Tichys Einblick
Debatte im Gesundheitsausschuss

Melanie Brinkmann: Mit Konjunktiv für den ewigen Ausnahmezustand

Die Corona-Maßnahmen sollen nochmal verlängert werden. Darüber diskutieren Sachverständige vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages. Dabei hat es die Regierung bisher versäumt, einen Gesetzesentwurf vorzulegen. Von Jonas Aston

IMAGO / IPON

Am Montag befasste sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages mit der Verlängerung der Corona-Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz. Die Rechtsgrundlage läuft für die meisten Corona-Maßnahmen zum 20. März aus. Die Ampel-Koalition möchte das verhindern und plant über den März hinaus, sogenannte „Basisschutzmaßnahmen“ aufrechtzuerhalten. Im Gesundheitsausschuss wurden hierzu nun Sachverständige angehört. Erstaunlich ist, dass der Ausschuss sich im Rahmen einer Selbstbefassung mit der Verlängerung des Infektionsschutzgesetzes beschäftigt, da ein Gesetzesentwurf formal noch immer nicht vorliegt. Im Hau-Ruck-Verfahren soll die Änderung des Infektionsschutzgesetzes durchgepeitscht werden – und es wird am Ende über ein Gesetz diskutiert, das noch gar nicht in Form eines Entwurfs vorliegt. Zahlreiche Experten sind dennoch dafür.

Nach dem, was bisher bekannt ist, sollen die Bundesländer künftig „unabhängig vom lokalen Infektionsgeschehen, ausgewählte niedrigschwellige Maßnahmen“ anordnen dürfen. Hierzu zählt die Verhängung von Masken- und Testpflichten. Bei „bedrohlicher Sicherheitslage“, wie der drohenden Überlastung des Gesundheitssystems oder eines sehr steilen Anstiegs der Infektionen, können Gebietskörperschaften (ob hierunter nur Länder oder auch Kommunen fallen, ist noch strittig) noch weitergehende Maßnahmen anordnen. Die Begründungen dafür werden zunehmend an den Haaren herbeigezogen. Auch von den Sachverständigen.

— TheRealTom™ ✊ (@tomdabassman) March 14, 2022

Melanie Brinkmann sprach sich dabei sehr klar für die Beibehaltung von Basisschutzmaßnahmen aus. „Die Todesfälle steigen, die Hospitalisierungsraten steigen und etwas, was nicht steigt, ist die Rate der Impfungen.“ Gegen weitere Lockerungen spricht sich Melanie Brinkmann aber vor allem aus einem anderen Grund aus. Im Gesundheitssystem habe man zunehmend mit Personalausfällen zu kämpfen. Ihrer Auffassung zufolge müssen Masken- und Testpflichten bestehen bleiben, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Im Sommer geht sie sogar von steigenden Belastungen des Gesundheitssystems aus. An anderer Stelle warnt sie vor einer möglichen „Deltakron-Variante“.

Auch die Ungeimpften bereiten Brinkmann große Sorgen. Schon im November letzten Jahres behauptete sie: „Die Ungeimpften treiben diese Pandemie.“ Im Ausschuss sagte sie nun, dass Ungeimpfte die letzten Monate „abgekapselt“ gewesen seien. 2G-Maßnahmen wurden abgeschafft und Brinkmann fürchtet bei Ungeimpften ein vermehrtes Infektionsgeschehen. Doch Brinkmann geht noch weiter. Eindringlich warnt sie vor weiteren Lockerungen. „Was passieren kann ist, dass das Wachstum sich so dynamisch entwickelt, dass wir die Kontrolle noch einmal komplett verlieren.“ Wissenschaftliche Fakten bietet sie kaum, sie redet fast ausschließlich im Konjunktiv.

Doreen Siebernik, Vertreterin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, hält die Aufhebung der Maskenpflicht in Schulen „für ein falsches Signal“. Der im Ausschuss diskutierte Entwurf sehe nur noch eine Testpflicht, jedoch keine Maskenpflicht mehr vor. Schulen seien jedoch keine „sicheren Orte“, sondern vielmehr „Orte der Verbreitung“. Infektiologe Bernd Salzberger sieht Handlungsbedarf durch die Ankunft von ungeimpften ukrainischen Flüchtlingen, da diese auch zu den vulnerablen Gruppen gezählt werden müssen.

Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, lieferte kurz einen kleinen Lichtblick und sprach sich gegen die Impfpflicht aus. Um die ging es bei der Debatte aber eigentlich gar nicht. Gerade an der Maske wollte auch er zu großen Teilen festhalten. Hendrik Streeck findet die Möglichkeit einer Maskenpflicht ebenso richtig und begrüßt auch weitergehende Maßnahmen, wenn dem Gesundheitssystem eine Überlastung droht.

Die Bundesregierung und viele führende „Experten“ sind jedoch weiterhin offensichtlich im Panikmodus. Ein Ende der Maßnahmen scheinen sie nicht einmal in Betracht zu ziehen. Ein „Freedom Day“ rückt in weite Ferne. Die Rechtsgrundlage für diese Maßnahmen soll nach Plänen der Ampel-Regierung zum 22. September auslaufen. Dann soll wieder neu bewertet werden, inwieweit gelockert werden kann – oder eben auch nicht.

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