In der kommenden Woche bringt der Bundesfinanzminister den Bundeshaushalt für das Jahr 2024 in den Bundestag ein. Das Gutachten des Bundesrechnungshofes steht mit Flammenschrift am Bundestag, die Abgeordneten sollten vor diesem weithin sichtbaren Menetekel nicht die Augen schließen. So viel lässt sich nämlich jetzt schon sagen: Lindners Bundeshaushalt ist der Fahrplan in den Staatsbankrott – und das ist leider keine reißerische, sondern eine nüchterne Analyse.
In dem „Bericht nach § 88 Absatz 2 BHO an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. Analyse zur Lage der Bundesfinanzen für die Beratungen zum Bundeshaushalt 2024“, der TE vorliegt, heißt es: „Die Bundesregierung bekundet die Rückkehr zur ‚finanzpolitischen Normalität‘. Zieht man die erhebliche Verlagerung von Ausgaben in Sondervermögen und die echte Nettokreditaufnahme (eNKA) heran, zeigt sich: Ausgaben und Neuverschuldung des Bundes sind weiterhin stark expansiv. Der Bundeshaushalt hat in den letzten Jahren durch das Ausweichen in Nebenhaushalte deutlich an Aussagekraft eingebüßt.“
Die Regierung will gegenüber dem alten Finanzplan der Bundesregierung 70 Milliarden Euro mehr ausgeben. Trotz steigender Verschuldung und trotz der als Sonderschulden deklarierten Sondervermögen sind mehr als „ein Fünftel des vorgesehenen Ausgabenanstiegs nicht durch entsprechende Einnahmen gedeckt“. Der Bundesrechnungshof moniert zu Recht, dass für steigende Ausgaben auch die Finanzierung zu klären sei und sie nicht einfach nebulös „als haushaltspolitischer Handlungsbedarf“ zu verschleiern sind. Es handelt sich um eine Finanzierungslücke von 14,4 Milliarden Euro, die wahrscheinlich durch eine Sammlung unter den Regierungsmitgliedern geschlossen werden kann.
Doch das alles sind noch Peanuts im Vergleich zu dem Schindluder, den die Bundesregierung mit dem bilanztäuschenden Trick der Sondervermögen, die nicht nur ich, sondern nun auch der Bundesrechnungshof als „Sonderschulden“ bezeichnet, treibt, mit der jedoch die Schuldenregel des Grundgesetzes umgangen werden kann, weil die in der Nettokreditaufnahme nicht auftauchen. Deshalb hat der Bunderechnungshof in einem aufwändigen Verfahren die wirkliche Nettokreditaufnahme, die wahren Schulden ermittelt und unter den zutreffenden Begriff echte Nettokreditaufnahme (eNKE) zusammengefasst. Da die Ausgaben der Sondervermögen nicht im Etat auftauchen, werden sie als „budgetflüchtig“ bezeichnet.
Um es noch einmal klar zu sagen: Das Verschuldungspotenzial der Sondervermögen liegt über dem Fünffachen des Betrags, der regulär im Finanzplan der Bundesregierung für die Bundeshaushalte von 2023 bis 2027 ausgewiesen werden soll. Der Bundesrechnungshof sieht sich deshalb gezwungen zu kritisieren: „Das damit verbundene Ausweichen in eine ausufernde ‚Topfwirtschaft‘ verstellt den klaren Blick auf die tatsächliche Lage der Bundesfinanzen.“ Um nicht die wahren Ausgaben zu verschleiern und sie nicht für die Parlamentarier intransparent zu machen, müssen eben nicht nur die Teilschulden, die Kredite, die im Bundeshaushalt ausgewiesen werden, in den Kernhaushalt hineingerechnet werden, sondern auch die weit darüber hinausgreifenden Schulden durch die Sondervermögen.
Der Bundesrechnungshof schlussfolgert: „Unter Einbeziehung der Sondervermögen vergrößert sich der Abstand zwischen den Planungen für das Jahr 2024 und dem von der Bundesregierung herangezogenen Referenzjahr 2019 noch einmal deutlich auf rund 177 Mrd. Euro. Dies ist weit entfernt von der angeführten haushaltspolitischen Normalisierung und setzt die expansive Ausgabenpolitik der Krisenjahre fort. Möglich wird dies vor allem durch die Verlagerung erheblicher Ausgaben in die Nebenhaushalte der Sondervermögen.“ Auch wenn der Bundesrechnungshof es nicht so benennt, ist die Tatsache eindeutig, dass die Ampel und ihr Finanzminister Parlament und Öffentlichkeit bewusst täuschen, denn: „Parlament und Öffentlichkeit können dies allein aus dem Haushaltsplan nicht erkennen. Dafür sind aufwendige Recherchen und Nebenrechnungen durchzuführen.“
Wie „kreativ“ die Ampel mit diesen Sonderhaushalten umgeht, zeigt folgendes Beispiel. In den Krisenjahren 2020 und 2021 wurde die Aussetzung der Schuldenregel beschlossen. Auf die allgemeine Rücklage von 48,2 Milliarden Euro wurde jedoch nicht zurückgegriffen, sondern es wurden Schulden gemacht, um diese Rücklage noch zu haben, wenn die Schuldenregel wieder in Kraft tritt.
Zweites Beispiel: Im 2. Nachtragshaushaltsgesetz 2021 wurde rückwirkend bis auf das Jahr 2016 die Buchungspraxis geändert. Ab jetzt müssen „die buchmäßigen Zuführungen aus dem Bundeshaushalt an die Sondervermögen im Jahr der Zuführung in die Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme nach der Schuldenregel einbezogen und nicht erst – wie bis dahin – wenn die Mittel vom Sondervermögen tatsächlich in Anspruch genommen“ worden sind.
Dazu muss man wissen, dass drei Arten von Sondervermögen existieren:
- Sondervermögen mit eigener Vermögenssubstanz, die sogar als revolvierende Fonds Einnahmen erwirtschaften können,
- Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung,
- Sondervermögen mit kreditfinanzierter Zuführung aus dem Bundeshaushalt.
Der Unterschied zwischen den beiden letztgenannten Sondervermögensarten besteht darin, dass die einen selbst Kredite aufnehmen dürfen und für die anderen der Staat Kredite für sie aufnimmt.
Doch die Sondervermögen mit eigener Vermögenssubstanz sind mit 88,9 Milliarden Euro die kleinsten, während die Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung einen Umfang von 590 Milliarden Euro besitzen und die Sondervermögen mit kreditfinanzierter Zuführung aus dem Bundeshaushalt 190 Milliarden Euro ausmachen. Die Sondervermögen, die also selbst mit Krediten die Bürger der Bundesrepublik belasten dürfen, besitzen die höchsten Volumina – und sie sind vor allem von Merkel und vor allem erst von der Ampel geschaffen worden.
Dem WSF (Wirtschaftsstabilisierungsfonds) wurde zur Finanzierung steigender Energiepreise, die allein die Ampel durch eine falsche, das Land ruinierende Energiepolitik zu verantworten hat, eine Kreditermächtigung in Höhe von 200 Milliarden Euro eingeräumt. Obwohl man wusste, dass die überwiegenden Kosten erst 2023 und 2024 eintreten werden, wurde die Kreditermächtigung für das Jahr 2022 geschaffen, weil da die Schuldenregel des Grundgesetzes noch ausgesetzt war. Seit 2020 wurde die Einhaltung der Schuldenregel des Grundgesetzes umgangen durch:
- die Schonung der allgemeinen Rücklage von 48,2 Milliarden Euro,
- die Zuführung/Zweckentfremdung von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds,
- die Bildung des Sondervermögens Bundeswehr von 100 Milliarden Euro, das immer stärker aufgeweicht wird, um Haushaltslöcher zu stopfen,
- und durch die Kreditaufnahme auf Vorrat durch den WSF von 200 Milliarden Euro.
Zu den Bilanztricksereien im Haushalt, um die Schuldenregel einzuhalten, gehören Ausgabenverlagerungen, ungedeckte Positionen, fehlende Substanz und die „Streichung von Vorsorgen“. Will man die Substanzlosigkeit von Lindners Planung verdeutlichen, braucht man nur auf die globale Minderausgabe in Höhe von 8 Milliarden Euro hinzuweisen, mit der hoffnungsvoll Lindner den „am Jahresende verbleibenden ‚Bodensatz‘ nicht geleisteter Ausgaben“ beziffert, die jetzt schon mal als Einnahme gebucht werden.
Der Bundesrechnungshof führt folgende Streichungen auf: „Absenkung des zusätzlichen Bundeszuschusses an die Rentenversicherung (0,6 Mrd. Euro), keine Fortführung des ergänzenden Zuschusses an den Gesundheitsfonds (2 Mrd. Euro), Aussetzung des Bundeszuschusses nach § 61a Sozialgesetzbuch XI zur pauschalen Beteiligung an den Aufwendungen der sozialen Pflegeversicherung (1 Mrd. Euro).“ Es steht zu erwarten, dass diese Kürzungen durch Beitragserhöhungen für die Beitragszahler und durch die Leistungsminderung für diese Beitragszahler kompensiert werden. Feind der Regierung ist offensichtlich derjenige, der arbeitet, Steuern und Beiträge zahlt. Die Regierung wird immer stärker zu einer Regierung der Migranten; eine Regierung der Deutschen ist sie längst nicht mehr, die werden jedenfalls hemmungslos verschuldet.
Das alles würde aber noch nicht zum Staatsbankrott führen, träten nicht noch zwei Komponenten zum explosiven Mix hinzu:
Erstens: Der Bundesrechnungshof prognostiziert: „Ab dem Jahr 2028 wird sich die Finanzlage des Bundes noch einmal verschärfen. Bis dahin werden die Finanzreserven und Kreditspielräume in den Sondervermögen weitgehend aufgezehrt sein. Die Tilgungsverpflichtungen aus den in den Jahren 2020 bis 2022 eingegangenen Notlagenkrediten treten als Belastungen hinzu. Die Zinsausgaben werden langfristig hoch bleiben.“ Heißt: die Schuldenrallye kommt an ihr Ende und der Zahltag naht. Sicher, kann man noch teurere Umschuldungen vereinbaren.
Doch wie sieht es dann mit der wirtschaftlichen Substanz, der Wertschöpfung, des BIPs und demzufolge den Steuereinnahmen in Deutschland aus? Schon im Jahr 2024 hat der Bund 36 Milliarden Euro für den Schuldendienst aufzubringen. Das übertrifft die Ausgaben der Einzelpläne für drei Ministerien zusammen, und zwar für das Bundesministerium für Bildung und Forschung, für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
Zweitens: Diese an sich schon besorgniserregenden Rechnungen haben aber die Risiken, die in den drei großen Sozialkassen lauern, nicht eingepreist. Im Jahr 2028 werden viele Babyboomer entweder schon in Rente sein, oder sich auf dem Weg in die Rente bewegen. Immer größere Leistungen werden zudem für eine wachsende Klientel erbracht werden müssen, die nie in die Sozialkassen eingezahlt haben noch es jemals werden. Laut einer Studie der Universität Freiburg beträgt die Gesamtverschuldung des deutschen Staates derzeit 448 Prozent des BIP. Die tatsächliche Verschuldung ist demnach siebenmal so hoch als die offiziell angegebene mit rund 66 Prozent des BIP. Innerhalb eines Jahres sprang die Nachhaltigkeitslücke laut Bernd Raffelhüschen vom Forschungszentrum Generationenverträge von 14,1 auf 17,3 Billionen Euro.
Der Bundesrechnungshof hat in zwei Analysen in kürzester Zeit, erstens zu den Sondervermögen und zweitens zu Lindners Haushaltsentwurf, das Bundesfinanzministerium massiv kritisiert – und das zu recht. Die Regierung wirft das Geld der Steuerzahler zum Fenster raus und verschuldet, weil das Geld trotz Rekordsteuereinnahmen noch immer nicht reicht, die deutschen Bürger über beide Ohren – und zwar bis ins dritte Glied hinein.
Einige mögen das tun, weil sie glauben, dass morgen ihr Utopia anbricht, wenn sie nur Kurs halten, andere dürften sich jetzt schon um eine gutdotierte Anschlussverwendung kümmern, wie man es von den Herren Rösler und Bahr erlebt hatte. Doch zurückbleibt ein heruntergewirtschaftetes und hoch verschuldetes Deutschland, das obendrein noch den Anschluss in der Welt verpasst hat. Olaf Scholz warnt davor, den Standort schlecht zu reden, es wäre schon viel gewonnen, wenn er den Standort nicht schlecht, nicht in Grund und Boden regieren würde.