Tichys Einblick
Wut statt Trauer

Die Verwandlung der Bürger in wehrlose Opfer

Der Staat hat jetzt ganz offiziell aufgegeben, seine Bürger zu schützen. Schlimm genug. Aber es kommt noch schlimmer: Sie sollen sich auch nicht wehren können. Trauer wird verlangt und öffentlich zelebriert, wo gerechter Zorn walten sollte – über einen Staat, der seine Bürger missachtet und verhöhnt.

picture alliance/dpa | Gianni Gattus

Es gibt Sätze, die in den Ohren hallen, die unverfälscht wiedergeben, was ist, ohne jede Beschönigung. Am Tag nach dem Attentat von Solingen erklärte der zuständige Polizeipräsident Markus Röhrl:

„Jeder muss sich mit sich ausmachen, ob er zu Festivitäten geht, ob er zu Fußballspielen geht, ob im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs ist“

Sobald wir also unser hoffentlich gut gesichertes Haus, unsere verriegelte Wohnung verlassen, leben wir auf eigene Verantwortung. Wir tragen das Risiko, im Stadion, auf der Straße, am Bierstand, in der Straßenbahn oder im Zug erstochen zu werden. Das müssen wir wissen. Die Polizei wird uns nicht schützen.

Schimpft nicht auf Markus Röhrl. Wir sollten ihm dankbar sein, dank seiner Erklärung wissen wir jetzt, woran wir sind. Im ZDF erklärte ergänzend Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit diesem feinen Lächeln, das ihn so liebenswert macht, dass es in einer „offenen Gesellschaft unmöglich“ sei, jedem Schutz zu garantieren. Deswegen sei jetzt Zeit, über neue Gesetze zu verhandeln. Zu einem besseren Schutz vor Angriffen „gehört auch, dass die Sicherheitsbehörden mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet werden“.

Was bedeutet das? Die Polizei hat den Schutz der Bürger aufgegeben. Ihr Risiko! Das ist buchstäblich entwaffnende Klarheit. Erinnern Sie sich an die Stiche und Bilder des 19. Jahrhunderts? Die feinen Herren der damaligen Zeit trugen einen Spazierstock mit sich. Gab es so viele kaputte Knie? Die Antwort ist: Der Spazierstock war eine Waffe. Er trug vorne eine scharfe Spitze.

„Stockfechten“ war ein übliches Training für den Umgang damit. Manche hatten Stöcke, die eine lange Klinge im Stock verbargen. Der letzte Bürger, der so ausgestattet war, soll Otto Graf Lambsdorff gewesen sein, der ehemalige FDP-Vorsitzende. Der Mann hatte sich zu wehren und seine Frau und Familie zu verteidigen. Das war der Deal, wie er im Jahre 1804 übrigens auch im damals modernen Code Civil Napoleons niedergelegt wurde.

Modern ist das nicht. In der Moderne übernähme der Staat die Schutzpflicht. 220 Jahre später allerdings erklärt uns der zuständige Polizeipräsident für die Mord-Region in und um Solingen, dass wir uns und unsere Familie wieder allein verteidigen müssen. 

Es kommt allerdings schlimmer. Die Mittel dazu werden uns verboten. Ein Stock-Degen wäre ein sofortiger Fall für den Staatsanwalt. Der entwaffnete Bürger hat zu erdulden, wenn andere das Messer ziehen und gezielt auf den schutzlosen Hals der nun sich selbst Schutzbefohlenen zielen.

Dass auf dem „Fest der Vielfalt“ in Solingen ohnehin ein Messerverbot gilt, hat den Mörder nicht daran gehindert, ein langes Messer zu benutzen, das verboten ist. Paragraph 42 des Waffengesetzes verbietet Einhandmesser (solche mit Knopf zum schnelleren Öffnen) und Stichwaffen mit Klingenlänge über 12 Zentimeter. Verbote haben die seltsame Eigenschaft, derer sich Politiker in diesen Jahren nicht mehr im Klaren zu sein scheinen: dass sie missachtet werden. Wozu brauchen wir also weitere „Befugnisse“ der Polizei, etwa zur Durchsuchung von unseren Wohnungen, wie sie Nancy Faeser fordert, damit wir uns nirgends mehr sicher fühlen können? Die Polizei hat die notwendigen Befugnisse. Sie übt sie nicht aus.

In den Reihen derjenigen, die sich nach Solingen lächerlich machten, gehört auch der zuständige Landesinnenminister Herbert Reul, der politische Vorgesetzte des ehrlichen Polizeipräsidenten. Reul erklärte im regierungsnahen Mediendienst Table: „Man kann auch sagen, der Staat hat funktioniert. Wir haben den Täter innerhalb von eineinhalb Tagen gefunden. Eine solche Tat, wenn jemand mit dem Messer unterwegs ist, die ist nicht zu verhindern.“

Diese Aussage, die selbstverständlich von den Journalisten des Gefälligkeitsportals Table unwidersprochen blieb, ist schlicht falsch. Der Täter hat sich gestellt. Die Polizei brauchte nur zu warten, bis er sich mit dem Satz auslieferte: „Ich bin der, den ihr sucht“. Die Integration des Mannes jedenfalls in die Sprache ist gelungen.

Und die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist stolz darauf, dass sie nur eineinhalb Tage warten muss, bis Täter in ihre Zellen spazieren, wenn sie da nach gemütlichen Haftbedingungen und hinreichend Freigang wie in Bayern überhaupt auf Verbleib hoffen dürfen und nicht wegen Schuldunfähigkeit wieder verstoßen werden. Möglicherweise hat der Solinger Täter auch die Wirkung des Gleichstellungsgesetzes richtig verstanden, das seit 1. August wirksam ist. Danach kann er sich umstandslos zur Frau zu erklären und ist in ein Frauengefängnis zu verlegen. Dort erhält er symbolisch als Kämpfer für Allah 72 Jungfrauen. 

Wobei: Die volkstümliche Zahl 72 für die Anzahl der im Paradies einem Mann beigegebenen Huris steht nicht im Koran. Sie hat eine mystisch-magische Funktion und bedeutet etwa so viel wie „reichlich“, so klärt uns Wikipedia auf. Reichlich Jungfrauen also, vermutlich eine Spezifikation von Weiblichkeit, die in Frauengefängnissen schwer zu finden sein dürfte. Aber die Zahl ist ja nur mystisch zu verstehen.

Im Übrigen ist es die Aufgabe der Polizei, den Staat vor dem Bürger zu schützen, weswegen Hunderte von Polizisten gemütlich hinter Bildschirmen sitzen und Facebook, Twitter und Telegram durchforsten, ob da nicht ein frecher Bürger etwas Ungezogenes über seine Herrschaft zu posten gewagt hat – auf der Straße wird der Schutz eingestellt, im Netz der Schutz der Politiker vor Kritik perfektioniert. Und so will SPD-Vorsitzende Saskia Esken in Solingen keine Lehren erkennen können. Masseneinwanderung soll weitergehen, aber im Internet sollen Politiker-kritische Kommentatoren gesperrt werden. Wenn die Opfer immer lauter schreien, soll man es wenigstens nicht mehr hören müssen. 

Und so reiht sich ein Versagen der Staates und seiner Vertreter aneinander. Wobei: Nein, es ist kein Versagen. Es ist erklärte Absicht. Der Bürger soll endgültig schutzlos gemacht werden. Sobald er seinen geschützten Raum verlässt, ist er verlassen und auf sich gestellt, der Staat degradiert ihn zum Opfer für jene Männer, die dieser Staat ins Land holt. Sie fliehen nicht, sie werden geholt. Per Schiff über das Mittelmeer oder per Baerbock-Airline aus Afghanistan. Am Tag nach Solingen fand übrigens eine Demonstration von Islamisten vor dem Nürnberger Dom statt. Genehmigt von der Stadt, behütet von der Polizei. Eine Machtdemonstration.

Es soll keiner sagen, wir haben es nicht gewusst. Dieser Staat hat nicht „kapituliert“, wie manche wohlmeinenden Kommentatoren kritisch zu dieser ehrlichen Haut von einem Polizeipräsidenten schreiben. Wir sind schon weiter. Es ist ihre Absicht, uns zu wehrlosen Opfern zu reduzieren, die Steuern zu zahlen haben bis zum Letzten.

Es soll keiner sagen, wir haben es nicht gewusst.

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