Drei Jahre nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag: die Schäbigkeit geht weiter
Redaktion
Zum Gedenken an das islamistische Attentat erhielten die Überlebenden keine Einladung. Viele kämpfen bis heute um Entschädigung
Das Gedenken an den islamistischen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 verlief in diesem Jahr so schäbig und stillos, wie sich der Staat gegenüber den Opfern von Anfang an verhielt. Das Land Berlin hatte darauf „verzichtet“, die Überlebenden und Hinterbliebenen zu der Gedenkveranstaltung einzuladen.
„Die Zentrale Anlaufstelle für Betroffene hat nach Gesprächen mit Trauma-Experten und reiflicher Abwägung darauf verzichtet, Opfer und Hinterbliebene mit einem persönlichen Anschreiben einzuladen, um Wunden nicht aufreißen zu lassen“, twitterte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Um großzügig festzustellen, „gleichwohl“ könnten Opfer natürlich uneingeladen an der Zeremonie heute Abend teilnehmen, wenn sie das wünschten.
— Der Regierende Bürgermeister von Berlin (@RegBerlin) December 19, 2019
Die schäbige Behandlung der Verletzten und Hinterbliebenen des schwersten islamistischen Attentats in Deutschland begann 2016 sofort nach dem 19. Dezember, und setzt sich bis heute fort. Damals bekamen Überlebende die Rechnung der Pathologie für die Leichenschau nach Hause geschickt. Angehörige eines israelischen Ehepaares – die Frau war umgekommen, der Mann schwer verletzt – irrten tagelang durch Berlin und von einer Anlaufstelle zur anderen, um nach den beiden zu suchen. Frank-Walter Steinmeier, damals noch Außenminister, kondolierte 2016 einer jungen Frau, damals 22, die ihre Eltern verloren hatte – aber nur zum Tod des Vaters. Grund: er hatte, anders als die Mutter, eine nichtdeutsche Staatsbürgerschaft. Im Auswärtigen Amt machte sich niemand die Mühe, die genaueren Umstände zu erforschen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel brauchte ein Jahr, um sich mit den Überlebenden und Hinterbliebenen zu treffen.
Die mehrfache Zusicherung, den Opfern „unbürokratisch“ zu helfen, erfüllt der Staat bis heute nicht. Mehrere traumatisierte Überlebende klagen, dass sie nach wie vor einen zähen Kampf mit Ämtern um Entschädigungen und Renten ausfechten müssen.
Die Sprecherin der Berliner Opfer und Hinterbliebenen Astrid Passin kündigte vor kurzem die Gründung eines bundesweiten Verbandes für Terror-Opfer an. Ein Ziel des Verbandes, so Passin, bestehe darin, einen nationalen Trauertag für Terroropfer einzuführen.
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