Zufälle gibt’s. Es war der Tag, an dem Lina E. von einem Dresdner Gericht freigelassen wurde, weil sie schon einige Jahre in Untersuchungshaft abgesessen hatte und ohnehin keinen hohen Schuldspruch erhielt. Nur fünf Jahre und drei Monate sollten es sein, von denen ihr nun bald die Hälfte erlassen wurde. Von guter Führung ging man offenbar aus. Tatsächlich könnte das Urteil aber eher von Furcht künden. Furcht vor einem linken Mob, der sich auch im Gerichtssaal mit Protest gegen das Urteil, Applaus für die Angeklagten und Beschimpfungen gegen das Gericht bemerkbar machte (zum Beispiel „Schweinesystem“, „Fascho-Freunde“, „scheiß Klassenjustiz“). Erstaunlich bleibt, dass es darüber nicht zur Unruhe kam – dass die Richter sich derlei nicht verbaten und den Saal räumen ließen.
Doch ganz im Gegenteil gaben sie dem Druck anscheinend sogar nach. Das lässt tief blicken. Ganz merkwürdig und in einem Schein-Widerspruch dazu stehend, waren auch die öffentlichen Kommentare von Justizminister und Innenministerin. Nancy Faeser (SPD) sagte die aus ihrem Mund staunenswerten Worte: „In linksextremistischen Gruppen sind Hemmschwellen gesunken, politische Gegner auch mit äußerster Brutalität anzugreifen.“ Die Ministerin gegen rechtsextreme Umtriebe erkennt die wachsende Gefahr des Linksextremismus an. Drei Jahre nach Abschluss der in Dresden verhandelten Taten hätte Faeser damit begriffen, worum es im Fall Lina E. und Konsorten geht.
Ähnlich äußerte sich auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter – und wurde dafür von der offenbar wohlorganisierten linksextremen Szene gescholten. Er habe hier keine Gerichtsurteile zu kommentieren, und überhaupt fuße der ganze Fall doch nur auf Indizien (so wörtlich), ein angeblich politisches Urteil sei das. Ja, aber vielleicht anders, als der Schreiber es meinte.
Gegen den „transfeindlichen Einfluss“ Buschmanns
Am selben Tag erwies sich am Politiker Buschmann, dass es tatsächlich eine wachsende Gefahr durch linksextreme Gewalttäter gibt. Denn Buschmanns Privathaus in Gelsenkirchen wurde schon Mitte Mai von nicht näher zu bezeichnenden Aktivisten angegriffen, durch die Parole „Selbstbestimmung statt bathroom bills“ sowie „das transgender-Anarchie Symbol … markiert“ und einige Scheiben im Eingangsbereich wurden eingeschlagen. Das wurde allerdings bis dato überhaupt nicht in die Öffentlichkeit getragen. Noch gefährlicher als der Vorfall scheint die geringe Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde. Zehn Tage Schweigen über einen halbwegs politischen und durchaus etwas beunruhigenden Vorfall – das ist schon viel für die sonst so geschwätzige Republik. Minister Buschmann hielt es offenbar für opportun zu schweigen. Das Schweigen brach er erst an diesem Mittwoch. Es bedurfte des Journalisten Henryk M. Broder, der unter anderem für die Welt schreibt, um diesen Skandal, umwickelt von einem Skandal, aufzudecken.
Die Themen, mit denen sich solche Gewalttäter identifizieren, sind manchmal eigenartig und randständig. Das mag schon immer so gewesen sein, auch beim Kampf der RAF gegen den faschistoiden Kapitalismus der Bundesrepublik. Aber Transfeindlichkeit ist nun wiederum ein neues Thema dieser radikalen Gemeinde, das keiner so recht auf dem Zettel hatte, wo es um terroristische Anschläge geht, die immerhin schon in den USA vorgekommen sein sollen.
Der Schutz frauenspezifischer Räume ist nicht gewollt
Nun wurde dieses Selbstbestimmungsgesetz von vielen, auch von Tichys Einblick durchaus kritisiert, weil es der willkürlichen Änderung von Personeneinträgen im Sinne „freier Selbstbestimmung“ Tür und Tor öffnet. Schon der Titel des Gesetzes deutet ja solches an. In jedem einzelnen Jahr kann demnach eine Person mit innerlich ausgeprägter Trans-Identität – daneben auch zwischengeschlechtliche und nicht-binäre Menschen – ihre Personenstandsangaben ändern lassen. Ein ärztliches Attest, dass es sich zum Beispiel nicht um die Folge einer mentalen Erkrankung handelt, oder sonst ein Gutachten ist nicht mehr notwendig. Mit die schärfsten, entschiedensten Trans-Aktivisten sitzen also bereits in dieser Bundesregierung. Dass der einbringende Minister für dieses Gesetz sich zugleich „transphob“ betätigen könnte, erscheint erst einmal etwas abstrus, ist aber in der Logik der Trans-Unterstützer-Gemeinde durchaus möglich, zumal seit sich Buschmann ernsthafte Gedanken zum Thema „Frauensauna“ machte.
Aber schon das geht den Linksradikalen von Indymedia, oder wer immer dahintersteckt, zu weit. Andere relevante Einlassungen zum Thema gibt es von Buschmann nicht zu geben. Der Satz zur Frauensauna, gefallen in einem Zeit-Interview um die Jahreswende, ist das einzige Zugeständnis der „Fortschrittskoalition“ an mahnende Stimmen rund um das Selbstbestimmungsgesetz.
Neben dieser Ausnahmeregelung, die er als „bathroom bill“ anspricht, hat der anonyme Autor des Indymedia-Eintrags sich aber vor allem auf das Fortbestehen des Wehrdienstes für biologische Männer eingeschossen. Diese Regelung gilt ihm (oder doch ihr?) als militaristisch und gegen „Autonome“ gerichtet, die „für trans Befreiung und Anarchafeminismus einstehen wollen“. Es geht also nicht unbedingt um Betroffene, sondern um die Forderung des Prinzips, vielleicht auch darum, sich des Wehrdienstes durch eine Transition ins frauliche Gender zu entziehen.
Das Signal ist gesetzt
Es scheint alles in allem zwar abseitig, dass eine unbekannte linksextreme Gruppierung (oder Einzelperson) das Privathaus Buschmanns für ‚entglasenswert‘ und ‚markierungsbedürftig‘ hielt. Aber die „architektonische Umgestaltung“ (so der Originalbeitrag auf Indymedia) ist dennoch ein empfindlicher Eingriff in die Demokratie, indem versucht wird, ein Regierungsmitglied durch Gewalt quasi zum Einlenken in einer Sachfrage zu bewegen. Zur Begründung behauptet der anonyme Linksmedien-Autor, der „Einfluss transfeindlicher Propaganda und antifeministisches Lobbying in diesem Bereich“ seien als eine „existentielle Bedrohung“ zu betrachten, der „frühzeitig mit maximaler Entschiedenheit begegnet werden muss“. Anderenfalls drohe „diese Bedrohung [einen] genozidal-faschistischen Charakter“ anzunehmen. Und das sei heute schon in den USA der Fall.
Dem linksextremen Indymedia-Autor ist das alles egal, ihm geht es darum, Menschen zum „Zurückschlagen“ zu ermutigen, wo sich jemand als „Mensch zweiter Klasse“ behandelt fühlt. Auf Henryk Broders Nachfrage hin bestätigte das Justizministerium, das Haus Buschmanns sei zum Opfer einer „Beschädigung der Eingangstüre“ und von „Schmierereien“ geworden. Am Tag darauf nahm Buschmann in einem eigenen Tweet Stellung zur Lage. Das kam zwar spät, war aber die Mindestaussage eines deutschen Ministers. Das Signal der Terroristen ist aber – auch durch den mutlosen Umgang mit dem Vorfall – gesetzt und dürfte den Diskurs über das Selbstbestimmungsgesetz mitprägen.