Tichys Einblick
Neues aus Afghanistan

Bundesregierung flog Taliban-Agenten aus Afghanistan ein

Man weiß nicht, wer genau es war. Sicher ist: Deutschland hat sicherheitsrelevante „bad guys“ mit Kontakten zu Taliban-Milizen eingeflogen. Das kann ja schon einmal passieren bei 33.000 unterstützten Einreisen ins Bundesgebiet. Sie leben heute in Hessen, NRW und Berlin.

picture alliance / dpa | Boris Roessler

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr hielt sie für ein Sicherheitsrisiko: 97 frühere Ortskräfte der Bundeswehr, die – irgendwann während des 20-jährigen Afghanistan-Einsatzes – „aus Sicherheitsgründen“ aus dem Dienst entlassen worden waren. Aber später tauchten Namen aus der Liste auf den Einreiselisten des Auswärtigen Amtes auf. Das ist der beste Beweis, wo nicht für die absichtliche Prinzipienlosigkeit, so jedenfalls für die absolute Fahrlässigkeit, die im deutschen Auswärtigen Amt obwaltet, wo es um die Einreisen, ja eigentlich das absichtliche Einfliegen von ehemaligen afghanischen „Ortskräften“ ging – von Personen aus einer grundsätzlich von unserer verschiedenen Kultur, was in diesem Fall eine gesteigerte Rolle spielt.

Laut Informationen der Bild am Sonntag leben einige der verdächtigen Ortskräfte inzwischen in Deutschland, nämlich in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Es geht um Dolmetscher, die Kontakte zu Taliban-Milizen unterhielten. Und man muss hier an eine nachrichtendienstliche Tätigkeit denken: Informationen aus dem Inneren der Bundeswehr sollen so ihren Weg zu den radikalen Glaubenskämpfern gefunden haben. Daneben wurden einem der sogenannten „bad guys“ Verbindungen zur russischen Botschaft in Kabul vorgeworfen. Die Dolmetscher waren also auch Spione der Taliban oder der Russen und mussten daher ihren Dienst quittieren, was sie allerdings nicht von einer späteren Karriere als „Ortskraft“ abhielt.

Genaue Auskünfte des MAD zu den 97 Personen und jenen, die sich inzwischen in Deutschland aufhalten, sind „aus Gründen des Datenschutzes“ nicht möglich. Dieses menschenfreundliche Phänomen greift erneut genau dort, wo es um mögliche Gefährder in Deutschland geht – während man bei der feiernden Jugend auf Sylt eine Ausnahme machen kann und sie durchaus einmal mit Klarnamen in die Öffentlichkeit zerren darf. Aber gut, die Bundeswehr hat vielleicht höhere Standards als so manches Presseorgan.

Nur bedeutet der Datenschutz hier nun, dass auch die Landesbehörden in NRW, Hessen und Berlin nicht von den ‚schwierigen Fällen‘ unterrichtet sind? Laut Mitteilung des MAD werden Visa-, Asyl- oder Einbürgerungsverfahren durch die zuständige Behörde individuell und unter Einbeziehung aller betroffenen Behörden durchgeführt. Wenn aber der MAD einbezogen wurde, dann ergab sich zumindest keine Statusänderung daraus. Es hat offensichtlich nichts daran geändert, dass die zwielichtigen „bösen Buben“ noch immer in Deutschland sind.

CDU: Zusammenarbeit mit Steinzeitislamisten disqualifiziert

Christoph de Vries (CDU), Sprecher für Geheimdienstfragen in der Unionsfraktion, beklagt „eklatante Sicherheitslücken, die die Bundesregierung dringend schließen muss“. Denn die Zusammenarbeit mit „Steinzeitislamisten“ disqualifiziere jeden für einen Aufenthalt in der Bundesrepublik.

Und auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nutzte die Gelegenheit für ein paar markige Worte: Das Aufnahmeprogramm aus Afghanistan sei „zum Sicherheitsrisiko geworden und muss gestoppt werden“. Das fiel dem Unionsmann früh ein. Es war die Regierung von CDU, CSU und SPD unter Mitwirkung von Innenminister Horst Seehofer (CSU), die damals die Aufblähung des Ortskräfte-Begriffs zuließ. CDU und CSU haben aktiv daran mitgewirkt. Nun schreit Dobrindt nach einer „Sicherheitsüberprüfung für alle eingeflogenen Ortskräfte“. Gefährder will er „in Sicherungsverwahrung“ stecken und „schnellstmöglich“ abschieben. Der Kanzler müsse „Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien jetzt endlich ermöglichen und die grüne Abschiebe-Blockade beenden“. Es hat Jahre gedauert, bis es so weit war, aber nun fordert auch die Ex-Merkel-Union eine Abschiebeoffensive inklusive strenger „Sicherungsverwahrung“ – insgesamt ein Verfahren, das man natürlich keineswegs „Remigration“ nennen dürfte.

Und wer hat eigentlich gesagt, dass die Taliban-Freunde erst unter der Aufsicht der Ampel nach Deutschland eingereist sind? Schon im April 2021 versprach Verteidigungsministerin Kamp-Karrenbauer, „gefährdete afghanische Ortskräfte in Sicherheit“ zu bringen. Welche Vorahnung – doch der Vormarsch der Taliban vier Monate später kam angeblich dann doch unvermutet und zog großes Chaos nach sich.

Mitte August 2021, unmittelbar nach dem Fall Kabuls, sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel von „bitteren Stunden“ und sagte umgehend wieder die Rettung der „Ortskräfte“ per Luftbrücke zu, damals noch unter Angabe einer kürzeren Liste von 2.500 Namen. Später blähte Merkel die Zahl immer weiter auf, sprach bald von „10.000 bis 40.000 Menschen“. Im Oktober 2021 waren bereits über 5.000 Personen aus Afghanistan ausgeflogen worden, zwei Monate bevor sich die Ampel und Baerbock dieser Aufgabe annahmen.

Aus 300 wurden 33.000

Ende 2023 war die Gesamtzahl auf 33.000 Personen angewachsen, die über verschiedene Aufnahmeprogramme nach Deutschland eingeflogen wurden, darunter 4.000 offiziell so betitelte „Ortskräfte“. Gut 15.000 weitere Personen gelten als deren familiärer Anhang. Noch einmal 13.000 waren „besonders gefährdete Personen“, also meist NGO-Mitarbeiter inklusive Anhang, darunter aber auch Scharia-Richter und andere salafistisch geprägte Muslime.

Aber auch die aktuelle Bundesregierung trägt sich noch mit der Absicht, weitere Ortskräfte nach Deutschland einzufliegen, obwohl der eigentliche Grund dafür längst hinfällig ist: Es war behauptet worden, die Taliban würden unbarmherzig Vergeltung an allen Kollaborateuren üben. Wer aber drei Jahre im Land überlebt hat, beweist, dass ihm dieses Schicksal erspart blieb. Übrigens: Die Bundeswehr hatte im April 2021 von gerade einmal 300 afghanischen Ortskräften gesprochen. Diese Zahl wich einer Übertreibung und Wucherung des Phänomens, wie sie wohl in keinem anderen Teilnehmerland erreicht wurden.

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