Was ist eine schwarze Null wert? Sie steht dafür, dass heuer zum erstmal seit 1969 der Bundesfinanzminister keine neuen Schulden aufnimmt, und dabei soll es bleiben. Eine großartige Leistung. Damit hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sich einen Platz in den Geschichtsbüchern erobert. Jetzt sucht er sich aber schon eine neue Herausforderung: Das Amt des Kanzlers.
Warum Schäuble so grimmig ist
Warum schaut der dann immer so grimmig? Wenn der Finanzminister nur ein grimmiges Gesicht aufsetzt, sagt er über sich selbst, dann hat er schon 80 Prozent seines Geschäfts erledigt, nämlich Minister abgeschreckt, die immer mehr Geld wollen. Man kann also auch mit Grimassen regieren.
Allerdings braucht man auch Glück dazu.
Denn Schäuble kassiert Steuern wie nie zuvor. 672 Milliarden werden es in diesem Jahr sein. 2009, im Jahr der Finanzkrise waren es gerade 542. Die Welt geht unter – die Deutschen zahlen Steuern. Das ist wohl das erstaunlichste Phänomen: Rund ein Fünftel höhere Einnahmen, als wäre nichts passiert. Dass Schäuble den Lohnsteuerzahlern ein paar Euro für die rein inflationsbedingten Mehreinnahmen zurückgeben mußte – nur eine Delle in der Steuerschätzung im Mai, sonst nichts. Daran wird deutlich: es wäre mehr drin gewesen, die Bürger zu entlasten; viel mehr. Aber ein Bundestag ohne Opposition und wenn, nur mit einer linken, bedeutet eben die Übermacht der Regierung.
Wie Schäuble an uns spart
Und Schäuble spart bei den Ausgaben, ohne dass wir es merken. Wegen der Null-Zinsen zahlt er immer weniger für die Schulden seiner Vorgänger. Er kriegt sogar gelegentlich Geld dafür, wenn er sich welches leiht. Viele Banken sind froh, wenn sie den Schotter irgendwo sicher abladen können. Also verleihen sie ihn an Deutschland und zahlen dafür eine Parkgebühr. Schätzungsweise 50, 60 Milliarden spart Schäuble durch Nullzinsen, ohne dass er wirklich etwas tun muss. Nun könnte man sagen: Er spart an uns. Denn Sparguthaben und Lebensversicherungen werfen nichts mehr ab. Klar. Das ist der Trick, die Absicht hinter den Null-Zinsen der Europäischen Zentralbank: Die Finanzierung der Staaten zu erleichtern und die Bürger auch.
Selbst die Flüchtlingskrise kann dem fiskalischen Erfolg Schäubles wenig anhaben – noch sprudeln die Steuern. Trotzdem baut Schäuble vor. Er ist neuerdings verdächtig guter Laune und bring dabei selbst die schwarze Null zum Wackeln. Wegen der Flüchtlinge. Man könne ja einem Menschen, der im Mittelmeer ertrinkt nicht zurufen: „Tut uns leid, wir haben gerade kein Geld.“
Warum Schäuble lacht
Wer Schäuble kennt, der weiß: Er öffnet schon die Hintertür, falls die schwarze Null doch schneller fällt, als wir rechnen können. Ist die Erfolgsstory schon im kommenden Jahr zu Ende? Dann wird die Integration von Flüchtlingen so richtig teuer: Wohnungen, Lehrer, Sprachkurse. Es wird Jahre dauern, eher 15 als fünf, bis eine nennenswerte Zahl halbwegs gut bezahlte Jobs hat und selbst Steuern zahlt. Merkels Zuwanderung in die Sozialkassen wird teuer.
Schäuble weiß auch, dass er an den Ausgaben für Rente und diverser Wohltaten für Einheimische nicht herumschnibbeln darf – das würde dann zu einer wirklichen Ausländerfeindlichkeit führen. Auch die deutsche Konjunktur schwächelt und könnte seine schwarze Null blitzschnell in tiefrote, zweistellige Milliardenschulden verwandeln – kein Eintrag im Geschichtsbuch. Dann würde er das Schicksal von Hans Eichel (SPD) erleiden, der vom Sparschwein sprach und zum politischen Schlachtschwein Schröders wurde, als die Zahlen sich röteten.
Allerdings denkt Schäuble schon weiter, und das erklärt seine gute Laune: Das Torkeln der Kanzlerin, und ihre Unfähigkeit, die selbst verschärfte Flüchtlingskrise zu bewältigen, ruft nach einem Retter. Das kann derzeit nur Schäuble sein; niemand sonst in der Union hat das Zeug dazu. Und die Flüchtlingskrise verschärft sich jeden Tag; zwar sind es nicht mehr nur Merkels Flüchtlinge – neuerdings sind es die der SPD, die sich heute jeder Kontrolle entgegenstellt wie früher mal Grenzbeamte dem Schmuggel. Es hat ja was, dass der hochgelobte Asylkompromiss von vergangener Woche nur 1.700 Fälle betrifft, denen der Familiennachzug verwehrt wird; auch die Transitzonen, die nicht so heißen dürfen, sollen nur 2 Prozent betreffen. So viel demonstratives Nichtstun einer Regierung war selten. Es ist geradezu eine Verachtung der Wähler, die aus solchen entschiedenen Maßnahmen der Handlungsverweigerung spricht.
Aber auch das dient Schäuble – die Not in den Städten und Gemeinden wird jeden Tag größer, das „Wir schaffen das“ klingt jeden Tag hohler. Als Kanzler wird Schäuble dann andere Prioritäten setzen – auch im Haushalt. Dann werden die Kosten der Integration offengelegt und die schwarze Null ist Makulatur. Mittlerweile erhöht er den Druck auf die Kanzlerin. Er stellt sich im Bericht aus Berlin- wie auch Seehofer – demonstrativ auf die Seite deMaizières, der eine Begrenzung des Familiennachzugs für Syrer und eine maximale Dauer des Aufenthalts für 1 Jahr fordert. Das ist ein Affront, den Merkels Paladin Altmaier versucht noch die Front mit der SPD zu halten: Keinerlei wirksame Maßnahme zur Begrenzung. Aber natürlich seien die Belastungsgrenzen erreicht, sagt Schäuble jetzt. Damit verlässt er sein Kassenhäuschen; so weit hat er sich noch nie von der Kanzlerinnen-Linie entfernt.
Die schwarze Null interessiert ihn nicht mehr so sehr. Wenn sie zwangsweise fällt, will er sie selbst zum Fallen bringen.
Allerdings: Ohne schwarze Null in Deutschland werden auch sofort andere europäische Länder noch mehr Schulden machen und damit erneut den Euro, die gemeinsame Währung zum Wackeldackel machen. Schon wollen sich die Franzosen wegen der Flüchtlinge höhere Schulden genehmigen lassen – obwohl sie gar keine Flüchtlinge aufnehmen. Und Ungarn will sich die Kosten für den Zaun anrechnen lassen.
Damit ist die Schwarze Null kein Zahl – sondern ein Symbol: Für langfristige Solidität und Stabilität. Sie muß stehen.
Und Schäuble? Wirkt gut gelaunt. Er empfindet es als Gnade, dass er nach all` den Qualen nach dem Attentat jetzt so sichtbar ausgezeichnet werden soll.