Tichys Einblick
Folgen des Gelddruckens

Bund bezahlt Kommunen überhöhte Mieten für Migrantenunterkünfte

Die Koalition will den Missstand nicht beseitigen, sondern stattdessen die Prüfrechte des Rechnungshofes aushebeln.

Flüchtlingsunterkunft in Hannover-Lahe

imago images / Rust

Mit der Bereitstellung von Unterkünften für Migranten kann viel Geld verdient werden. Dass ausgerechnet Städte und Gemeinden sich mit überhöhten Mieten für die von ihnen bereitgestellten Unterkünfte die Taschen vollstopfen, machte der Vertreter des Bundesrechnungshofes, Dieter Hugo, in seiner Stellungnahme für die Anhörung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am Montag (7. September 2020) deutlich: „So lagen bei den KdU-Leistungen für Geflüchtete die Gebühren kommunaler Träger häufig weit über den ortsüblichen Mieten für Wohnräume vergleichbarer Größe – oft mehr als 100 Prozent.“ KdU bedeutet im Amtsdeutsch „Kosten der Unterkunft und Heizung“.

Statt den Missstand zu beseitigen und Kosten wirksam zu kontrollieren, will die Große Koalition die hochgetriebenen Kosten mit noch mehr Geld begleichen. Der entsprechende Gesetzentwurf einschließlich einer Grundgesetzänderung steht bereits am Donnerstag zur Verabschiedung auf der Tagesordnung des Bundestages. Darin enthalten ist auch eine Bestimmung, die Kontrollmöglichkeiten des Rechnungshofes und Eingriffsmöglichkeiten des zuständigen Bundesarbeitsministeriums weitgehend aushebelt.

Offiziell läuft das Vorhaben unter der Überschrift „Entlastung der Kommunen“ und soll allein in diesem Jahr 12,4 Milliarden Euro kosten, die vom Bund über seine Beteiligung an den Wohnkosten (KdU) an die Kommunen weitergereicht werden.
Künftig soll der Bundesanteil dauerhaft um 25 Prozent auf bis zu 74 Prozent erhöht werden.

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Pingelige Prüfer sollen auch in Zukunft zwar noch in die Bücher schauen dürfen, aber fast nichts bewirken können. Dafür will die Koalition sogar das Grundgesetz ändern. Denn eigentlich würde eine Erhöhung des Kostenanteils des Bundes von unter 50 auf 74 Prozent der Gesamtkosten dazu führen, dass die Kommunen als „Bundesauftragsverwaltung“ tätig werden würden. Was das bedeutet, erläuterte Professor Thomas Lenk (Universität Leipzig) in seiner Stellungnahme für den Haushaltsausschuss: „Tragen die Länder bei der Ausführung von Geldleistungsgesetzen des Bundes mehr als die Hälfte der Ausgaben, erfolgt die Ausführung in eigener Angelegenheit. In diesem Fall ist der Bund Träger der Rechtsaufsicht, das heißt, er kontrolliert die Rechtmäßigkeit des Aufgabenvollzugs. Die Fachaufsicht obliegt den Ländern, die über das Verwaltungshandeln und konkrete Verwaltungsverfahren selbst entscheiden. Trägt der Bund hingegen die Ausgaben mindestens zur Hälfte, handeln die Länder im Auftrag des Bundes. Fach- und Rechtsaufsicht liegen hier beim Bund, der gegenüber des Landesverwaltungen weisungsberechtigt ist und neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit des Ausgabenvollzugs überprüft.“

Doch wenn die Staatskassen mit billigem Notenbankgeld geflutet werden können, scheint die Zweckmäßigkeit von Ausgaben nicht mehr geprüft werden zu müssen, und die sparsame Verwendung von öffentlichen Geldern wird endgültig zum Fremdwort. In der gesetzgeberischen Praxis soll das so aussehen: Durch eine Änderung im Artikel 104a Abs. 3 des Grundgesetzes soll Bundesauftragsverwaltung bei den Kosten der Unterkunft erst ab einem Bundesanteil von 75 Prozent eintreten. Auf geradezu wundersame Weise bleibt die geplante Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft mit 74 Prozent knapp darunter, während wesentlich kleinere Positionen im Bundeshaushalt wie Elterngeld (7,3 Milliarden Euro) oder BAföG (2,3 Milliarden Euro) weiterhin im Auftrag des Bundes abgewickelt und von ihm entsprechend kontrolliert werden.

Bundesrechnungshof-Vertreter Hugo nennt die Grundgesetzänderung daher „systemwidrig“. Zweck der Bundesauftragsverwaltung sei es, dem Bund ausreichend Kontroll- und Eingriffsrechte beim Gesetzesvollzug zu verschaffen. Künftig hätte das Bundesarbeitsministerium in diesem Bereich aber „keine unmittelbaren Einflussmöglichkeiten“. Obwohl noch sehr viel zu tun wäre, wie aus Hugos Stellungnahme ebenfalls hervorgeht: Danach haben kommunale Träger Jobcenter angewiesen, die Angemessenheit der von den Kommunen geltend gemachten Gebühren für Unterkünfte erst gar nicht zu prüfen. „Das war eindeutig rechtswidrig“, so die Einschätzung des Rechnungsprüfers. Der Bundesrechnungshof dürfe nach der Gesetzesänderung zwar noch Prüfungen durchführen, aber seine Empfehlungen würden „nicht die nötige Wirksamkeit entfalten, weil es keinen Adressaten auf Bundesebene gibt, der unmittelbar für deren Umsetzung sorgen könnte“, schildert Hugo die Folgen der Gesetzesänderung.

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