Tichys Einblick
Neustart nach Merkel

CDU in Rheinland-Pfalz spricht sich für ein Comeback der Wehrpflicht aus

Der rheinland-pfälzische CDU-Chef Christian Baldauf hat sich für die Rückkehr zur Wehrpflicht und zu sozialen Ersatzdiensten ausgesprochen. Das gehört zum langen Weg der Christdemokraten, die sich nach 16 Jahren Angela Merkel wieder selbst finden müssen.

IMAGO/Deuzmann

Trotz Friedrich Merz. Trotz des erfolgreichen Ausbremsens von Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) bei der Impfpflicht. Die Ära Angela Merkel ist für die CDU noch nicht vorbei. Die Partei zahlt mit Wahlniederlagen für Fehler der Kanzlerin – und sie leidet an der inhaltlichen Leere, die nach Merkels Regieren nach Meinungsumfragen den Christdemokraten geblieben ist.

Die saarländische CDU liegt noch in Trümmern. Noch ist unklar, wer Tobias Hans als Parteichef im Land beerbt. Wird es jemand wie der Favorit, Landtagspräsident Stephan Toscani, dann muss der medial aufgebaut werden. Gerade in der Landespolitik kein leichtes Unterfangen – ist sie doch das Stiefkind der politischen Berichterstattung. Generell. Und erst recht im Saarland, das mit der Saarbrücker Zeitung und dem Saarländischen Rundfunk über eine besonders schwache publizistische Landschaft verfügt.

Viel besser sieht es in Rheinland-Pfalz nicht aus. Da gibt es vier Zeitungen statt nur einer Zeitung. Aber die kleben – Deutschland 2022 – der sozialdemokratischen MInisterpräsidentin Malu Dreyer (SPD) an den Lippen. Für einen christdemokratischen Bewerber ist es da schwer, Bekanntheit aufzubauen – und ein Profil. Wobei Christian Baldauf und die rheinland-pfälzische CDU bisher selbst viel dazu beigetragen haben, dass das nicht klappt. Doch ein Jahr nach der eigenen Wahlniederlage fangen sie an aufzuräumen.

Baldauf vereint nun die Ämter des Landesvorsitzenden und des Fraktionsvorsitzenden im Landtag in einer Person. Die ohnehin geringe Aufmerksamkeit für Landespolitik sammelt sich so in einer Person, sodass diese in der Öffentlichkeit entsprechend aufgebaut werden kann. Dass Baldauf damit 2026 auch für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren wird, ist so sicher, wie es so lange im Voraus nur sicher sein kann.

Bisher ist Baldauf aber politisch auch zu sprunghaft erschienen. Statt an einem Thema dran zu bleiben, ist er von einem zum anderen gesprungen – war immer für das, wofür der Zeitgeist gerade war. Nun versucht er, sich mit politischen Themen langfristig festzulegen und so als Politiker mit Substanz wahrgenommen zu werden. Diese neue Ausrichtung beginnt er mit dem Thema „allgemeine Dienstpflicht“. Gemeint ist damit eine Rückkehr zur Wehrpflicht und zu entsprechenden Ersatzdiensten.

Um das Thema zu setzen, wählt Baldauf nicht die große Bühne. Nicht die Pressekonferenz und erst recht nicht den nächtlichen Tweet. Sondern den eigenen Blog. Das ermöglicht ihm, dieses Thema jenseits der politischen Schlagzeile zu setzen. Statt nur einer Überschrift auch Inhalte zu liefern. Und diese in einen Kontext zu stellen: Für Baldauf wäre die Rückkehr Teil eines „gesellschaftlichen Aufbruches“.

Angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine stellt Baldauf die Frage, „ob Deutschland und Europa für diese geopolitische Zäsur hinreichend gewappnet sind“. Seine Antwort lautet nein. Zwar müssten Krisen, wenn möglich, diplomatisch gelöst werden, aber um ernst genommen zu werden, müsse ein Land auch militärisch stark aufgestellt sein. Da fällt Baldaufs Urteil vernichtend aus. Nach 16 Jahren einer von der CDU gestellten Kanzlerin gilt für Baldauf: „Unser Staat muss wieder verteidigungsfähig werden – im Innern wie auch nach Außen.“ Zu lange habe sich das Land mit Nebensächlichkeiten wie dem Gendersternchen aufgehalten, jetzt müsse es wieder die Geopolitik in den Mittelpunkt rücken.

Geld allein werde nicht reichen. Der Christdemokrat fordert stattdessen die Bürger auf, mehr Ideeles für den Staat einzubringen: „Er kann unsere Sicherheit und unser Wohlergehen nur dann gewährleisten, wenn wir alle unseren Beitrag leisten und die Sicherheit und Freiheit unseres Landes stärker als bisher zu unserem eigenen persönlichen Anliegen machen.“ Als Voraussetzung bedeute das Identifikation mit dem Staat und seinen Werten. In der Praxis müssten die Bürger Aufgaben übernehmen. Etwa in der Armee: „Ich spreche mich daher für eine allgemeine Dienstpflicht aus“, sagt Baldauf.

Unter dieser allgemeinen Dienstpflicht versteht er auch, aber nicht nur, die Wehrpflicht. Auch in der Blaulichtfamilie sollten sich „junge Männer und Frauen“ einbringen: also Rotes Kreuz, Feuerwehr oder Technisches Hilfswerk. Denn diese würden „die Widerstandsfähigkeit unseres Landes gegen zivile Krisen und Naturkatastrophen, aber auch gegen militärische Bedrohungen stärken“. Das gelte ebenfalls für den sozialen Bereich wie etwa die Pflege. Bevor es eine solche allgemeine Dienstpflicht gebe, braucht es laut Baldauf „eine geordnete gesellschaftliche Debatte mit allen Beteiligten“. In dieser sollten dann auch die praktischen Details geklärt werden, wie die allgemeine Dienstpflicht aussehen soll.

Die Ära Angela Merkel ist für die CDU noch nicht vorbei. Ihr drohen noch weitere Niederlagen als Konsequenz aus dieser Zeit – zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Doch die ersten beginnen mit den Aufräumarbeiten. Etwa Christian Baldauf in Rheinland-Pfalz.

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