Tichys Einblick
Kinder und Jugendliche während der Pandemie

Bundestag drückt sich um Aufarbeitung der Corona-Politik herum

Eine Kommission hat sich damit beschäftigt, wie verheerend die Corona-Politik auf Kinder und Jugendliche gewirkt hat. Doch eine Aufarbeitung dieser Politik gibt es kaum. Stattdessen Lobhudelei ohnehin geplanter Schritte.

IMAGO / photothek

Man sperrt Kinder und Jugendliche zu Hause ein. Verweigert ihnen den Gang zur Schule. Sport. Kino. Und Konzerten ebenso. Mit Freunden dürfen sie sich auch nicht treffen. Nicht einmal mit Verwandten. Das tut Kindern und Jugendlichen nicht gut. Drei Jahre lang war das eine tabuisierte, kriminalisierte und bekämpfte Meinung. Jetzt ist sie auch im Bundestag angekommen.

Corona-Aufarbeitung ist notwendig
Zu den Opfern der Corona-Politik gehörten vor allem Kinder und Jugendliche
Habe keiner wissen können, sei keiner so recht verantwortlich gewesen, lautet das unausgesprochene Einverständnis der Abgeordneten von CDU, SPD, FDP, Grünen, Linken und CSU im Bundestag. Das Parlament besprach die Untersuchung einer Kommission, die sich mit den verheerenden Wirkungen der Corona-Politik auf junge Menschen beschäftigt hat. In der Debatte über die Arbeit der Kommission kommt ihnen die eigene Niederträchtigkeit zugute, dass sie im Zusammenspiel mit den allermeisten Medien jeden Kritiker der Maßnahmen aus der Gesellschaft verbannt haben. Das erlaubt ihnen nun die Möglichkeit, sich darauf zu berufen, es habe ja keine hörbaren Gegenstimmen gegeben.

Wie egal der übergroßen Koalition, die in Deutschland die Corona-Politik mitgetragen hat, das Schicksal der Kinder und Jugendlichen eigentlich ist, das demonstriert Emilia Fester (Grüne). Schon, ja doch, die Ergebnisse des Berichts seien „niederschmetternd“, aber halt auch nicht neu. Das wirklich Schlimme am Schicksal der Jugendlichen ist für die grüne Berufsjugendliche, dass die AfD das Thema nun aufgreift. Obendrein sei die eigene Familienministerin Lisa Paus so toll, schwärmt Fester im Bundestag. Der Bericht? Das Schicksal der Jugendlichen? Fester hat einmal schnell ins Mikrofon geheuchelt, wie „niederschmetternd“ das alles sei. Das muss an Betroffenheits-Inszenierung reichen.

Spannend ist die Geschichts-Klitterung, die der oberste Panikmacher im Parlament betreibt: Karl „absolute Killervariante“ Lauterbach. „Die Kinder haben die meisten Opfer gebracht“, arbeitet er sein Betroffenheits-Pflichtpensum ab. Die Kita- und Schulschließungen hätten so nicht sein müssen, sagt er. Verschweigen tut er, dass er als oberster Scharfmacher das öffentliche Klima so vergiftet hat, dass eine Widerrede gegen die Corona-Politik nur noch unter Verlust von Reputation und Wohlstand möglich war. Genauer auf den Bericht geht er nicht ein. Stattdessen preist er seine aktuelle Politik. Corona? Seelische Grausamkeit gegen Jugendliche? Zehn Sekunden Betroffenheits-Inszenierung müssen auch und gerade bei Lauterbach reichen.

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Erstellt hat den Bericht eine Arbeitsgruppe aus mehreren Ministerien plus dazu eingeladenen externen Experten. Es ist aber im Wesentlichen eine Aufarbeitung der Pandemie-Politik von Menschen, die diese Pandemie-Politik mit zu verantworten haben. So greifen die Experten Zahlen auf, die andere schon veröffentlicht haben. Etwa die Krankenkasse DAK. Zahlen also, die schon in der Welt sind und sich nicht mehr leugnen lassen. So ist denn das Ergebnis der Arbeitsgruppe weniger eine Aufarbeitung der Pandemie – sondern der Versuch eines Framings dessen, was andere eh schon aufgeklärt haben.

Was heftig ist. Über die Zahlen der DAK hat TE bereits berichtet. Sie sind trotzdem jederzeit wert, wiederholt zu werden: Diagnostizierte Essstörungen bei Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren sind um 54 Prozent gestiegen. Bei den Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren sind die von Ärzten festgestellten Depressionen um 23 Prozent gestiegen. Die Masse der Lernstörungen lässt sich kaum seriös quantifizieren. Je mehr das Bildungsniveau sinkt, desto mehr verschleudert die Politik die guten Noten, damit das eigene Versagen nicht sichtbar wird.

Klare Worte über die Corona-Politik findet die Kommission nicht. Die Frösche würden den Teich nicht trockenlegen. Und erst recht kritisieren die Frösche nicht, wenn der Teich erhalten geblieben ist. Stattdessen geben sie Handlungsempfehlungen ab: Und was empfehlen die Ministeriumsmitarbeiter und die Experten? Sie empfehlen, was die Ministerien ohnehin geplant haben. Alles gut. Weitermachen. War was? Depressionen, Essstörungen, Lernstörungen, zerstörte Kindheiten? Jetzt haben alle Parteien, die das mitgetragen haben, mal Danke ins Mikrofon des Bundestags gespuckt. Haben gemurmelt, wie schlimm das ist. Jetzt muss aber auch mal gut sein – aus ihrer Sicht. Aus dem Bundestag wird die Aufarbeitung der Corona-Politik nicht kommen.


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