Tichys Einblick
Klimaschutzurteil

Bundesverfassungsgericht: Klimaschutzgesetz reicht nicht aus

Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber zu einer deutlich schärferen Klimaschutzpolitik aufgefordert. "Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz und zielt auf die Herstellung von Klimaneutralität", heißt es wörtlich in dem Beschluss.

imago Images/Steinach

Eine Gruppe von jungen Beschwerdeführern war vor dem Bundesverfassungsgericht teilweise erfolgreich. Das gab ihnen Recht: Sie müssten die Hauptlast bei der Verminderung der Treibhausgase bis 2050 tragen und seien dadurch in ihrer Freiheit gefährdet. Das sogenannte Klimaschutzgesetz, das die Bundesregierung verabschiedet hatte, reiche nicht aus. Der Gesetzgeber muss bis Ende 2022 demnach nachlegen und schärfer regeln, wie ab dem Jahre 2030 »Treibhausgase« weiter vermindert werden sollen.

Die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen seien mit Grundrechten unvereinbar, so heißt es in dem heute veröffentlichten Beschluss vom 24. März 2021. Nicht geklärt sei, wie die weiteren Emissionen ab dem Jahre 2031 vermindert werden sollen.

Bis zum Jahre 2030 sollen Wirtschaft, Verkehr und Energieerzeugung so weit gedrosselt werden, dass die »Treibhausgase« um 55 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. In diesem »Klimaschutzgesetz« seien zwar weitere »Reduktionspfade« festgelegt worden. Es könne, so das BVG weiter, auch nicht festgestellt werden, »dass der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen gegen seine grundrechtlichen Schutzpflichten, die Beschwerdeführenden vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen, oder gegen das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG verstoßen hat«.

Doch der erste Senat unter dem ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Stephan Harbarth sah die Hauptlast der Einschränkungen bei den Friday-for-Future«-Kids: »Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden sind durch die angegriffenen Bestimmungen aber in ihren Freiheitsrechten verletzt. Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.«

Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folge auch aus dem Grundgesetz. »Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz und zielt auf die Herstellung von Klimaneutralität«, heißt es wörtlich in dem Beschluss.

Das bedeute, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssten die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden.

»Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind.«

Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern. Für einen »rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität« würden die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht ausreichen.

Der Gesetzgeber soll jetzt genauer erklären, wie ab 2030 die Treibhausgase so vermindert werden sollen, dass bis 2050 Deutschland »klimaneutral« sei. Denn, so das Gericht: »Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.«

Im Übrigen wurden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. Als Kläger aufgetreten waren »Klimaaktivisten« wie Luisa Neubauer mit finanzstarken Umwelt-NGOs im Rücken wie der BUND. Der BUND hat sich als »Anwalt der Natur« ins Spiel gebracht. Doch eine solche Beschwerdebefugnis würden Grundgesetz und das Verfassungsprozessrecht nicht vorsehen, so das Bundesverfassungsgericht.

Als »Durchbruch« bewerten die Vertreter des Klagebündnisses, die Anwälte Felix Ekardt und Franziska Heß, das Urteil. Die 1,5 Grad-Grenze sei verfassungsrechtlich verbindlich eingestuft worden. »Erstmals hat eine Umweltklage vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg. Die Politik wird massiv nachbessern und deutlich ambitioniertere Ziele und Instrumente festsetzen müssen.« Die Klage habe aufgezeigt, »dass grundrechtlich Nullemissionen dramatisch früher nötig sind als bisher anvisiert und das Paris-Ziel grundrechtlich verbindlich ist«. Für »das Klima« sei das Urteil allerdings trotz aller Erfreulichkeit noch zu wenig, »weil nicht mit der gebotenen Klarheit zeitnahe Nullemissionen eingefordert werden«. Die Klagevertreter würden pürfen, ob sie zusätzlich eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einlegen.

Das ließ weiterhin offen, ob »grundrechtliche Schutzpflichten den deutschen Staat auch gegenüber den in Bangladesch und Nepal lebenden Beschwerdeführenden verpflichten, gegen diese drohenden und bereits eingetretenen Beeinträchtigungen durch den globalen Klimawandel vorzugehen«.

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