Tichys Einblick
Aktionsprogramm Insektenschutz

Bundeskabinett beschließt Insektenschutzgesetz

Das geplante Insektenschutzgesetz wird nun als Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes in den Bundestag gehen. Für die Landwirtschaft bedeutet das weitere Einschränkungen.

Julia Klöckner (CDU, l), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, und Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für Umwelt und Naturschutz, stellen vor der Bundespressekonferenz die Beschlüsse der Bundesregierung zum Insektenschutz vor.

picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Insektenschutzgesetzes auf den Weg gebracht. Es heißt jetzt nur nicht mehr so. Zuvor hatten sich Umwelt- und Landwirtschaftsministerium noch darauf geeinigt, dass es nicht mehr als eigenes Insektenschutzgesetz behandelt wird, sondern als Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes in den Abstimmungsprozess geht.

»Mit dem am 4. September 2019 durch das Bundeskabinett verabschiedeten Aktionsprogramm Insektenschutz hat die Bundesregierung es sich zur Aufgabe gesetzt, das Insektensterben umfassend zu bekämpfen«, formulierte das Bundesumweltministerium. »Ziel dieses Programms ist eine Trendumkehr beim Rückgang der Insekten und ihrer Artenvielfalt.«

Bundesumweltministerin Schulze (SPD) will konkrete Maßnahmen »zügig umsetzen«. Für die Landwirtschaft bedeutet das weitere Einschränkungen. Landwirte sollen in besonderen Schutzgebieten, die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Gebiete) ausgewiesen wurden, weder Insektenschutz- noch Unkrautschutzmittel auf Grünland verwenden dürfen. Im Ackerbau sollen Verbote erst nach einer Beobachtungsphase von drei Jahren erlassen werden können. Getreideanbauer wissen also nicht, was sie in drei Jahren dürfen und was nicht.

Sie müssen an Gewässern Randstreifen von mindestens fünf oder zehn Metern frei lassen, dürfen dort also nichts anbauen. Für dieses Verbot ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auf Flächen von immerhin 1,3 Millionen Hektar sollen sie keinen Ausgleich erhalten – ebensowenig für die geringeren Erträge aufgrund des Verbotes von Pflanzenschutzmitteln.

Immerhin soll es in Sonderkulturen keine Verbote für Herbizide und Fungizide geben. Vor allem Hopfen zum Beispiel kann ebenso wie Wein und Gemüse ohne Schutzmittel gegen Fraßfeinde und Pflanzenkrankheiten nicht sinnvoll angebaut werden. Verbote in Vogelschutzgebieten sollen Bundesländer je nach Lage entscheiden dürfen. Mehr Länderbefugnisse wollte vor allem der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Hauck.

Tiere und Pflanzen sollen vor »nachteiligen Auswirkungen von Beleuchtungen« geschützt werden. Deshalb sollen nach Paragraf 41a »beleuchtete oder lichtemittierende Werbeanlagen« eingeschränkt werden. Bestehende Beleuchtungen an öffentlichen Strassen und Wegen sollen nach diesem Entwurf umgerüstet werden. Das könnte für Kommunen teuer werden. Überdies sollen »Grenzwerte für Lichtemissionen« festgelegt werden.

Nichts steht übrigens in den Änderungsvorschlägen über eine Reduzierung der überdimensionalen Vogel- und Insektenschredderanlagen, über jene Windräder, die mittlerweile sogar in geschützte Waldgebiete gebaut werden.

Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat soll nach dem Entwurf ab dem 1. Januar 2024 verboten werden. Auf einem Verbot besteht Umweltministerin Schulze, wie sie immer wieder betont: »Der Glyphosatausstieg kommt. Darauf habe ich mit vielen Umweltschützern lange hingearbeitet. Glyphosat tötet alles, was grün ist.« Allerdings hat die EU-Kommission das unentbehrliche Mittel bis Ende 2023 erlaubt und wird über eine Verlängerung erneut entscheiden.

Klar ist nach dem heutigen Entwurf: Klöckner hat nichts Wesentliches für die Landwirte herausgeholt. Die Taktik des von NGOs beherrschten Umweltbundesamtes und des Bundesumweltministeriums hatte Erfolg: Maximalforderungen stellen, Nachgeben auf keinen Fall, kosmetische Änderungen zulassen. Die erfreuen die Gegenseite, in dem Fall Klöckner.

Die hat – ebensowie die Bundestagsfraktion von CDU/CSU – bereits Änderungsvorschläge angekündigt. Klöckner: »Mir ist es wichtig, dass kooperativen Lösungen vor Ort der Vorzug vor Ordnungsrecht gegeben wird. Viele Länder haben hier bereits sehr sinnvolle Regelungen getroffen, die wir durch Bundesrecht nicht in Frage stellen wollen.«

In einer zusätzlichen Protokollerklärung will sie eine Kooperationspflicht sowie einen Rechtsanspruch auf Entschädigung der Landwirte festschreiben und mehr Ausnahmen für Pflanzenschutzmittel in Naturschutzgebiete erlauben. Vor allem will Klöckner den Ländern mehr eigene Entscheidungsmöglichkeiten überlassen wissend, dass die Agrarländer Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg im Landwirtschaftsbereich von CDU/CSU dominiert werden. Noch.

Jetzt muss der Entwurf durch Bundestag und Bundesrat passieren. Frühestens im Sommer könnte dann das Bundesnaturschutzgesetz geändert werden. In der kommenden Woche will die Kanzlerin mit Bauernverbänden und Agrarministern eine Videokonferenz abhalten.


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