Tichys Einblick
Wie repariert man die kaputten Umfragezahlen?

CDU Brandenburg will Sachleistungen für abgelehnte Asylbewerber

In Brandenburg sind Union und SPD darum bemüht, AfD-Wähler zurückzugewinnen, und wollen dabei verschiedene Wege begehen. Im Bund hat Thorsten Frei einen neuen Versuchsballon zum Asylrecht gestartet, der vermutlich auch wieder in den Hecken stecken bleiben wird.

Jan Redmann (designierter Landesvorsitzender) spricht auf dem Landesparteitag der CDU Brandenburg, Potsdam, 25. März 2023

IMAGO / Martin Müller

Die CDU Brandenburg gehört zu den Landesverbänden, der gelegentlich etwas kecker wird und Wege ausprobiert (oder ausprobieren will), die anderswo noch gemieden werden. Fraktionschef Jan Redmann verkündete nun, dass es bereits „Flüchtlinge“ in seinem Bundesland gibt, die mit Sachleistungen zufrieden sein müssen. Es handelt sich um „Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive“, wie dpa berichtet. Sie müssen seit dem 1. Juli für höchstens anderthalb Jahre in der „zentralen Erstaufnahme“ des Landes verbleiben und erhalten nur Sachleistungen, was konkret auf Essensgutscheine hinauslaufen dürfte, die man jedenfalls nicht nach Burkina Faso schicken kann und die auch Schlepper nicht als nachträgliche Bezahlung akzeptieren werden.

Ist das aber schon die Lösung des Problems? Eher nicht. Denn nach 18 Monaten endet ja auch dieser von der Landesregierung in Potsdam eingeführte provisorische Status. Und dann werden wohl auch die „schwer Vermittelbaren“ unter den Asylbewerbern eine Bleibeperspektive und entsprechende Leistungen und Angebote erhalten. Alles nur eine Frage der Zeit – solange die Migranten nicht in der Zwischenzeit abgeschoben werden. Zu der neuen Regelung mussten übrigens auch die roten und grünen Koalitionspartner der CDU zustimmen. Das ging also schon, vielleicht weil es sich um solch ein Provisorium handelt.

Redmann fordert nun noch etwas mehr oder stellt es zumindest raunend in den Raum: „Wir müssen die Anreize reduzieren, die Flüchtlinge anziehen. Und das ist beispielsweise die im europäischen Vergleich überdurchschnittlich gute soziale Versorgung von Menschen, die nach Deutschland kommen.“ Redmann will daher Sachleistungen für alle abgelehnten Asylbewerber „erreichen“. Da ist dann wiederum die Frage, ob SPD und Grüne da auch so brav mitspielen werden. Die wackeren Redakteure aus der Mark fordern stattdessen, dass man die abgelehnten Asylbewerber auch arbeiten lässt.

Im Kern geht es auch in Brandenburg vor allem darum, wie man die ‚kaputten‘ Umfragezahlen für die etablierten Parteien wieder reparieren kann. Diese Frage stellte sich nun auch der SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und fand laut dpa gleich einige Antworten: zum einen den hergebrachten „Politikstil“, der zu wenig auf Mit-den-Menschen-Reden und Problemlösungen beruht. Punkt zwei betrifft die Berliner Politikprojekte wie das Gebäudeenergiegesetz, das den Menschen vielleicht noch mehr gegen den Strich geht als ein paar ungelöste oder unangesprochene Probleme. Aber hier setzt Woidke auch auf Kommunikation: Die Menschen sollen „verstehen können, dass das, was sie tun, … auch ihnen selber hilft, weil sie zukünftig beispielsweise effizienter heizen können“.

Zweimal benutzt Woidke hier das Zauberwort der politischen Möglichkeiten: „können“. Es könnte also so kommen, wie er sagt, es könnte aber auch ganz anders sein, etwa wenn das Heizen der Zukunft dann doch nicht effizienter ist, wofür einiges sprechen dürfte. Vor allem ist das wieder nur ein Die-Menschen-besser-abholen-Pflaster, das Woidke auf politische Uneinigkeit klebt. Dass ein Beschluss an sich falsch sein könnte und deshalb abgelehnt wird, kommt in dieser Weltsicht nicht vor. Zuletzt spricht Woidke auch die AfD an, die keine „Pläne für die Zukunft unseres Landes“ habe. Vielleicht ist auch das ein Punkt, den die Wähler durchaus zu schätzen wissen. Denn gerade im Ostteil des Landes waren die „Pläne“ 40 Jahre lang ja eher keine Segnungen.

Unions-Geschäftsführer: Asylrecht abschaffen und durch EU-Garantie ersetzen

Es ist ein ziemlich windschiefer, mindestens frühreifer, aber vielleicht diskussionswürdiger Vorschlag, den der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), in diesen Tagen gemacht hat. Nun muss man Frei zugutehalten, dass er ab und zu durch deutliche Töne auch in der Migrationsdiskussion auffällt. Wenn sie nur nicht immer wieder sofort in sich zusammenfallen würden wie ein Soufflé bei geöffneter Ofentür. Jüngst forderte er wieder ein „Ende der Naivität in der Migrationspolitik“: „Wer ungesteuerte Migration akzeptiert oder – wie die Grünen – sogar regelmäßig befördert, sollte sich über die Konsequenzen nicht wundern.“

Aber folgt diesen Kritikpunkten auch ein politisches Handeln der Union? In der Opposition sind schneidige Worte günstig zu erwerben. Und vielleicht sind sie ohnehin nur Testballons. Frei, so erfährt man nun aus einem Gastbeitrag für die FAZ, will das Individualrecht auf Asyl schlicht abschaffen und durch eine sogenannte „Institutsgarantie“ der EU ersetzen. Das bedeutet: Nicht mehr die Anreise über Stock und Stein in ein EU-Land und der individuelle Asylantrag sollen zählen. Für solche Reisende soll auch der Bezug von Sozialleistungen „umfassend ausgeschlossen“ sein.

Stattdessen soll die EU aber als Ganzes 300.000 bis 400.000 Asylplätze bereitstellen, so Freis großzügige Rechnung. Diese Plätze werden an Schutzbedürftige vergeben, die direkt aus dem Ausland aufzunehmen wären, und zwar auf jährlicher Basis. Nur wenn, wie gerade wegen des Ukraine-Kriegs, die Massenzustromrichtlinie der EU betätigt wird, will Frei die Aufnahme zusätzlicher Kontingente aussetzen lassen. Am Ende will Frei sogar Außenpolitik mit diesen Aufnahmen betreiben und dort helfen, wo „Staaten durch große Flüchtlingsströme destabilisiert werden“. Damit nähert sich Frei der wertebasierten Außenpolitik, Marke Baerbock, an.

Unser System ist „zutiefst inhuman“

„Damit möglichst wenig Menschen ihr Recht in Anspruch nehmen, knüpfen wir es an die Voraussetzung eines Antrages auf europäischem Boden“, erklärt Frei seine Kritik am bestehenden System. Damit sei unsere Auswahl aus den Schutzsuchenden dieser Welt „zutiefst inhuman“. Denn „wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist“, bleibe von vornherein chancenlos. Und so sollen es also Flugzeuge richten, die künftig wohl von EU-Botschaften mit „Flüchtlingen“ besetzt werden. Aber das Konzept kommt uns irgendwie bekannt vor. In den Händen des grün geführten Außenministeriums führt es aktuell zu unkalkulierbaren Risiken für Deutschland durch mutwillig eingeführte Afghanen (oder auch nicht), mit ordnungsgemäßen Papieren oder auch nicht, mit Asylgrund oder auch nicht. Dass die aktuelle Regierung die Sicherheitsrisiken durch Terroristen und einfache Kriminelle beherrscht, glauben inzwischen nur noch die wenigsten.

Das ist alles ganz opportun gedacht, und sicher täte sich ein Bundeskanzler Frei (CDU?) dann auch relativ leicht damit, die EU-Asylplätze unter die Marke von 300.000 abzusenken. Nur wahrscheinlich ist es eben nicht. Beim Asylrecht wird es wohl vorerst bleiben, das zeigen Reaktionen auf die britische Illegal Migration Bill, die – gerade beschlossen – von den UNO-Kommissaren für Menschenrechte und Flüchtlinge scharf angegriffen wurde, obwohl Großbritannien nun wirklich am Ende der europäischen „Nahrungskette“ für Asylbewerber sitzt und kraft seiner geographischen Lage nur Migranten anziehen kann, die zuvor durch die halbe EU marschiert sind.

Eben dieses internationale Rechts- und Menschenrechtsmilieu, Politiker und Diplomaten, die sich nicht für ihre Wähler oder Mitbürger, sondern für abstrakte Garantien einsetzen, beherrschen nach wie vor auch den deutschen Parteienapparat und einen Großteil des europäischen (bis hin zur Insel Albion). Der Vorschlag des Abgeordneten Frei kann also derzeit nur zur Belebung dienen, und so wollen wir ihn auch gerne aufnehmen. Als einen unkonventionellen Vorschlag, über den zu diskutieren wäre, weil er vielleicht irgendwann ein Teil der Lösung sein könnte.

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