Bodo Ramelow, der linke Ministerpräsident Thüringens wünscht sich laut WELT eine neue Nationalhymne. Der Rheinischen Post sagte der Spitzenpolitiker der Partei, die aus der SED hervorgegangen ist: „Ich singe die dritte Strophe unserer Nationalhymne mit, aber ich kann das Bild der Naziaufmärsche von 1933 bis 1945 nicht ausblenden.“
Assoziationen sagen immer etwas aus über denjenigen, der assoziiert. Mir beispielsweise kommt beim Singen unserer Nationalhymne die Revolution von 1848/49, jener leider gescheiterte Versuch in den Sinn, die deutsche Einheit als Demokratie zu verwirklichen. Schwarzrotgold und Paulskirche habe ich beim Singen vor Augen. Die aus dem demokratischen Geist von 1848/49 erwachsene Hymne scheint aber nicht Jedermanns Sache zu sein. Wie steht es mit dem demokratischen Geist?
Bodo Ramelow wünscht sich eine neue Nationalhymne, die alle mitsingen können. Doch wenn man sich die vielfachen Spaltungen im Land anschaut, kann das nur gehen, wenn man eine Nationalhymne durchsetzt, die einige gern mitsingen und die andere dann per Gesetz mitsingen müssen. Jedenfalls wird der Versuch, eine neue Nationalhymne durchzusetzen, nicht zur Einheit und zum Zuschütten von Gräben führen, sondern zur Vertiefung selbiger.
Es fällt mir schwer, Bodo Ramelow für so naiv zu halten, dass er das nicht sieht, weiß er es, muss er das auch wollen. Stellt sich die Frage, welche neue Nationalhymne das denn sein könnte, die nach Ramelows Willen bald alle in Deutschland Lebenden mitsingen müssen.
Schaut man in das Liedgut seiner Partei, fällt einem die „Internationale“ ein, oder „Dem Morgenrot entgegen“ mit dem sinnreichen Refrain: „Wir sind die junge Garde des Proletariats“, das die über siebzigjährigen Genossen des Politbüros der SED bei Feiern und auf Parteitagen so gern intonierten. Oder, wenn man an die Zeit der Aufmärsche am Ende der Weimarer Republik denkt wie Ramelow, erinnert man sich an eine andere Hymne, an die von Erich Weinert gedichtete Hymne des Roten Wedding:
Links, links, links, links! Die Trommeln werden gerührt !
Links, links, links, links! Der „Rote Wedding“ marschiert !
Hier wird nicht gemeckert, hier gibt es Dampf
denn was wir spielen, ist Klassenkampf
nach blutiger Melodie !
Wir geben dem Feind einen kräftigen Tritt,
und was wir spielen, ist Dynamit
unterm Hintern der Bourgeoisie.
„Roter Wedding“ grüßt euch, Genossen,
haltet die Fäuste breit !
Haltet die roten Reihen geschlossen,
denn unser Tag ist nicht weit !
Drohend stehen die Faschisten
drüben am Horizont !
Proletarier, ihr müßt rüsten !
Rot Front! Rot Front !
Links, links, links, links ! Trotz Zörgiebels Polizei !
Links, links, links, links ! Wir gedenken des Ersten Mai!
Der herrschenden Klasse blut’ges Gesicht,
der rote Wedding vergißt es nicht
und die Schande der S P D !
Sie wollen uns das Fell über die Ohren ziehn,
doch wir verteidigen das rote Berlin,
die Vorhut der roten Armee.
„Roter Wedding“ grüßt euch, Genossen…
Links, links, links, links ! Wir ziehen den Vorhang auf !
Links, links, links, links ! Nun nimmt das Spiel seinen Lauf !
Die Republik ist ein schöner Palast,
doch sie steht auf einem dicken Morast
von Dummheit und Reaktion.
Wir rücken an und wir misten aus !
Und bauen uns ein neues Haus :
die deutsche Sowjetunion !
„Roter Wedding“ grüßt euch, Genossen…
Welche Melodie und welcher Text schweben Ramelow vor?