Tichys Einblick
"dilettantisch zum Betrug eingeladen"

Bund zahlte über 17,6 Milliarden für Corona-Tests – Bundesweit Ermittlungen gegen Abrechnungsbetrug

Die für Bürger kostenfreien Corona-Tests wurden aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Nun wird bundesweit ermittelt gegen Betrug. Es geht um hohe Millionenbeträge, die Betreiber von Teststationen zu viel abgerechnet haben sollen.

Geschlossene Covid-19-Teststation Berlin, 10.08.2023 (Symbolbild)

IMAGO / Jochen Eckel

Bundesweit haben die Behörden in rund 4.766 Fällen Ermittlungsverfahren wegen mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs mit Corona-Tests eingeleitet. Insgesamt geht es um hohe Millionenbeträge, die Betreiber von Teststationen mutmaßlich zu viel abgerechnet haben, berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf Angaben des Bundesgesundheitsministeriums. Bezahlt wurden die für Bürger kostenlosen Tests aus dem Bundeshaushalt. Laut Bundesamt für Soziale Sicherung hat der Bund bis zum 15. August 2023 bereits mehr als 17,6 Milliarden Euro für die sogenannten Bürgertests ausgegeben.

„Mit ein paar Klicks im Online-Verfahren war es möglich, ein Testzentrum zu eröffnen und Tests in irrsinniger Höhe abzurechnen – sogar auch dann, wenn nie Tests gemacht wurden“, schreibt Friedrich Pürner in seinem Beitrag für TE. Wie der SWR 2 berichtete, hat der Bund rund 440 Milliarden Euro für die Pandemie und ihre Folgen ausgegeben – noch nicht eingerechnet sind der Schaden der Volkswirtschaft und die Ausgaben der Länder. „Das Thema entpuppte sich im Laufe der Recherche wenig überraschend als Fass ohne Boden“, heißt es dort.

Für die Abrechnung der Corona-Tests waren die Kassenärztlichen Vereinigungen zuständig. Die Coronavirus-Testverordnung des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, die im Juni 2020 in Kraft trat, sah allerdings keine Kontrollmechanismen vor. „Erst zwei Jahre und mehrfache Anpassungen der Testverordnung später, wurde durch § 7a TestV im Juni 2022 die Möglichkeit für die Kassenärztlichen Vereinigungen, eine Abrechnungsprüfung vorzunehmen, geschaffen“, so Pürner. „Das Bundesgesundheitsministerium ließ somit einige Möglichkeiten, mittels der Testverordnung Betrügern einen Riegel vorzuschieben, links liegen. Und so konnten viele Betrüger munter weiter verdienen.“

Da die Corona-Testzentren die von ihnen erbrachten Leistungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) abrechneten, müssen sie Rückzahlungsansprüche geltend machen und die Gelder an den Bundeshaushalt zurückzahlen, wenn sie im Rahmen der Abrechnungsprüfung feststellen, dass Vergütungen zu Unrecht gewährt wurden. Doch hier hakt es offenbar: Bis zum 15. August 2023 wurden durch die Vereinigungen als Ergebnis von Abrechnungsprüfungen gerade mal 17,8 Millionen Euro über das Bundesamt für Soziale Sicherung an die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zurückgezahlt.

Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gegenüber dem Ministerium haben die KV im Rahmen der Ermittlungsverfahren rund 295 Millionen Euro an Auszahlungen gegenüber Testcenter-Betreibern vorläufig ausgesetzt. Weiterhin wurden laut des Berichts in 2.073 laufenden Verfahren rund 115 Millionen Euro wegen Falschabrechnungen durch die KV bei Testcenter-Betreibern per Bescheid geltend gemacht.

„Der Betrug in den Corona-Testzentren, die Maskendeals und auch die Intensivbettenförderungen gehören zu den vielen Corona-Hilfsprogrammen, bei denen Steuergelder in den Corona-Jahren mit zu wenig Kontrolle in zweifelhaften Löchern versickert sind“, sagte die Haushaltspolitikerin der Grünen, Paula Piechotta, der „Welt am Sonntag“. „Diese Tatsache ist vor dem Hintergrund der geringen Spielräume im Haushalt und den notwendigen Reformen und Investitionen im Gesundheitswesen umso bitterer.

Es war die Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen, die Abrechnungen der Corona-Tests zu kontrollieren. Wichtig ist, dass die Aufarbeitung aller Fehler jetzt ehrlich und gründlich ist“. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sagte der „Welt am Sonntag“, in Deutschland habe man in Sachen Corona-Testcenter so „dilettantisch zum Betrug eingeladen“, dass viele die Gelegenheit gerne wahrgenommen hätten.

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