Die geplante Legalisierung nicht nur des Konsums und Kaufs, sondern auch der Produktion und des Vertriebs von Cannabis war im vergangenen Jahr während der Anbahnung der Ampel-Koalition sicherlich das Thema, bei dem sich die neue Führungsgruppe der FDP um Christian Lindner als besonders besonders fortschrittlich und besonders grünenfreundlich inszenierte. Es ging dabei wohl auch darum, eine Art Friedenspfeife zwischen den sich einst spinnefeind gegenüberstehenden Parteien zu zelebrieren.
Umso peinlicher ist nun die Nachricht, die die Nachrichtenagentur DPA und das Redaktionsnetzwerk Deutschland heute verbreiten: Die geplante Cannabis-Legalisierung – der Bundesdrogenbeauftragte, Burkhard Blienert (SPD), hatte einen Gesetzentwurf für Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres angekündigt – verstößt laut Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags im Auftrag des CSU-Gesundheitspolitikers Stephan Pilsinger gegen EU-Recht: Der EU-Rahmenbeschluss von 2004 fordere, dass EU-Staaten unter anderem das Herstellen, Anbieten, Verkaufen, Liefern sowie Ein- und Ausführen von Drogen unter Strafe stellen – wenn diese vorsätzlichen Handlungen ohne entsprechende Berechtigung vorgenommen wurden. Zudem müsse das vorsätzliche, unberechtigte Anbauen unter Strafe gestellt werden. Zu den „Drogen“ wird demnach auch Cannabis gezählt. Auch in den Niederlanden wird nur der Kauf und Verkauf kleiner Mengen Cannabis toleriert, grundsätzlich legal ist er nicht.
Für Lindners und Özdemirs Bubatz-Legal-Koalition bleiben also wohl zwei Optionen. Erstens: einfach Expertise und europäisches Recht ignorieren, drauflos legalisieren und es darauf anlegen, dass sich jemand in Brüssel oder sonstwo bequemt, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Die Unionsparteien werden womöglich bis dahin ohnehin auch in der Drogenpolitik auf den Grünen-Kurs eingeschwenkt sein – wie in gesellschaftspolitischen Fragen seit langem eingeübt. Oder zweitens: die niederländische Variante kopieren. Dann entgehen der Bundesregierung allerdings die erhofften Steuereinnahmen aus dem legalisierten Cannabis-Geschäft – und Özdemir muss seine vollmundige Ankündigung eines „großflächigen Hanfanbaus“ als neues Geschäftsfeld für Landwirte wieder einkassieren. Im selben Interview, in dem Özdemir das ankündigte, hatte er übrigens auch „Ramschpreise“ für Lebensmittel geklagt. Die niedrigen Preise für Agrarprodukte seien ein Problem. Das war am 26. Dezember 2021, vor dem Ukraine-Krieg zwar, aber die Teuerungsrate für Lebensmittel war längst deutlich angestiegen auf über 3 Prozent.