chatkontrolle erlitt vor einigen Monaten eine herbe Absage durch das EU-Parlament. Als dann noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Chatkontrolle als menschenrechtswidrig einstufte, schien das Schicksal des massiven Überwachungsprojekts aus der Feder von EU-Kommissarin Ylva Johansson besiegelt. Doch so leicht lassen sich die Brüsseler Kontrolleure die Butter nicht vom Brot nehmen. Zur Überbrückung der Zeit bis zum nächsten Vorstoß wurde zunächst die freiwillige Chatkontrolle verlängert. Doch der nächste Angriff auf den Datenschutz ließ nicht lange auf sich warten.

Denn nun drang ein neues Dokument an die Öffentlichkeit, aus dem hervorgeht, dass der belgische EU-Ratsvorsitz ausgerechnet die verschlüsselten Messenger-Dienste wie Signal und Protonmail ins Visier nimmt und diese zur Chatkontrolle verpflichten möchte. Die Belgier bescheinigen dabei den als besonders sicher und datenschutzfreundlich geltenden Messenger-Diensten ein angeblich „hohes Risiko“, da diese „anonyme Profile oder Zugriffe ohne Benutzerkonto“ ermöglichen und „verschlüsseltes Messaging“ anbieten.

Um diesem vermeintlichen Problem zu begegnen, sollen diese Dienste nun verpflichtendes „client-side-scanning“ einführen, wodurch Nachrichten bereits vor der Transportverschlüsselung direkt auf den Endgeräten mitgelesen werden könnten. Jene Dienste, die also vor allem aufgrund ihrer Datensicherheit genutzt würden, würden so „mit einem Update zum persönlichen Taschenspion werden“, so die Informatikerin und Spitzenkandidatin der Piratenpartei zur Europawahl, Anja Hirschel.

Ihr Parteikollege Patrick Breyer gehört zu den vehementesten Kämpfern gegen die Einführung der Chatkontrolle. „Ausgerechnet die bisher datenschutzfreundlich anonym nutzbaren Kommunikationsdienste wie Protonmail sollen per Verpflichtung zur Chatkontrolle zu den extremüberwachtesten Diensten werden“, warnt Breyer. „Die EU-Regierungen wollen gegen Vertraulichkeit und Sicherheit unserer digitalen Kommunikation insgesamt in den Krieg ziehen. Alles, was das Internet und digitale Kommunikation ausmacht und moderne Lebensrealität ist, ist für die EU-Innenminister ein zu bekämpfendes Risiko.“

Mit ihrem neuerlichen Vorstoß zur Durchsetzung der Chatkontrolle lässt die EU endgültig die Masken fallen, denn die plötzliche Risikoeinstufung ausgerechnet der datenschutzrechtlich sichersten Chat- und Messenger-Dienste offenbart, dass es in Anbetracht der vielfachen Kritik an der Effizienz der Chatkontrolle zum angeblichen Kinderschutz keineswegs darum geht, die bestmögliche Lösung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu finden, sondern um die totale Transparenz digitaler Kommunikation zu ermöglichen. Mittlerweile richteten auch 50 NGOs und 26 Wissenschaftler einen Brandbrief an die EU, in dem sie noch einmal die Gefahr der Chatkontrolle als Mittel zur anlasslosen Massenüberwachung unterstreichen.

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