Bevorzugte das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) bei Aufkauf von Corona-Schutzmasken das Speditionsunternehmen Fiege? Dieser Verdacht erhärtet sich beim Vergleich mit den Verträgen, die das Ministerium in Frühjahr 2020 mit anderen Unternehmen schloss. TE liegen die teils vertraulichen Rahmenverträge des BGM mit VW, der Lufthansa, dem Versandunternehmen Otto und BASF vor. In keiner der Vereinbarungen räumt Spahns Haus seinen Partnern so großzügige Bedingungen ein wie dem Speditionsunternehmen Fiege – das aus seiner münsterländischen Heimat stammt, und eng mit der CDU verflochten ist.
Die Fiege International Beteiligungs GmbH (FIB) sitzt in Greven im Münsterland, ganz in der Nähe von Spahns Wahlkreis Steinfurt-Borken. Vize-Vorsitzender des CDU-Bezirks Münsterland ist Jens Spahn. Angehörige der Unternehmerfamilie verfügen über exzellente Beziehungen zur CDU: Mitgesellschafter und Ex-Chef Hugo Fiege sitzt im Präsidium des CDU-Wirtschaftsrats. Sohn Felix Fiege leitet die Fachkommission Digitale Wirtschaft des CDU-Wirtschaftsrats in Nordrhein-Westfalen.
Wie TE berichtet, schloss das Bundesgesundheitsministerium am 31. März 2020 mit Fiege einen Rahmenvertrag über die Beschaffung von maximal 110 Millionen FFP-2-Schutzmasken und 500 Millionen einfachen OP-Masken. Die Vereinbarung, die TE vorliegt, enthält eine besondere Klausel: „Im derzeitigen Markt ist es in der Regel aktuell erforderlich“, heißt es dort, „dass FIB den Ankauf bei seinen Lieferanten schon vor der Prüfung tätigt. Den Parteien ist das bewusst und die damit verbundenen Risiken aus dem Kaufvertrag trägt BGM.“ Das Bundesgesundheitsministerium übernahm also pauschal das gesamte Risiko, falls sich die beschafften Masken als minderwertig oder unbrauchbar erweisen sollten.
Außerdem erhielt Fiege – anders als andere Lieferanten – Vorkasse in einem erheblichen Ausmaß. „Das BGM hat bereits eine Abschlagzahlung von 40 000 000.- Euro (vierzig Millionen) geleistet“, heißt es in dem Rahmenvertrag.
Volle Risikoübernahme durch das Spahn-Ministerium, Vorkasse – unter diesen Bedingungen konnte das Unternehmen aus Spahns Heimat nicht viel falsch machen.
In einem Anhang zum Vertrag durfte Fiege außerdem noch die eigentlich schon vereinbarten Preise für die Schutzausrüstung nach oben korrigieren, die das Ministerium zu bezahlen hatte. Für die FFP-2-Masken sollten demnach 3,05 Euro (statt ursprünglich 2,95), für die OP-Masken 0,53 Euro (statt 0,44) abgerechnet werden.
In keinem der anderen Rahmenverträge räumte das Bundesgesundheitsministerium den Firmen eine Vorkasse ein. Und auch eine nachträgliche Anhebung der Preise findet sich weder in den Verträgen mit VW, BASF, Otto noch mit Lufthansa. Der Unterschied besteht auch darin, dass BASF, Otto und Lufthansa nur mit einer „unentgeltlichen Geschäftsbesorgung“ betraut wurden. Das heißt: Sie sollten in Fernost Masken zum Selbstkostenpreis aufkaufen und nach Deutschland bringen.
Der entsprechende Passus zur Haftung lautet beispielsweise bei der Lufthansa: „Im Rahmen ihrer unentgeltlichen Geschäftsbesorgung beschafft Lufthansa die Schutzausrüstung in Form einer Dienstleistung, ohne eine Verpflichtung zur erfolgreichen Durchführung von Bestellvorgängen und ohne jegliche Form von Gewährleistung für die Schutzausrüstung einzugehen.“
In der Vereinbarung mit VW heißt es, sollten sich die beschafften Masken als mangelhaft erweisen, „wird die VW AG sich bemühen, den Ankauf auf Verlangen des Bundes rückabzuwickeln.“
In dem Vertrag mit Fiege ist dagegen nicht von einer „unentgeltlichen Geschäftsbesorgung“ die Rede. Sondern von einem gewinnbringenden Masken-Geschäft – plus Haftungsfreistellung, Vorkasse und nachträglicher Preisanhebung.
Auf die Frage von TE nach einer möglichen privaten oder privatgeschäftlichen Verbindung zwischen ihm und Fiege hatte Spahn nicht geantwortet.
[inneer_post] Bei seiner Masken-Beschaffungsaktion hatte sich Spahns Ministerium 2020 erheblich verkalkuliert – weil seine Beamten ganz offensichtlich den Überblick über die Bestellvorgänge verloren hatten. „Viele Entscheidungen und Einzelmaßnahmen sind im BGM nur unzureichend dokumentiert und lassen sich nicht nachvollziehen“, stellte der Bundesrechnungshof in der vergangenen Woche fest. Statt der 4,9 Milliarden Euro, die eigentlich bereitstanden, musste der Bundesfinanzminister damals noch zusätzliche 7,9 Milliarden Euro bereitstellen. Um die gewaltige Budgetüberschreitung zu vertuschen, versucht das Bundesgesundheitsministerium gegenüber mehr als 70 kleineren Masken-Lieferanten, Verträge im Nachhinein als unwirksam zu erklären. In etlichen Fällen zahlte das BGM nicht für die Masken und behauptete Qualitätsmängel. Gleichzeitig verwehrten Beauftragte des Ministeriums Lieferanten den Zugang zu ihrer schon gelieferten Ware, so dass sie keine Chance haben, die Qualität ihrer Masken von Gutachtern prüfen zu lassen. Derzeit klagen gut 70 Unternehmen vor dem Landgericht Bonn auf Bezahlung.
Mehrere Kläger hatten schon Erfolg – zuletzt die Karl Rabowsky GmbH aus Berlin. Das Landgericht Bonn verurteilte das Spahn-Ministerium, mehr als ein Jahr nach der Lieferung den Kaufpreis von 3 084480 Euro zu erstatten. Auch hier hatte das Ministerium versucht, mit dem Hinweis auf angebliche Mängel vom Kaufvertrag zurückzutreten – wobei sie gar nicht die Funktion der Masken monierten, sondern nur leichte Produktionsunterschiede. „Allerdings liegen die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt nicht vor“, entschied das Gericht.
Andere Unternehmen erhielten in dem von Spahns Ministerium angeschobenen Beschaffungsverfahren weder Vorkasse noch eine Risikoübernahme des Staates. Und mehr als 70 Lieferanten warten bis heute auf ihr Geld. Die meisten von ihnen klagen vor dem Landgericht Bonn; es geht um einen Gesamtbetrag von mehr als 200 Millionen Euro, die die Unternehmen von dem Ministerium fordern. In vielen Fällen behauptete die Behörde pauschal Qualitätsmängel – also genau das, wofür sie in dem Vertrag mit Fiege komplett selbst beziehungsweise auf Kosten des Steuerzahlers haftete.