Inszenierungen im Bundesrat sind oft sehenswerter als im Berliner Ensemble. Das weiß die Öffentlichkeit nicht zuletzt vom ehemaligen Ministerpräsidenten und Verfassungsrichter Peter Müller (CDU). An diesem Freitag lautete der Name des Stücks: Der aufopferungsvolle Kampf der CDU gegen das Kiffen. In der Rolle des tragischen Helden der wahlkämpfende Ministerpräsident Sachsens Michael Kretschmer (CDU).
Der hielt eine flammende Rede gegen den Konsum und die Legalisierung von Hasch. Der Ministerpräsident schilderte aus der Praxis ergreifende Schicksale von Menschen, die der Joint in die Sucht und in die psychische Krankheit getrieben hat. Dann sagte Kretschmer, taktische Spielchen seien ihm egal – er werde der Legalisierung von Cannabis auf keinen Fall zustimmen. Applaus. Doch noch kein Vorhang.
Ehrlicher ist da Reiner Haseloff, Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt. Auch er schildert, wie schlimm die Legalisierung von Cannabis wird. Da kommt ein Übel auf Bevölkerung und Verwaltung zu, warnt er. Doch Haseloff werde sich enthalten und damit der Legalisierung faktisch zustimmen. Seine Koalitionspartner SPD und FDP wollten das so. Wenn Haseloff sich entscheiden muss, ob er Übel vom Volk abweisen oder im Amt bleiben will, dann weiß der Christdemokrat, wo ihm der Chauffeur die Tür zum Dienstwagen aufhält.
Die Legalisierung von Cannabis ist Bundessache. Die Länderkammer hätte den Beschluss des Bundestages aber in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss verweisen und dort verbessern können. So wird nun der von Lauterbach entworfene Text zum Gesetz. Das tritt schon Montag in acht Tagen in Kraft – Gerichte und Ordnungsämter haben damit vier Arbeitstage Zeit, sich auf ein Gesetz vorzubereiten, das sie vor massive Mehrarbeit stellen werde, wie mehrere Redner versicherten.
Die bayerische Justizministerin Judith Gerlach (CSU) wies auf die „vielen kleinteiligen Regeln“ hin, die das Gesetz mit sich bringe. So gibt es rund um Kitas, Schulen und Jugendzentren geschützte Zonen, in denen das Kiffen verboten bleibt. Bayern werde versuchen, diese Regelung „restriktiv“ durchzusetzen. Doch das werde in der Praxis kaum möglich sein.
Auf Anregung des Bundesjustizministers Marco Buschmann (FDP) ist ein Passus zur Amnestie in den Text gekommen, die Lauterbachs Gesetz zum Bürokratiemonster für die Gerichte machen wird. Die Belastungsgrenzen der Justiz seien jetzt schon erreicht und würden mit dem Gesetz überschritten. Das sagt ein Grüner: der Justizminister Nordrhein-Westfalens, Benjamin Limbach. Dass die Justizminister von Buschmanns Idee erst Anfang Februar erfahren haben, mache die Arbeit für sie noch schwer.
Die parteilose Justizsenatorin Berlins, Felor Badenberg, machte deutlich, was es heiße, dass alle begnadigt werden sollten, die in der Vergangenheit nach neuem Recht nicht straffällig geworden wären. Alle Fälle müssten neu geprüft werden. Nicht nur die, in denen jemand gekifft habe. Sondern auch die Fälle, in denen jemand andere Delikte begangen habe und Drogenmissbrauch als Aspekt dazu gekommen sei. Alle Akten müssten erneut rausgesucht und neu bearbeitet werden. Zur Sichtung dieser Akten würden allein in Bayern 120 neue Stellen notwendig, sagt Gerlach.
Eine besondere Regelung macht die Amnestie-Verfahren noch absurder. Künftig solle das Gewicht des Stoffs nach Trocknung maßgeblich für die Strafe sein. Das ist aber bisher nicht ermittelt worden. Die Gerichte müssten daher das Gewicht nachträglich feststellen. Faktisch öffnen Buschmann und Lauterbach damit Straftätern die Tore aus dem Gefängnis und legen die Justiz lahm.
Inhaltlich für Legalisierung hat im Bundesrat nur Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gesprochen. Wie sehr sein Gesetz die Justiz belasten wird, dazu sagt Lauterbach: „Ich kann es selbst nicht vom Aufwand her beurteilen.“ Buschmann und der Gesundheitsminister haben also offensichtlich ein Gesetz geschaffen, ohne den enormen bürokratischen Aufwand zu berücksichtigen. Der ist den verantwortlichen Ministern schlicht nicht bekannt.
Aber dafür ist Lauterbach überzeugt, sein Gesetz werde den Schwarzmarkt bekämpfen. In den Niederlanden gäbe es ein Bonanza-Modell. Der Konsum von Hasch sei erlaubt, der Anbau nicht. Das schaffe dem Schwarzmarkt Raum. Mit den Anbauvereinen gebe es in Deutschland dieses Bonanza-Modell nicht. Was aber, wenn Gerlach recht hat und die Vereine den Bedarf nicht decken können? Darauf geht Lauterbach nicht ein. Christdemokraten wählen als Inszenierungs-Strategie die des tragischen Helden. Sozialdemokraten indes streichen den Text so lange zusammen, bis nur die ihnen gefälligen Passagen stehenbleiben. Das erklärt auch, warum außer Lauterbach in der Sache im Bundesrat keiner für die Legalisierung gesprochen hat.