Tichys Einblick
TE-Exklusiv

Mit der Bundesregierung von einer Gaskrise in die nächste

Welche Vorkehrungen trifft die Bundesregierung für den Winter 2023/2024, wenn das Gas aus Nord Stream 1 nicht mehr zur Verfügung steht? Staatssekretär Patrick Graichen hat darauf keine zufriedenstellende Antwort.

IMAGO / photothek

Vom Wetter reden ist wieder „in“, seitdem daran die Frage hängt, ob Deutschland in den Gasnotstand kippt oder nicht. Solange keine extreme Kältewelle über das Land hinwegfegt, steht das Kartenhaus von Robert Habeck und seinem Adlatus Patrick Graichen. Deutschland ist wieder mehr von Umwelteinflüssen abhängig – und die Grünen freuen sich drauf. Denn derzeit könnte ausgerechnet die so häufig beschrieene Klimaerwärmung ihr gutes haben, wenn dadurch der Gasverbrauch sinkt – und Gasmangellagen ausbleiben.

Doch was für diesen Winter gilt, gilt bereits beim nächsten nicht mehr. Mit stolz geschwollener Brust spricht die Bundesregierung von den randvollen Gasspeichern, als handelte es sich um die gefüllten Kornkammern in den sieben mageren Jahren der biblischen Josefsgeschichte. Der Vergleich ist deswegen passend, weil es eine Sache ist, das erste Jahr durchzustehen, aber eine andere, auch die restlichen sechs zu stemmen.

Habecks große Transformation
Es geht um den Umbau der freien Wirtschaft in eine grüne Planwirtschaft
Genau vor dieser Herausforderung steht das Land. Denn 2022 steckt in den Gasspeichern des Landes noch jenes Nord-Stream-1-Gas, das der Bundesrepublik im nächsten Jahr bereits fehlen wird. Die Bundesregierung hat also ein Jahr Zeit, um die jetzt wieder absehbare Gaskrise zu lösen, oder wenigstens eine Strategie für die kommenden Monate zu entwickeln.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Leif-Erik Holm, hat daher Staatssekretär Graichen angefragt. Er wollte wissen, über welche Liefermengen Erdgas und Flüssigerdgas die Bundesregierung und deutsche Unternehmen Verträge für das Jahr 2023 abgeschlossen haben, um Verbrauch und Befüllung der Speicher sicherzustellen.

Die Antwort ist das, was man bei TE mittlerweile als typischen Graichen nennt: ein Eiertanz, der Ahnungslosigkeit offenlegt, dabei aber zielgerichtet die Haltung behält, genau zu wissen, was man tut. Graichen rezitiert die seit März erworbenen 950 Millionen Kubikmeter Erdgas und das „Memorandum of Understanding (MoU)“ zur Belieferung der schwimmenden Flüssigerdgas-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven. Sie sollen am Ende voll ausgelastet sein. Doch dann folgt dieser Passus:

„Weitere Vereinbarungen zur Beschaffung von Erdgas bzw. Flüssigerdgas (LNG) für den deutschen Verbrauch bzw. zur Befüllung der Speicher hat die Bundesregierung nicht abgeschlossen. Mit dem Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen wurden durch die Bundesregierung die rechtlichen Vorrausetzungen geschaffen, um die Speicher auch 2023 für den Winter 2023/2024 zu befüllen. Dazu zählt auch der Erwerb und die Einspeicherung von physischem Gas durch den Marktgebietsverantwortlichen Gas (Trading Hub Europe).“

Die Lieferländer, so Graichen offen, seien noch unbekannt. Das erinnert stark an Habecks Katar-Besuch: viel Brimborium, bis das Märchen aus 1001 Nacht verpufft. Die kümmerlichen zwei Millionen Tonnen jährlich, die Katar vor kurzem dann doch zugesagt hat, kommen erst ab 2026.

Ideologie statt Sachverstand
Atomlaufzeitverlängerung: Es gab keine ergebnisoffene Prüfung
Genau in diese Kerbe schlägt auch Holm. „Die Bundesregierung ist ja nicht gerade für ihre Bescheidenheit bekannt. Als Habeck vor kurzem den Liefervertrag mit Katar verkündete, versuchte er, diesen als großen Erfolg zu verkaufen – und das, obwohl die sehr geringe LNG-Menge nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein ist und auch erst ab 2026 kommt“, sagt der AfD-Abgeordnete gegenüber TE. „Wenn Habeck also weitere Verträge und Liefervereinbarungen vorweisen könnte, hätte er das auf meine Anfrage hin sicherlich getan. So aber lässt die Antwort von seinem Staatssekretär Graichen nur einen Schluss zu: Der Kaiser steht nackt da.“

Keine Pipelines, kein Flüssiggasterminal, keine Alternativen, keine Verträge – offenbar lebt man im Wirtschaftsministerium in den Tag hinein und hofft, dass die sonst als Klimakatastrophe beschriene Erderwärmung vielleicht die nötigen paar Grad beisteuert, um den Gasverbrauch in Deutschland zu senken und es „gerade noch ausreichend“ in den April zu schaffen. Das Antwortschreiben Graichens insinuiert, dass auch das nächste Jahr zur Hängepartie wird – aber mit deutlich schlechteren Voraussetzungen.

Holm betont daher, dass die Gasversorgung „alles andere“ als gesichert sei. „Der wirklich kritische Winter steht uns erst im nächsten Jahr bevor, wenn wir nicht aus vollen Gasspeichern schöpfen können. Höchste Zeit, dass endlich gehandelt wird!“, mahnt Holm. Dabei spiele die Kernkraft eine entscheidende Rolle. „Um Gas bei der Verstromung zu sparen, müssen dringend neue Brennstäbe bestellt und die Kernkraftwerke über April hinaus weiterlaufen. Und wir müssen den intakten Strang von Nord Stream 2 nutzen. Anders werden sich die Gasspeicher bis zum nächsten Winter wohl nicht füllen lassen.“

Anzeige
Die mobile Version verlassen