Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) kündigte die Einrichtung einer speziellen Verfassungsschutz-Einheit an, die gegen Desinformation und mutmaßliche Manipulationsversuche im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 vorgehen soll. Der Minister warnte ausdrücklich vor „ungefilterten Meinungen“ auf sozialen Medien und den Risiken, die von Falschnachrichten und gezielter Einflussnahme ausgehen.
Poseck erklärte, die Verbreitung von Falschnachrichten habe durch soziale Medien und neue Technologien wie künstliche Intelligenz eine neue Dimension erreicht. „Auf den Plattformen der sozialen Medien sammeln sich zum Teil ungefiltert Meinungen, darunter auch gezielte Falschnachrichten“, so Poseck. Besonders problematisch seien ausländische Akteure, die versuchten, „das Vertrauen in Institutionen und demokratische Prozesse zu untergraben“.
Als Beispiel nannte er die gezielte Verbreitung von Falschnachrichten durch Russland im Kontext des Ukraine-Krieges und die „Einmischung des Chefs der Plattform X, Elon Musk, in politische Inhalte in Europa“. Zudem kritisierte Poseck die Entscheidung von Meta-Chef Mark Zuckerberg, die Faktenprüfung auf Facebook und Instagram einzustellen, als „kein gutes Signal“. Dass Zuckerberg die Faktenprüfung wegen der aufgetretenen Fehler und gezielten Falschinformation durch sogenannte „Faktenchecker“ abgeschafft hat, ist noch nicht bis Wiesbaden vorgedrungen.
Geheimdienst und Denunziationsportale
Im Kampf gegen Desinformation will Hessen nun verstärkt auf die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden, Cybersicherheitsexperten und internationalen Regulierungen setzen. Dafür wurde im Landesamt für Verfassungsschutz eine temporäre „Sonderauswertungseinheit“ eingerichtet. Diese soll Informationen über mögliche Desinformationskampagnen und Extremismus schneller bündeln und auswerten. Ziel sei es, Manipulationsversuche frühzeitig zu erkennen und wirksame Gegenmaßnahmen zu koordinieren, heißt es da.
Poseck betonte, dass die Gefahr durch Desinformation weit über den politischen Bereich hinausgehe. „Auch im Kontext kritischer Infrastrukturen kann Desinformation erhebliche Sicherheitsrisiken mit sich bringen, besonders wenn Falschinformationen gezielt genutzt werden, um die Bevölkerung zu verunsichern oder Systeme zu destabilisieren“, so der Minister. Er forderte, dass soziale Medien mehr Verantwortung übernehmen und technische Maßnahmen gegen Desinformationen ergreifen. Falls dies nicht gelinge, schloss er strengere Regulierungen nicht aus. „Die technischen Möglichkeiten zur Erkennung von Desinformationskampagnen müssen ausgeschöpft werden“, betonte Poseck.
Was allerdings „Desinformation“ sein soll begründet der Minister nicht. Waren beispielsweise Warnungen vor Impfschäden bei der Corona-Kampagne „Desinformation“, und wann wird „Desinformation“ zur Information? Wer entscheidet darüber? Wird dafür eine staatliche Zensurbehörde eingerichtet, oder dürfen Beamte des Inlandsgeheimdienstes darüber befinden? Sind Hinweise auf manipulierte Auszählungen bei Wahlen, auf die TE beispielsweise bei den Landtagswahlen in Berlin hingewiesen hat, „Desinformation“ – auch wenn sich diese Vorwürfe bestätigen und letztendlich zur Wahlwiederholung führten?
Ist also Desinformation, wenn kritisch über einen Vorgang berichtet wird – oder ist es Desinformation, wenn staatliche Stellen und Parteien wider besseren Wissens die Unwahrheit behaupten, weil es ihnen besser in den Kram passt? Sind die angeblichen „Hetzjagden von Chemnitz“, die es schlicht nicht gab, eine „Desinformation“ der damaligen Bundeskanzlerin? TE hat damals nachgewiesen und mittlerweile sogar gerichtlich Recht erhalten, dass es keine Desinformation war. Wer also lügt – Journalisten die recherchieren oder Beamte und Politiker, die ihre auf falschen Fakten beruhende Maßnahmen verteidigen oder manipulativen Absichten berschleiern wollen?
Darauf gibt der hessische Landesminister keine Antwort. Es bleibt die Anmaßung, dass die Politik entscheiden soll, was veröffentlicht und was von ihm und seinen Behörden unter den Teppich gekehrt werden darf. Man nannte das bislang Zensur. Jetzt soll sie in Hessen wieder eingeführt werden, inklusive Aufruf zur Denunziation und Einsatz von Geheimdienst gegen Bürger.
Die Ankündigung sorgte für sehr laute Kritik. Dem CDU-Minister wird vorgeworfen, durch die Formulierung „ungefilterte Meinungen“ die Grenze zwischen freier Meinungsäußerung und Desinformation ganz bewusst zu verwischen. In den sozialen Medien wird ganz klar gesehen, dass Maßnahmen wie diese die Meinungsfreiheit einschränken sollen, obwohl Poseck selbst erklärte, der Schutz der Meinungsfreiheit sei ein zentraler Bestandteil der geplanten Maßnahmen.
— Florian Gallwitz (@FlorianGallwitz) January 15, 2025