Tichys Einblick
Neue Partei

Bündnis Deutschland stellt sich selbst hohe Hürden in den Weg

Die neue Partei Bündnis Deutschland hat sich erstmals vorgestellt. Die Partei will bürgerlich werden und sich von der AfD abgrenzen. Damit stellt sie sich selbst eine Hürde auf den ohnehin beschwerlichen Weg.

2015 sei es dann nicht mehr gegangen und er sei aus der CDU ausgetreten. Schlagartig gehen die Hände hoch, der kleine Raum im Hotel Maritim erscheint elektrifiziert. 2015… Das ist das Schlagwort, auf das sie gewartet haben, die Hauptstadtjournalisten: Merkel, Flüchtlingspolitik, dagegen gewesen, also letztlich gegen Flüchtlinge gewesen, rechts, rechtsextrem… Das ist die Geschichte, die sie kennen und mögen. Die Hauptstadtjournalisten sind zur ersten Pressekonferenz des Bündnis Deutschland gekommen, um über die neue Partei zu reden, mit deren Einordnung sie sich noch schwertun. Das Stichwort „2015“ weist ihnen den Weg. Merkel, Flüchtlinge – die Show kann beginnen.

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Doch Walter Münnich muss die Journalisten enttäuschen. 2015 sei er aus der CDU ausgetreten, weil die Partei in seinem Heimatort Hamminkeln mit den Grünen die Gewerbesteuer erhöht hat. Immer wieder habe er als Vorstand der Mittelstandsvereinigung seiner Partei darauf hingewiesen, erzählt Münnich, dass die heimische Wirtschaft am Niederrhein überlastet sei. Trotzdem kam die Erhöhung der Gewerbesteuer. Daraufhin habe er die CDU verlassen. Mit der Münnich-Geschichte können die Journalisten kaum etwas anfangen. Merkel-Flüchtlinge-Nazis wäre ihnen vermutlich lieber gewesen. Das war einfacher und hat so schön ins eigene Weltbild gepasst.

Der Start der neuen Partei Bündnis Deutschland verläuft glanzlos. Muss glanzlos verlaufen. „Es ist ein Langstreckenlauf, kein Sprint“, sagt Steffen Große, der erste Vorsitzende der Partei. Die hat es sich zum wichtigsten Ziel gesetzt, Politik weg von der Ideologie zu führen hin zur Vernunft. Zu den jeweiligen Themen in die Sacharbeit zu gehen. Mit einfachen Zielen wie: Leistung muss sich wieder lohnen, Energie sicher sein und die Straßen auch. Aber mit komplizierten Wegen, die dorthin führen. Leicht rechts von der Mitte verordnet Große seine Partei selbst. Letztlich sei es eine bürgerliche Politik. Da sei ein Vakuum entstanden. Weil die AfD nicht koalitionsfähig ist, sei es letztlich egal, was Bürgerliche wählten: „Am Ende erhalten sie immer Rot-Grün oder irgendwas mit Rot-Grün als Anhang dran.“ Das frustriere viele Bürgerliche.

Walter Münnich ist so ein Beispiel dafür, wie diese bürgerlichen Wähler gewonnen werden sollen. Er selbst ist 73 Jahre alt, war nach eigenen Angaben Vorstandsvorsitzender eines Maschinenbau-Unternehmens und führte die Aufsichtsräte mehrerer mittelständischer Unternehmen. Er ist also gut vernetzt in der Wirtschaft, kennt sich aus und ihm werden Sorgen zugetragen. Stellvertretend liest er der Runde den Brief eines befreundeten Unternehmers vor, der sich angesichts steigender Preise, Abgaben und möglicher Stromknappheit über die Bundesregierung auslässt. So schlecht sei die Stimmung in der Wirtschaft, sagt Münnich danach und sinniert: „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es jemals so ein Bedrohungsgefühl um den Wohlstand des Landes gegeben hat.“ Münnich wird die Beratungen zur Wirtschaftspolitik des Bündnisses koordinieren und soll die Verängstigten ans Bündnis binden.

Noch ist die Partei erst zwei Tage alt. Die Anmeldenummer beim Bundeswahlleiter hat sie, ein eigenes Konto noch nicht. Sie ist gut 50 Mitglieder stark und will es bis zum Januar schaffen, einen Bundesparteitag zu organisieren und dort eine breitere Basis zu präsentieren, sagt Generalsekretär Niklas Stadelmann. Rund 4000 Interessierte hätten sich auf einer anonymisierten Internetseite gemeldet. Jetzt erst, da formelle Bedingungen erfüllt seien, könne die Partei diese Mitgliedsanträge anbieten. Ob sie Mitglied werden und bleiben dürfen, wenn sie die Anträge ausfüllen, ist aber offen.

Denn: Das Bündnis Deutschland stellt vergleichsweise hohe Hürden vor einer Mitgliedschaft auf. Die junge Partei hat Angst, dass ihr das gleiche passiert, was so vielen Neugründungen vor ihr passiert ist: Überrannt zu werden von einem Prekariat an Parteienhoppern, die überall schon gewesen sind und stets mehr Verwüstung als Konstruktives hinterlassen haben. Vor allem aber hat das Bündnis Angst, soweit nach Rechts gezogen zu werden, dass ein Koalitions-Tabu verhängt wird wie gegen die AfD. Schon die ersten Berichte linker Medien bestätigten den Verdacht des Vorstands, dass linke Medien genau das versuchen werden.

So ist denn auch auf der ersten Pressekonferenz die AfD-Nähe das eigentlich größte Thema. Zwei der 50 Mitglieder seien ehemalige AfD-Mitglieder, berichtet der Vorsitzende Große. Aber genauso viele kämen von SPD, Freien Wähler oder anderen Parteien und deutlich mehr seien früher in der CDU gewesen. Sodass man dem Bündnis genauso gut eine Nähe zu diesen Parteien unterstellen könne. Das klingt selbstbewusst. Aber die Kontaktangst zur AfD geht so weit, dass er sich inhaltlich nicht zu der Partei äußern wolle, weil er sich grundsätzlich nicht negativ über Mitbewerber äußern wolle. Eine Position, die für einen Parteivorsitzenden schwer zu halten sein dürfte.

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Der 24 Jahre alte Beisitzer Jonathan Sieber geht da unbeschwerter ran: Ja, die AfD sei rechtsextrem, zumindest in entscheidenden Teilen.

Jedenfalls stellt das Bündnis Deutschland Hürden auf, die es von der AfD abgrenzen sollen. So soll es mit jedem neuen Mitglied ein Aufnahmegespräch geben. Dort müsse der Interessierte auch seine Personalien angeben. Wer in der AfD Mitglied im „Flügel“ war – der selbst für die AfD rechts war – darf nicht Mitglied im Bündnis werden. Dann sei der Mitgliedsbeitrag mit 15 Euro im Monat vergleichsweise hoch. Außerdem gebe es die Mitgliedschaft zuerst nur auf Probe. In den ersten beiden Jahren könne der Vorstand neue Mitglieder ohne Verfahren rauswerfen.

Das sind hohe Hürden, um die beschriebenen Parteienhopper oder rechtsextreme Klientel abzuhalten. Nur müssen die anderen Interessierten eben auch über diese Hürden. Und da könnten die sich bald als zu hoch erweisen: Das Bündnis Deutschland will eine Sammelbewegung für die Unzufrieden werden. Nach Umfragen stellen die im Land mittlerweile eine Mehrheit. Hätte das Bündnis Erfolg und es interessieren sich nicht nur 4000 Menschen für die Sammelbewegung, sondern 40 000 oder gar 400 000 Menschen, dann müsste der Vorstand sich an seine eigenen Regeln halten und 400 000 Aufnahmegespräche mit je einer Viertelstunde Dauer führen. Der Vorstand wäre dann 4166 Tage am Stück damit beschäftigt, Aufnahmegespräche zu führen. Aber selbst bei den 4000 Mitgliedern wären es eben über 40 Tage Aufnahmegespräche nonstop. Die Regelung ist daher untauglich für eine Partei, die über ein Nebenzimmer hinauswachsen will.

Die Mitglieder des Bündnisses haben viel Aufwand betrieben. Sie haben eine Satzung erarbeitet. Sie haben einen Vertrag als eine Art Selbstverpflichtung aufgesetzt, mit dem sich die Führung verpflichtet, ethisch zu handeln. Vielen organisatorischen Aufwand haben sie vorhergesehen, den manch anderer Gründer ignoriert hat – zum eigenen Schaden. Dank Spenden von Mittelständern sei die Partei für zwei Jahre finanziert, berichtet Generalsekretär Stadelmann. Doch nun beginnt der Langstreckenlauf, den Große erwartet. In dem eine junge Partei aus der Box raus muss, um öffentlich gesehen, wahrgenommen und nachgefragt zu werden. Das ist schwer genug. Auch wenn man sich selbst keine Hürde vor die Box stellt.

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