Wer vor wenigen Tagen noch gehofft hatte, die CDU werde sich in Baden-Württemberg in Fragen des amtlichen Genderns wider Erwarten doch noch entschieden gegen den grünen Koalitionspartner stellen, wurde nun eines Besseren belehrt. Nachdem Innenminister Thomas Strobl den Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens gegen das amtliche Gendern abgelehnt hatte, kündigte er auf Druck der CDU-Fraktion unter Führung von Manuel Hagel einen Erlass an, der den von dem Initiator des Volksbegehrens, Klaus Hekking, vorgelegten Gesetzentwurf inhaltsgleich ersetzen sollte.
„Der Ministerrat stellt klar, daß die Landesverwaltung in ihrem Schriftverkehr angehalten ist, eine adressatengerechte, verständliche und geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Jedes Ressort trägt in seinem Geschäftsbereich dafür Sorge, im formalen Schriftverkehr der Landesverwaltung mit dem Ministerrat, dem Landtag, den Institutionen des Bundes, den Institutionen der Europäischen Union und mit vergleichbaren Adressaten sowie in Verwaltungsakten das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung und die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung einzuhalten. Eine entsprechende Veröffentlichung ist im BW-Portal vorzunehmen.“
Bei einem solchen Beschluss handelt es sich um eine bloße Absichtserklärung ohne jede Rechtswirksamkeit, worauf am Tag darauf im Landtag von Baden-Württemberg vom Fraktionsvorsitzenden der FDP, Hans-Ulrich Rülke, auch zurecht hingewiesen worden ist. Seine Fraktion hatte das Thema Gendern erneut auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem sie zu Beginn des letzten Jahres mit einem Vorstoß gegen das amtliche Gendern am Widerstand der Grünen, der CDU und der SPD gescheitert war. Danach startete Hekking sein Volksbegehren, dem vor Monaten nicht nur Rülke, sondern auch der Fraktionsvorsitzende der CDU, Manuel Hagel, im Namen seiner Fraktion seine Unterstützung zugesichert hat. Beide haben das Volksbegehren daher auch selbst unterschrieben.
Dass insbesondere die Grünen keineswegs geneigt sind, dies zu tun, zeigte sowohl die Debatte über den Beschluss der Landesregierung wie auch die Stellungnahme von Kretschmann im Anschluss an die Ministerratssitzung vom 30. Januar. Dort erklärte er das Gendern zu einer bloßen Geschmacksfrage, bei der es, wie in der Malerei, allein um die Frage gehe, ob jemand zum Beispiel Picassos Bilder schöner finde als die Bilder von Chagall. Es solle daher jedem Einzelnen überlassen bleiben, ob und wie er gendert. Von irgendeiner Absicht, das gegen das amtliche Regelwerk verstoßende Gendern mit Sonderzeichen im amtlichen Schriftverkehr wirksam zu unterbinden, war nichts zu hören. Gesendet wurde vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten stattdessen die Botschaft: Chacun à sa facon (Jeder, wie er will).
In dasselbe Horn stieß einen Tag später im Landtag Oliver Hildenbrand, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Sprecher für Innen- und Queerpolitik. Er erklärte den öffentlichen Streit um das Gendern zu einer Phantomdebatte, da es im Land keinerlei Genderzwang gebe, weder im öffentlichen noch im nicht-öffentlichen Bereich. Bei dem von Kretschmann und seinen grünen Ministern mit veranlassten Beschluss handle es sich daher auch nur um die, eigentlich überflüssige, Bestätigung einer Praxis, die schon seit Jahren in der Landesverwaltung selbstverständlich sei. Wie es dann zu einer Vorgabe des Genderns mit Sonderzeichen im Verkehrsministerium von Winfried Hermann kommen konnte, die Rülke in der Debatte zur Sprache brachte, wunderte nicht nur den FDP-Fraktionsvorsitzenden.
Der vorgelegte Ministerrats-Beschluss erweist sich von daher als ein stumpfes Schwert, mit dem sich die grünen Genderisten in Regierung und Landtag nicht aufhalten lassen werden, ihre linksidentitäre Gender-Agenda mittels des Amtswegs weiter voranzutreiben. Es handelt sich bei ihm daher auch nicht, wie Strobl erklärte, um eine für den Initiator des Volksbegehrens und dessen Unterstützer begehbare Brücke. Hekking erklärte gegenüber TE vielmehr, dass er den Willen, eine Brücke zu ihm und seinen Unterstützern zu bauen, zwar zu schätzen wisse, die angebotene Brückenkonstruktion aber noch nicht für stabil genug hält, um seine Klage beim Verfassungsgerichtshof fallen zu lassen. So liegt der Ball in Fragen des amtlichen Genderns nun zunächst einmal im Feld der baden-württembergischen Verfassungsrichter, die darüber zu entscheiden haben, wohin er anschließend rollt.