Partei-Zeitungen haben ein Problem. Sie sind langweilig. Zumindest grundsätzlich: Alles ist innovativ, nachhaltig und heile Welt. Kurzum: Friede, Freude, Eierkuchen. Es sei denn, es geht um den politischen Gegner. Dann ist wiederum alles falsch. Und wenn es in ganz seltenen Fällen nicht komplett falsch ist, dann doch mindestens zu spät, zu wenig oder zu langsam.
Spannend kommt aber davon, etwas zu spannen. Auch Positionen. Die CDU versucht in Rheinland-Pfalz den Korridor unterschiedlicher Meinungen in der Partei zu vergrößern und Widersprüche zuzulassen. So hat sich auf https://blog.cdu-rlp.de der Wirtschaftsflügel schon mit den Vertretern der Arbeitnehmer über das Thema Mindestlohn gestritten. Weitere solcher „Pro und Contras“ sind geplant. Wobei die Partei ein Verb wie „streiten“ in der Selbstdarstellung vermeidet. Negativ-Botschaften sollen schließlich nicht gesetzt werden.
So ist es denn ein Eierlauf, ein eigenes Informationsangebot aufzubauen, das zwar für die CDU wirbt, aber nicht gänzlich langweilig ist. Der Blog sei eine Ergänzung zum Newsletter, antwortet die CDU auf Nachfrage von TE – und anders als der Newsletter auch an eine Öffentlichkeit außerhalb der Partei gerichtet. „Die wertvolle und unverzichtbare Arbeit (von Journalisten) konterkarieren“ wolle die CDU keinesfalls.
Und doch ist es ein Projekt, in das die Partei Zeit investiert: Parteichefin Julia Klöckner schreibt eine Kolumne. Weitere Gastbeiträge aus den eigenen Reihen sind vorgesehen. Darin werde es auch um den innerparteilichen Reformprozess gehen. In einem künftig noch zu tätigenden Schritt seien lokale Pilotredaktionen denkbar, antwortet die CDU an TE. Diese Lokalredaktionen könnten über ihre Arbeit vor Ort berichten. Derzeit füllt vor allem die Newsletter-Redaktion die Seiten des Blogs.
Die Partei betont zwar, nicht mit journalistischen Angeboten konkurrieren zu wollen. Doch in manchen Bereichen sind diese Angebote ganz von sich aus verschwunden. Vor allem wenn es um Landespolitik geht. Die Zeitungslandschaft hat in Rheinland-Pfalz gerade erlebt, dass wichtige Korrespondenten in die Politik gewechselt sind. Und es kommt immer häufiger vor, dass sich in den vier Quasi-Monopol-Zeitungen nichts davon findet, worüber der Landtag am Tag zuvor debattiert hat. Komplexe Themen haben es besonders schwer. So saniert das Land seinen eigenen Haushalt auf Kosten der Kommunen oder gleicht mit hohen Fallpauschalen in Krankenhäusern den Fakt aus, dass sie diese selbst nicht ausreichend finanziell ausstattet. Solche Themen fallen aber durch ein Netz an Berichterstattung, das immer mehr von seinen Löchern definiert wird. Kampagnen kann die oppositionelle CDU zu diesen Themen daher nicht starten.
Auch die Mitarbeiter des Landes machen sich Gedanken. Regierungssprecherin Andrea Bähner äußerte sich schon vor Jahren öffentlich über einen möglichen „Newsroom“, auch mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die Finanzierungskrise der Zeitungen. Zuerst war von fertigen Beiträgen die Rede, die öffentlich zugänglich sein sollen. Doch als Journalisten darüber berichteten – und Verleger sich beschwerten -, machte Bähner deutlich, dass sie nur an fertige Beiträge für Journalisten gedacht hätte. Zwischen Verlegern und Regierung herrscht seitdem Frieden, und der Newsroom ist für Journalisten folglich kein Thema mehr.
Regierungen müssen allerdings auch aufpassen. Einschlägige Urteile haben ihnen Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, journalistischen Angeboten Konkurrenz zu machen. Parteien dürfen dies hingegen. Die SPD selbst ist zum Beispiel ein bedeutender Verleger. Ihr gehört die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG). Auch wenn diese fast nur noch über Minderheits-Beteiligungen verfügt, hat sie einen langen Arm. Die Frankfurter Rundschau sollte nach der Umbenennung der PDS in Die Linke tendenziös über die reformierte Partei berichten. Wolfgang Storz weigerte sich. Er war Chefredakteur der Frankfurter Rundschau. Bis zu seiner Weigerung. Dann wurde er entlassen. Was aber nichts mit der Weigerung zu tun gehabt hätte, wie die DDVG seinerzeit betonte.
Dass die DDVG fast nur noch über Minderheitsbeteiligungen verfügt, ist historisch gewachsen. In der Kaiserzeit kam die SPD in der Presse nur als Problem vor. Damals waren die Zeitungen konservativ-monarchisch geprägt. Um ihren Positionen Verhör zu schaffen, gründete die SPD eigene Zeitungen. Sie wurden teils groß und einflussreich. Im Zeitungssterben der 1970er fusionierten diese dann mit lokalen Tageszeitungen, an denen die DDVG entsprechend Beteiligungen erhalten hat.
Im Internet gibt es nicht das Problem steigender Druckkosten. Auch die Vertriebskosten fallen bedeutend geringer aus. So ist denn die Entwicklung eigener Produkte vor allem für die Parteien naheliegend, deren Positionen in anderen Medien nicht mehr vorkommen. Allerdings sollten die Angebote spannend sein, um tatsächlich gelesen zu werden.