Julia Klöckner, rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende und eine von fünf Merkel-Stellvertretern in der Partei, hat sich mit den Kirchen angelegt. Aber nur ein bisschen. Die Kirchen stehen sonst und vor allem in Sachen „Flüchtlinge“ stramm an der Seite von Merkel, Laschet und Co.
Was ist Frau Klöckner über die Leber gelaufen? Schlicht und einfach eine Weihnachtspredigt des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm. Dieser hatte darin Donald Trumps „America first“ als symptomatisch für weltweit erstarkenden Nationalismus angeprangert. Klöckner dazu: Sie halte Trump für hochproblematisch, sagte die Katholikin der „Bild“-Zeitung am 27. Dezember: „Aber er ist nun einmal demokratisch gewählt, und am Ende ein Mensch mit der gleichen Würde und dem gleichen Wert wie andere auch.“ Auch wenn er ein Hassprediger sein soll, wie der damalige Noch-nicht-Bundespräsident Steinmeier im August 2016 meinte. Das hat Klöckner nicht gesagt; und es ist wohltuend, dass sie nicht in den blinden Anti-Trump-Wahn verfällt. Und auch ansonsten setzt sie sich ganz vorsichtig von der Kanzlerin ab.
Jedenfalls missfällt es der CDU-Frau, wenn die Kirchen zur Tagespolitik Stellungnahmen abgeben. Wörtlich: „Es kommt vor, dass aus manchen Kirchenkreisen mehr zum Thema Windenergie und Grüne Gentechnik zu hören ist als über verfolgte Christen, über die Glaubensbotschaft oder gegen aktive Sterbehilfe“, sagte Klöckner. Und weiter: Zwar fordere die christliche Botschaft „gesellschaftspolitische Haltung“, es sei aber wichtig, „dass Kirchen nicht parteipolitische Programme übernehmen“. Stattdessen wünscht sich Klöckner von den Kirchen: „Sie sollen uns immer wieder überraschen, die wahre christliche Botschaft ist ja eine Zumutung: Liebe auch Deine Feinde, und wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Die Bibel bezeichnete Klöckner als guten persönlichen Kompass.
Nun, wo Klöckner Recht hat, da hat sie Recht. Die Kirchentage etwa der evangelischen und (!) der katholischen Kirche dürfen nicht noch mehr zu einem Surrogat für Parteitage werden. Und schlaue Sprüche der obersten Militärexpertin und vormaligen EKD-Vorsitzenden Margot Käßmann sind auch alles andere als hilfreich.
Was aber ist von Klöckners Kritik sonst zu halten? Da sind denn doch einige Kroko-Tränen im Spiel: Krokodils-Tränen, nicht Tränen um eine bevorstehende GroKo! Sie ist inmitten der sauren journalistischen Gurkenzeit zwischen den Jahren dem Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“, Ulf Poschardt, beigesprungen, der vielen Konservativen aus dem Herzen sprach. Poschardt kritisierte viele Weihnachtspredigten als zu politisch. „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht”, schrieb er auf Twitter. Dafür ist er von der Riege der Linken und Grünen abgekanzelt worden; Jürgen Trittin hat ihm das Foto einer entleerten Weihnachtskrippe geschickt. Angeblich kann man nur Christ sein, wenn man die Einwanderungspolitik Merkels bedingungslos verfolgt, alles andere ist AfD. Das war die arrogante Botschaft des als eifrigen Kirchgängers nicht bekannten grünen Polemikers. Da hilft es schon, wenn sich Politiker und Journalisten dagegen wehren, wenn von den Kanzeln Politik für die Kanzlerin gemacht wird, weil die grüne Politik macht, immer mit den höchsten, sich selbst erteilten Weihen.
Sehr willkommen freilich ist es der Kanzlerin, wenn die beiden großen Kirchen die Claqueure geben und sich zustimmend zur real existierenden, „alternativlosen“ Politik Merkels äußern. Als es um die „Flüchtlingskrise“ ging, standen die allermeisten Oberhirten an Merkels Seite. Darauf und auf deren ökumenischen Schulterschluss konnte sich Merkel verlassen. Alles an Merkel gefiel den Bischöfen – von wenigen Bischöfen abgesehen, die wenigstens schwiegen: die Grenzöffnung, der Widerstand gegen eine Obergrenze, der Familiennachzug, die Kritik an der AfD, die Kritik an Ungarn … „Höchsten Respekt“ bekundete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, im Februar 2016 der Kanzlerin. Oder der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki: Er ließ sich Anfang September 2017 am Rhein mit Schwimmweste filmen, um auf die oft tödliche Fluchtroute über das Mittelmehr – „sprachlos“, wie er sagte – aufmerksam zu machen. Und erst der Papst! Soeben hat er die Weihnachtsgeschichte, namentlich die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten, in den Zusammenhang mit der „Flüchtlingskrise“ gestellt.
Etwas boshaft sei noch eine andere Parallele gezogen. Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, hatte erst wenige Tage vor Weihnachten die Kirchen in einem Interview mit FOCUS hart kritisiert. Weidel wörtlich: „Wir wissen mittlerweile, dass die Amtskirchen, egal ob evangelisch oder katholisch, durch und durch politisiert sind. Die Trennung von Staat und Kirche wird nicht mehr eingehalten.“ Und sie fügte hinzu, die AfD sei die „einzig christliche Partei“. Da hätte Frau Klöckner prächtig kontern können: „Frau Weidel, mal halblang, wir von der CDU haben das C sogar im Namen! Und Sie?“ Allerdings auf die Gefahr, nach dem konkrten aktuellen Inhalt von C gefragt zu werden.