Es wäre ein Verfahren im Stil der Ära Merkel und ihres Vizekanzlers Olaf Scholz (SPD) gewesen: Sonntags entscheidet die Regierung darüber, wie es mit den drei aktiven Atomkraftwerken weitergeht. Montags inszeniert der Kanzler medial sein „Machtwort“. Am späten Mittwoch erhalten die Abgeordneten eine Gesetzesvorlage, der sie dann am frühen Donnerstag zustimmen sollen. Spätestens am Freitag fahren sie dann nach Hause, um in ihrem Wahlkreis wieder ihre eigentliche Rolle als Grüßonkel auf Bierfesten zu spielen.
Das ist mehr als ein Spiel auf Zeit. Die Abgeordneten haben es satt, vorgeführt zu werden, indem sie überforderten Ministern wie Robert Habeck (Grüne) blind folgen müssen: Schnell mal die Gas-Umlage als Idee raushauen, sich bei Maischberger um Kopf und Kragen reden und dann genauso schnell die Gas-Umlage wieder beerdigen. Der Bundestag fordert eine Rückkehr zu seriöser Arbeit.
In der ersten Sitzungswoche im November soll es nun ein reguläres Gesetzgebungsverfahren geben. Das bedeutet auch, dass sich die Abgeordneten Experten einladen können, die sie zu dem Thema anhören. So sollen mögliche Fallstricke vermieden werden, über die das Land durch übereiltes Handeln stolpern könnte. Etwa Rechtsunsicherheit, die dazu führt, dass die Anlagenbetreiber auf Schadenersatz klagen können. Die Parlamentarier bestehen damit auf ihrem Recht. Auch wenn es für die Betreiber bedeutet, dass sie frühestens Mitte November Rechtssicherheit haben werden.
In Richtung Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) schickt das Parlament indes ein Zeichen: Die Abgeordneten sind PR-trächtige Hopplahopp-Inszenierungen leid. Vorläufig gibt es für die Betreiber nur „übergangsweise die Erlaubnis, im Leistungsbetrieb zu verbleiben, um für eine potenzielle Krisensituation im kommenden Winter auch noch weiter Strom produzieren zu können“. Dass sie neue Brennstäbe beschaffen können, war nach der Machtwort-Inszenierung ohnehin nicht vorgesehen.