Tichys Einblick
Rekonstruktion einer skurrilen Nachtsitzung

CDU-Vorstand votiert für Laschet – schwieg Merkel für Söder?

In einer skurrilen nächtlichen Sitzung votiert der CDU-Vorstand für Armin Laschet und macht den Sack fast zu. Ob Markus Söder weiterspielt? Nur Eine bleibt indes sehr still.

IMAGO / Political-Moments

Es ist wohl das Sinnbild der Union des gestrigen Abends: Als um Mitternacht nach langer, aufzehrender Sitzung des CDU-Bundesvorstandes über den Kanzlerkandidaten abgestimmt werden soll, versagt die Technik. Mitglieder haben Zweifel ob eine geheime Abstimmung so möglich sei, andere bemängeln, sie hätten keinen Zugangslink bekommen, bei manchen liegt der im Spamordner. Es steht schon die Frage im Raum, ob man die Sitzung verschieben und in Präsenz stattfinden lassen sollte – in diesen Zeiten könnte eine solche Verschiebung die Lage entscheidend verändern. Dann klappt es doch noch und ein peinliches Politikum wird geradeso nochmal abgewendet.

Hart aber Fair
Spektakuläre Fassadenkämpfe! Aber gibt es irgendeinen Kanzlerkandidaten mit Inhalten?
Vor allem eines macht das Beobachten dieser nur mäßig geheim gehaltenen geheimen Sitzung so anstrengend – das unendliche Reden um den heißen Brei herum, die unendliche Vorsicht. Jeder beteuert seine ergebenste Loyalität, seine Bereitschaft, gemeinsam Wahlkampf zu führen, egal mit welchem Kandidaten. Man selbst habe ja überhaupt keine Meinung, man wolle ja nur auf die Stimmung der Basis oder die Hämorrhoiden der Demoskopen hinweisen. Dann am Ende, nach sechsstündiger Sitzung stimmt man ab – erst ob man geheim abstimmen wolle, dann ob heute überhaupt über diese Frage. Und dann endlich: Laschet sagt, er rufe jetzt Markus Söder an. Er hat gewonnen. Gut Zwei Drittel sind für Laschet, der Rest ist gegen ihn oder hat sich enthalten.

Es ist ein Stolperstart, alles andere als eine Machtdemonstration, aber am Votum des CDU-Vorstandes kommt Söder nur schwer vorbei. Zudem gestand der bei seiner gestrigen Pressekonferenz nach langem Rumgeeiere ein, dass er auch ein alleiniges Votum des CDU-Vorstandes akzeptieren würde. Eigentlich wollte er aber eine „breite“ Entscheidung, er könnte jetzt also darauf pochen, die Fraktion noch anzuhören. Oder die im Laufe der gestrigen Sitzung immer wieder ins Spiel gebrachte Kreisvorsitzendenkonferenz. Eigentlich, wenn Söder seinen Worten treu bliebe, müsste er aber am Dienstag zurückziehen.

Das interessanteste Ereignis des Abends ist aber das, was nicht stattgefunden hat: Merkels Beitrag. Will sie einfach zusehen, wer zu ihrem Nachfolger wird?

Wunsch für Wirklichkeit
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Warum ergreift sie nicht für Armin Laschet Partei? Sie muss es ja gar nicht laut tun, aber man hört auch nicht, dass sie in irgendeiner Weise im Hintergrund Einfluss nehme. Ihr Schweigen könnte dadurch erklärt werden, dass sie das will, was sie nicht aussprechen kann, das, was nach gängiger Meinung unpassend aber eigentlich logisch ist: Schließlich tut Markus Söder seit einem Jahr nichts anderes als Merkels Nächster zu sein.

Während Armin Laschet als vordergründig rheinische Frohnatur herumstolpert, im Hintergrund aber natürlich ein Strippenzieher mit eigenem Machtgerüst ist, ist Markus Söder allein auf der Suche nach den Fußstapfen der Kanzlerin. Mit Söder wäre die CDU als eigenständiger Machtapparat wirklich tot, das könnte ganz in Merkels Sinne sein. Und der Umfrage-König aus Franken dürfte ähnlich schnell entgleisen, wie 2017 der Schulz-Zug.

Eine der klarsten Wortmeldungen des Abends kommt vom Merkel-Vertrauten Peter Altmaier. Der sagte völlig überraschend, dass es außer NRW keinen Landesverband gäbe, der Armin Laschet wolle und man auf die Basis hören sollte – für CDU-Verhältnisse sind das klare Worte für Söder. Und das obwohl der Franke Altmaier bereits einmal aus dem Kabinett schmeißen wollte. Wie soll das zu erklären sein?

Am Ende hat sich das Parteiestablishment mit Mühe durchgesetzt, Schäuble und Bouffier stützten den angeschlagenen Rheinländer. Markus Söder muss jetzt entscheiden. Kämpft er weiter und riskiert eine immer größere Blamage oder lenkt er gespielt staatsmännisch zum „Wohle der Parteienfamilie“ ein. Entscheidend ist wohl, wie gut Laschets Freunde wirklich sind. Und ob Merkel für Söder schweigt.

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