Der Biologieprofessor Ulrich Kutschera ist zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Die Staatsanwältin hatte ihn angeklagt wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verleumdung durch ein Interview, das das österreichische Internetportal kath.net vor fast drei Jahren mit Prof. Dr. Ulrich Kutschera geführt hatte.
Richter Henning Leyhe gab nun der Klage Recht und erklärte, die Äußerungen Kutscheras seien nicht durch die Freiheit der Wissenschaft gedeckt. Kutschera hätte wissen müssen, dass viele Leser seine Aussage nicht verstehen.
Die Staatsanwaltschaft warf ihm weitergehend vor, in dem Interview unter dem Vorwand angeblicher „biowissenschaftlicher Fakten“ homosexuellen Personen eine grundsätzliche Neigung zum sexuellen Missbrauch von Kindern unterstellt zu haben. In dem kritisierten Interview ging es Kutschera vor allem um das Kindeswohl und die Probleme der Vater- beziehungsweise Mutterentbehrung. Die Staatsanwaltschaft argumentierte in ihrem Plädoyer, dass neben dem Vorwurf der Beleidigung auch der Vorwurf der Volksverhetzung erfüllt worden sei. Die Öffentlichkeitswirksamkeit, eine Voraussetzung für Volksverhetzung, sei nicht nachweisbar gewesen, so Leyhe bei der Urteilsbegründung. Mit anderen Worten: Nur die geringe Reichweite des Online-Portals in Deutschland schützte Kutschera in diesem Punkt.
Für das Gericht stand allerdings fest, dass Kutschera mit seinen Äußerungen die Gruppe der Homosexuellen, die heiraten und Kinder haben wollen, durchaus beleidigt und herabgewürdigt habe. Der Richter nannte als Beispiel den Begriff „Erotikvereinigungen“, den Kutschera für homosexuelle Paare verwendet hat. Das werte diese Personen ab. Ein Wissenschaftler könne zwar „zugespitzte Thesen“ vertreten, sollte diese aber mit Argumenten untermauern, nicht mit Herabsetzungen.
Das Verfahren in Kassel war die Fortsetzung eines Prozesses vor einem Jahr, der unterbrochen werden musste. Denn die Staatsanwaltschaft seinerzeit war erkennbar von den vielen biologischen Begriffen ermattet. Er müsse jetzt nach Hause gehen, bekundete der Staatsanwalt damals vor Gericht. Dem Gericht war es dann nicht möglich, innerhalb der vorgeschriebenen Frist einen Fortsetzungstermin festzulegen, daher wurde das Verfahren ausgesetzt. Jetzt also musste der Prozess noch einmal von vorne beginnen. Allerdings wurden diesmal sämtliche von Kutschera vorgeschlagenen Zeugen vom Gericht nicht mehr geladen. Die Stellungnahmen von fünf Professoren und einem Kinderarzt zum Sachverhalt seien für die Wahrheitsfindung irrelevant. Stattdessen wurden vier Zeugen, zwei homosexuelle Männer und zwei Studenten des AStA, ausführlich vernommen, die sich von Kutscheras Äußerungen betroffen fühlten.
Beleidigende Wissenschaft oder beleidigender Wissenschaftler?
Die Äußerungen hatten unter Studierenden der Universität Kassel Proteste ausgelöst und auch die hessische Landesregierung sowie das Rektorat der Universität auf den Plan gerufen. Kutschera ist seit 1993 Professor in Kassel. Wegen des Interviews hatten mehrere Homosexuelle und Kasseler Studierendenvertreter Anzeige erstattet.
Nun ist Kutschera ein international renommierter Evolutionsbiologe mit zahlreichen Veröffentlichungen zur Grundlagenforschung und hat mit der »Physiologie der Pflanzen« ein Standardwerk verfasst. Er hat auch eine Reihe neuer Arten entdeckt. Ihm gelangen quantitative CO2-Messungen der Photosynthese, bei der er belegen konnte, dass das für Pflanzen notwendige Spurengas CO2 derzeit zu einer Ergrünung der Erde führt. Kutschera hat seit 1992 eine C4-Professur für Pflanzenphysiologie an der Universität Kassel und arbeitet ständig als Visiting Scientist in Stanford, USA. In seinem aktuellen Werk »Klimawandel im Notstandsland, Biologische Realitäten widerlegen Politische Utopien« behandelt Kutschera allerdings auch Themen wie Massenzuwanderung, Menschenrassen, Klimawandel, Aussterben der Deutschen, Replacement Migration, Klimawandel und Corona-Problematik aus biologischer Sicht – alles andere als politisch korrekt. Offenbar kollidiert hier das Weltbild eines Wissenschaftlers mit dem außerhalb seines Labors und seiner Bibliothek.
Es gibt nur zwei Geschlechter
Nun beharrt er darauf, dass die Natur nicht mehr als zwei Geschlechter vorgesehen hat, von denen nur das weibliche Nachkommen hervorbringen kann, Männer dagegen zum Gebären unfähig und vor allem »Variationen-Generatoren« seien. Es gäbe keine frei wählbare geschlechtliche Identität als soziales Konstrukt, auch wenn das einige immer wieder sehr laut behaupteten.
Sex und Gender sind für ihn Schlüsselbegriffe der Evolutionsbiologie – Grundlage für die Vielfalt der Arten, heute jedoch zur Verbreitung einer radikal-feministischen »Geschlechter-Theorie« und der Politikagenda des »Gender Mainstreaming« sinnentstellend verwendet, einer, wie er sagt »Frau-gleich-Mann-Ideologie«. Die Gender-Theorien ad absurdum zu führen, war das Ziel seines Buchs »Das Gender-Paradoxon: Mann und Frau als evolvierte Menschentypen.« Für besonders problematisch hält es Kutschera, dass im Zuge der Gender-Indoktrination jungen Frauen vermittelt werde, ein kinderloses Leben sei erstrebenswert.
Sein Schlüsselargument ist das Experiment des amerikanischen Psychiaters und Pädagogen John Money (1921 – 2006) an den beiden eineiigen Zwillingsbrüdern Bruce und David Reimer. Er wollte die These beweisen, nach der allein die Erziehung in den frühen Lebensjahren über das Geschlecht entscheidet.
Die Zwillinge kamen 1965 in Kanada zur Welt, David, einer der Jungen, wurde medizinisch zu einem Mädchen umoperiert. Fortan hieß er Brenda, bekam weibliche Hormone und sollte als Mädchen erzogen werden. David/Brenda wehrte sich allerdings. Erst im Alter von 15 Jahren erfuhr David/Brenda die ganze Wahrheit, dass er eigentlich als Junge geboren wurde. Für ihn der Schock seines Lebens. Er wollte wieder als Junge leben und ließ sich entsprechend erneut operieren. Am 4. Mai 2004 beging David im Alter von 38 Jahren Selbstmord. Money dagegen beschrieb David/Brenda als »normales, glückliches Mädchen« und prägte den Begriff des »psychosozialen Geschlechts des Menschen«.
In diesem Experiment ist der Ursprung des »Genderismus« zu sehen, glaubt Kutschera. Als »geistige Vergewaltigung Schutzbefohlener« hat er die von Money initiierte Geschlechter-Propaganda bezeichnet. »Diese Moneyistische Gehirnwäsche ist schlimmer als eine Vermittlung des antiquierten Erdscheiben-Glaubens: Kinder sehen, ob sie männlich beziehungsweise weibliche Personen vor sich haben, können aber nicht erkennen, ob wir auf einer Scheibe oder einer Kugel leben.« Die Geschlechter-Verschiedenheiten (Sexual-Dimorphismus) von Mann und Frau, wie sie bei allen getrenntgeschlechtlichen Tieren (Gonochoristen) etabliert sind, entstanden in der Evolution: »Nur in enger Zusammenarbeit konnten Männer als Spermien-Produzenten und Frauen als Eizellen-Bereitstellerinnen mit Gebärfähigkeit im Verlauf der Jahrmillionen über innere Befruchtungen bis heute in ihren jeweiligen Nachkommen bestehen.« Ein »Gender-Unisexwesen« (Kutschera) wäre ausgestorben.
Kutschera nennt Genderforschung eine „Pseudowissenschaft“
Die Genderforschung hält Kutschera für „eine anti-biologische Pseudowissenschaft“. Es werde gefährlich, wenn – wie im grün-schwarzen Bundesland Baden-Württemberg geschehen – einst ein sogenannter »Entwurf zum Bildungsplan 2015« der Stuttgarter Landesregierung vorgelegt wurde. Der sorgte für heftige bundesweit Proteste. Denn Vertreter der Gender-Ideologie wollten für alle Schulen und Fächer vorschreiben, dass die Schüler von nun an »gendersensibel« erzogen werden. Man plante, zum Beispiel Achtklässler im Biologieunterricht zu fragen, ob sie wirklich »heterosexuell seien oder sein wollen«. Die Proteste hatten seinerzeit dazu geführt, dass Ministerpräsident Kretschmann den Vorschlag zurückgezogen hat. „Naturwissenschaftliche Wahrheiten sind oft unbequem, aber man wird sie nicht auf Dauer unterdrücken können“, schreibt Kutschera im Vorwort zu seinem Buch „Das Gender Paradoxon“.
Die Universität Kassel erklärte zu dem Verfahren: „Die Äußerungen von Ulrich Kutschera empören.“ Und: „Diskriminierung und Verleumdung von Minderheiten und diverser Lebensformen wenden sich gegen die Werte der Universität Kassel.“
Die Universität in einer früheren Stellungnahme: „Wir respektieren unterschiedliche Lebensentwürfe und sehen Diversität als Gewinn für die Universität. So wird aktuell eine Diversity Week vom 28. September bis 2. Oktober 2020 vorbereitet. Rassismus und rechtes Gedankengut, der Ruf nach homogenen nationalen Gesellschaften durch Ausgrenzung von Minderheiten und Flüchtlingen lehnen wir ab.“
Der Fall ist insofern politisch bedeutsam, als der Sprach-Raum für Kritik an der Gender-Ideologie enger wird, da das Recht der Betroffenheit offenbar schwerer wiegt als vermeintlich eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse. Das ist in diesem Fall anders als in der Klimadebatte, wo wissenschaftliche Aussagen über menschengemachte Ursachen für den Klimawandel weithin als unantastbar gelten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Kutschera und sein Anwalt wollen die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann in Berufung gehen.