Seit Corona hat sich angeblich etwas verändert im Alltag der Jobcenters, und das wahrscheinlich nicht nur im Berliner Bezirk Tempelhof. Dort reagiert die Hälfte der angeschriebenen Bürgergeld-Empfänger gar nicht mehr auf mitgeteilte Meldetermine. In der Folge werden Mitarbeiter losgeschickt, um nach den Bürgergeld-Empfängern zu suchen. Sie klingeln bei den „Kunden“ und entdecken oft Unerwartetes: einen jungen Mann etwa, der mit seinem Bruder bei der Mutter wohnt, modische Daunenjacken und teure Smartphones besitzt und es gar nicht bemerkt hat, dass das Bürgergeld schon vor Wochen gekürzt wurde.
Der junge Mann verspricht, bald einen Job in der Sicherheitsbranche anzunehmen, und sucht dann geschäftig das Weite. Anscheinend hat er auch ohne offizielle Arbeit genug zu tun. Der Focus nennt ihn (anonymisiert) Dennis.
Nun mögen die Bürgergeldbezieher in Teilen des Landes (etwa in Tempelhof-Schöneberg) abnehmen. Doch eine Zahl geht gewiss nicht zurück, sondern steigt auch im günstigsten Umfeld: die der arbeitslosen Ausländer. Jetzt liegen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zu Leistungsbeziehern nach Migrationshintergrund vor, wie Welt (hinter Bezahlschranke) berichtet. Demnach haben 2,5 Millionen von derzeit rund 3,9 Millionen Bürgergeld-Empfängern Migrationshintergrund. Das sind fast zwei Drittel (62,8 Prozent) der Leistungsempfänger in Gesamtdeutschland. Im Westen machen Personen mit Migrationshintergrund sogar 67,5 Prozent aus – klar über zwei Drittel aller Bezieher.
Den Löwenanteil von knapp zwei Millionen Leistungsempfängern machen dabei Personen mit eigener Migrationserfahrung aus, die also nicht in Deutschland geboren wurden. Das sind 80 Prozent dieser Gruppe. Nur rund 430.000 der „Hartzer“ mit Migrationshintergrund sind hier geboren. Der Rest (62.000) machte keine näheren Angaben. 1,8 Millionen der Leistungsempfänger sind weiterhin Ausländer, haben also keinen deutschen Pass. Das sind 46 Prozent von allen Leistungsempfängern.
Internationaler Schutz vor dem syrischen Arbeitsmarkt
Was man daraus lernen kann? Die Einwanderung nach Deutschland ist entweder ein schlimmes Armutsrisiko – aus der Perspektive derer, die schon länger hier leben – oder, neutraler ausgedrückt, für viele ein Direktfahrschein ins deutsche Sozialsystem. Natürlich nicht für den Arbeitnehmer, der hier als Teil eines Kontingents herkommt, um als Pfleger oder Sonstiges zu arbeiten. Wohl aber für den Ausländer, der sich ohne Qualifikationen aufmacht, um von einem nebelhaften „Asyl“ zu profitieren, von internationalem Schutz vor dem afghanischen oder syrischen Arbeitsmarkt.
Blickt man auf die Gesamtbevölkerung, dann haben – laut Zahlen von 2022 – 29 Prozent in Deutschland einen Migrationshintergrund. Knapp die Hälfte davon (14 Prozent) haben den deutschen Pass, etwas mehr (knapp 15 Prozent) nicht. Etwa zwei Drittel der Personen mit Migrationshintergrund (18 Prozent von allen) haben eigene Migrationserfahrung.
Wiederum wird also deutlich, dass bei Personen mit Migrationshintergrund eine deutliche Prädisposition dafür besteht, dass sie Bürgergeld beziehen: 29 Prozent Bevölkerungsanteil, aber 62,8 Prozent Anteil an den Leistungsbeziehern. Noch stärker prädisponiert die Migrationserfahrung zum Leistungsempfängerstatus: Migrationserfahrung haben 18 Prozent der Bevölkerung, aber 51 Prozent der Bürgergeld-Empfänger. Das Risiko vergrößert sich hier auf das mehr als Dreifache. Ähnlich ist das Fehlen oder Dasein des deutschen Passes zu sehen (15 Prozent gegenüber 46 Prozent), aber das ist eher eine abhängige Größe.
Schon im Dezember brauchte Arbeitsminister Heil einen Zuschuss
Doch die SPD sah angesichts der Entwicklung keinen Reformbedarf, auch nicht bei der Benennung des Bürokratie-Ungetüms. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte stattdessen einen Sonderzuschuss vom Finanzministerium. 3,25 Milliarden Euro bekam Heil nur für diesen Zweck (und für Miet- und Heizkosten) am Ende des Jahres 2023 zugewiesen. Zum Jahresbeginn 2024 wurden die Sätze teils deutlich (um bis zu 61 Euro pro Person) erhöht. Insgesamt erhalten rund 5,5 Millionen Erwachsene und Kinder in Deutschland Bürgergeld. Auch im neuen Haushaltsjahr könnten also an dieser Stelle mehrere Milliarden Euro fehlen.
In einem Jahr nur 62.000 Stellen aus Top-Asylländern besetzt
Leistungsberechtigte Bürgergeld-Empfänger sind etwas anderes als Arbeitslose. Von letztgenannten hatte Deutschland Anfang des Jahres 2,63 Millionen, wovon 53,4 Prozent Migrationshintergrund besitzen. Natürlich gibt es hier eine starke Überschneidung mit den Bürgergeld-Empfängern. Diese sind mehr als die Arbeitslosen, obwohl ja immer nur von erwerbsfähigen Leistungsempfängern die Rede ist.
Nicht als arbeitslos gelten Personen, die an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnehmen oder über 58 Jahre alt sind. Die Arbeitslosenzahlen sind zuletzt wieder gestiegen, im Januar erstmals seit Jahren wieder über die Sechs-Prozent-Marke. Auch die aktuell starke Zunahme der ausländischen Arbeitslosen wird auf die Ukraine-Flüchtlinge zurückgeführt. Zugleich haben sich aber seit Beginn der Migrationskrise andere Zahlen aufgebaut, die nur schwer wieder abzuschmelzen sein werden.
Das Institut für Arbeitsmarktforschung der Bundesagentur für Arbeit bleibt aber dabei: Zuwanderung nützt dem deutschen Arbeitsmarkt enorm. 312.000 ausländische Beschäftigte habe es im Dezember 2023 mehr als im Dezember 2022 gegeben. Aus den Top-8-Asylländern (Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia) kamen allerdings nur 62.000 neue Beschäftigte. Das ist schon etwas flau angesichts von mehr als 300.000 Neuzugängen durch illegale Einreise und Schutzantrag. Viele der Stellen dürften zudem im Helferbereich zu verorten sein. Asylbewerber gehen zunächst gar nicht in die Bürgergeldstatistik ein, weil sie meist über Jahre Asylbewerberleistungen bekommen.